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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 8.1860

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11. Heft
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Clemens Brentano über die kirchlichen Bildwerke der mittelalterlichen Schule
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Geschriebene liturgische Bücher nach Erfindung der Buchdruckerkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.18472#0085

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emer hoheren Wahrheit, und nur der kann
ihre Gegenwart ertragen, der vor ihnen mit
reinem Herzen betet, und zwar ans der Ge-
sinnung, der sie offenbart worden sind. Die
gewöhnliche Art ihres Besitzes und ihrer Lob-
preisung und Recension* ist mir immer als
eine fortgesetzte Marter ihres Jnhalts, als
das Loos des Heiligen in den Händen der
humanen Sünder, etwa als die Verliebtheit
eines heidnischen Proconsuls in eine christliche
Martyrin, deren himmlische Schönheit ihm
ein neuerSündenreiz wird, erschienen. Wenn
ich sie aber anschaue, sühle ich Reue
undLeid und wende mich znrück zumei-
ner Schmach, und glaube nur so ihnen
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Kein Wunder, daß die Lilderstiirmenden Re-
sormatoren diese Himmelslicht scheinenden
Ebenbilder des finstcrn Mittelalters durch
ihre Flügelmänner zertrümmerten. Aber der
Baum des ewigen Lebens, auf dem ste ge-
wachsen, wird nicht entwurzelt werden, und
scheint er gleich morsch und alt, und sallen
hie und da dürre Zweige nieder, so gibt doch
nur er jährlich reichliche reife Früchte" —
(Gesammelte Briefe 2. Band, S. 61 u. 62,
Frankfurt 1855.)

Wir setzen diesen unvergleichlichen Worten
Nichts bei, möchten aber jeden Leser bitten,
sie bei jeder Bcsichtigung alter und neuer
religiöser Bilder betrachtend, anwendend,
vergleichend vor Augen zu habcn. Vielleicht
erscheint dann manches alte Bild als ein Tu-
gendspiegel, wie der Heilige in der Legende,
vor dessen Leben gestcllt wir Reu und Leid
empfinden und durch dieses Gefühl ihnen Ge-
rechtigkeit widerfahren lassen.

* Brentano spielt auf die Antiquare, auf die
Museen und Kunstausstellungen an. Jetzt noch,
36 Jahre nachdem vbige Morte geschrieben wur-
den , hat die Antiquitäts-Liebhaberei uoch nicht so
oiel zu Wege gebracht, d':ß auch nur ein Maler
von Ruf die altdeutsche Kunst studiert und nachge-
ahmt hätte. Und doch soll dieser Zweck die fort-
gesetzte Beraubung der Kirchen und die Ansamm-
lung dieser alten Schätze in den Galerien recht-
fertigen.

Gelchnebene liturgische Dücher nach
Ersindung der Dnchdruckerkunjt.

Aüch nach Erfindung der Buchdruckerkunst
noch hörten viele Kirchen nicht aus, sich beim
Gottesdienste nur geschriebencr liturgischer
Bücher, sowohl geschriebener Miffalien als
Breviarien, zu bedienen. Ja noch mehr: als
die Reform des hl. Papstes Pius V. es nicht
mehr erlaubte, die alten Manuscripte beizu-
behalten, ließen viele Kirchen durch kundige
Kalligraphen sich Copien der neu revidirten
Bücher des römischen Ritus auf Pergament
fertigen. Man sieht bis auf den heutigenTag
noch imChore einzelner Kathedralen und Klö-
ster solche geschriebene Eremplare aufliegen.
Es gab in jedem Jahrhundert seit Erfindung
der Buchdruckerkunst einzelne berühmte Kalli-
graphen, welche sich mit dem Abschreiben —
wenn man dieses kunstmäßige Schreiben so
nennen dars — von liturgischen Büchern ab-
gaben. Jn Deutschland schrieb z. B. Verena
Jnfeld, Aebtissin von Baindt (ff u. 1520) ein
Meßbuch für ihr Kloster, in Würzburg ver-
fertigte auf die nämljche Weise Mathias Har-
tung, Mönch von St. Stephan, ein Psalte-
rium, das auf der Nürnberger Bibliothek noch
aufbewahrt wird, und Katharina von Eschen-
seld, Nonne zu Langendorf, schrieb ein Missale,
(heutzutage auf der Bibliothek in Gotha).
Jn Frankreich zeichnete sich vor allen Kalli-
graphen des 17. Jahrhunderts Nicolas
Jarry aus (er blühte um 1641). Sein
Klssale solemns, ein Werk von großer Schön-
heit) hundert Blätter in Folio umfassend),
wurde im Jahr 1813 um 601 Francs ver-
kauft und würde heutzutage einen viel höheren
Preis gelten. Jm Jahr 1648 schrieb er für
Claude le Rebö, Erzbischof von Narbonne,
ein Oküolum L. NurlnL Vlr^Ims in 16°, wel-
ches heute noch auf der Bibliothek in Besan-
tzvn aufbewahrt wird. Ludwig XIV., der in
allen Dingen das Prächtige und Großartige
liebte, wollte, daß in der königlichen Kapelle
von Versailles nur geschriebene liturgische
Bücher gebraucht würden. Er ließ demnach

Kirchenschmuck, I86V, Heft lt oder Band vm.

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