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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 8.1860

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12. Heft
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Geschichtliches über die typographische Ausstattung der liturgischen Bücher
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Zur Geschichte der Glockengießerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.18472#0107

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93

hindurch einfach nicht mehr aufgelegt und
diese zum Theil ganz außer Kurs gesetzt. Um
Nichts seltener aber entstanden Privat-Ritu-
lien von mehr oder weniger neologischer und
radikaler Färbung, ja mit offen ausgespro-
chener Tendenz gegcn die Kirche, kirchlichen
Glauben und Ritus. Jhre Sprache war mit
feindseliger Consequenz durchaus die deutsche,
der Ton ein doktrinärer, den Geheimnissen
des Glaubens und ihrer Symbolik abhold,
kurz, diese Machwerke waren in jedem Be-
tracht das Gegentheil der liturgifchen Bücher
des Mittelalters, ohne kirchliche Auktorität,
nicht Leiter, sondern Zerstörer der Glaubens-
tradition, nicht Segen spendend, sondern rau-
bend; — was Wunder also, daß ste (nach
dem oben ausgesprochenen Erfahrungssatze)
auch in Bezug aus würdige typographische
Ausstattung im höchsten Grade profan waren!
Zwar ist diese neologische Sturmperiode ihrem
Ende nahe; aber von den Streichen, die die
künstlerisch-würdige Behandlung dieser Bü-
cher dabei erlitt, haben wir uns noch nicht
erholt. Neuestens noch werden alte Ritulien
— oder vielmehr alte Manualien oder Aus-
züge aus denselben zum Privatgebrauch —
neu aufgelegt und in Klein-Oktav für den
kirchlichcn Gebrauch angeboten und empfoh-
len. Nichts ist unpassender, als ein solches
Buch in der Hand eines am Altar oder Tauff
stein, Sterbebett oder Grabeshügel fungiren-
den Priesters. Vergessen wir nie den oben
ausgesprochenen und Lewiesenen Erfahrungs-
satz, daß die äußere künstlerische und würdige
Ausstattung der liturgischen Bücher, daß
Blüthe und Versall der kirchlichen Typo-
graphie im engsten Zusammenhang mit der
Geltung oder Geringschätzung der wahren
kirchlichen Prinzipien über die Liturgie selbst
fteht und beeilen wir uns, die letzte Erinne-
rung an eine unglückselige Verirrung in der
Anschauung, ja im Glauben, durch Rückkehr
zu den typographischen Marimen besserer Zei-
ten zu verwischen. Nochmal: beeilen wir
uns; denn diese Angelegenheit fällt in den
Pfiichtenkreis des Klerus, vorab der Bischöfe,

nicht aber ist ste abhängig von dem Gefchmack
oder dem Calcul des Buchdruckers.

Znr Oeschichle der Glockengießerei.

Gewiß die meisten unserer Leser haben noch
da und dort aus dem Munde des Volks die
Erzählung vernommen, wie beim Gusse dieser
oder jener Glocke der Herr Prälat oder Probst
oder endlich der ganze Convent der Ordens-
brüder, jeder eine Hand voll Thaler in
die schmelzende Masse hineingeworfen habe,
um den hell klingenden Silberton hervorbrin-
gen zu helfen. Man stndet sich oft versucht,
dergleichen Volkstraditionen, obwohl ste in
der Zeit nicht weit zurückgehen, sür bloße
Märchen zu halten. Und dennoch können ste
volle Glaubwürdigkeit für stch ansprechen.
Denn die Sitte, Silber als srommes Opfer
in den Glockenguß zu werfen, ist alt und weit
verbreitet. Hier nur ein Beispiel. Schadäus
erzahlt in seiner Beschreibnng des Straßbur-
ger Münsters Folgendes:

„Anno 1724 als ein großer sterbet (ein
großes Sterben) war, und man des heiligen
Geistes Glock viel brauchte, Lrach sie abermal:
die ward uff Laurentii Tag bei der Steinhüt-
ten am Fronhoff wieder gossen durch Meister
Hans Grempen, dazu die Leut viel köst-
lich Metall von Gold und Silber
opfferten, hat man an Guß gewogen 180
Centner, und über den alten Zeug zu machen
gekostet 1300 Gulden."

Gleich darauf wird Folgendes erzählt:
„Anno 1519 wurden die Herren Pfleger uff
unser Frawen Hauß zu Rath, daß man solte
Gott und Marien der Königin und Patronin
des hohen Stiffts Strasburg zu Ehren eine
große Glocke gießen, die wurd Meister Gör-
gen von Speyr Burger zu Strasburg ver-
dingt, den Centner umb einen gulden zu gies-
sen. Da hat man eine Hütten und Offen uff
dem Fronhoff bei der Steinhütten gemacht,
und über den alten Zeug, der im Vorrath
war, für kupser 1800 gulden, und weiteres
 
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