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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 1/2
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Cohn, William: Eine japanische Kunstversteigerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0042

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dem Gebot durch Vermittlung eines
Kommissionärs in ein Kästchen,
das vor jedem Gegenstand steht.
Man kennt die anderen Gebote nur
ungefähr vom Herumfragen. So
ging der Abteilung das Werk ver-
loren. Es wird im Jahre 1908 nicht
viele Europäer gegeben haben, die
den Mut hatten, für eine unschein-
bare japanische Tuschlandschaft
eine so hohe Summe zu wagen. Der
nächsthöchste Preis von 76900 Yen
führt in eine ganz andere Welt, in
die Tokugawaperiode (siebzehntes
bis neunzehntes Jahrhundert) und
in jenen Kunstkreis, in dem der
alte chinesische Stil durch realisti-
sche Einflüsse nicht ohne Zutun
Europas sich von Grund aus ver-
änderte. Mandarinenten und andere
Vögel an einem schneebedeckten
Ufer von Jto Jakuchü, einem
Meister, der erst im Jahre 1800
starb. Die hohe Schätzung dieses
sehr geschickten, aber kalten akade-
mischen Malers beruht wohl we-
niger aul künstlerischen Erwägun-
gen, als darauf, daß seine berühm-
teste Schöpfung, eine zusammen-
gehörige Reihe von ursprünglich
sechsunddreißig Vogelbildern, de-
nen auch das versteigerte Werk zu-
gehören dürfte, heute im Besitz des
Kaisers von Japan ist. An dritter
Stelle in der Preisskala steht ein
chinesisches Bild mit einem Ertrag
von 76900 Yen. Es ist kein an-
gebliches T'angbild, nicht einmal
eine Schöpfung der Sungzeit, wie
der Europäer angesichts des recht
beträchtlichen Preises vermuten
würde, sondern eine Arbeit frühe-
stens der kurzlebigen Yüanperiode,
vielleicht bereits der Mingzeit (vier-
zehntes bis siebzehntes Jahrhun-
dert). Ein Blumen-Vogelbild, reich
farbig, ziemlich umfangreich, auf
Seide, keineswegs überwältigend,
das dem Wang Jo-shui zuge-
schrieben wird, einem Schüler des
berühmteren Chao Meng-fu.
Zweifelhaft dabei, ob die vielen
Zuschreibungen an den Schüler
auf sicheren Füßen ruhen, als die
noch zahlreicheren an den Lehrer,
von dem ein eigenhändiges Werk
überhaupt noch nicht bekannt
wurde. Shübun's Arbeiten sind
nicht so unmittelbar überzeugend

LANDSCHAFT VON SESSHU

wie die Sesshü's. Er schließt sich
rückhaltloser dem chinesischen Ur-
bild aus der Sungzeit an. Sein
Streben geht weniger auf Pinsel-
virtuosität, als auf zarte lyrische
Stimmung, wie sie die chinesischen
Sung-Meistcr der Ma-Schule lieben.
Aber Shubun (fünfzehntes Jahrhun-
dert) ist eine der bedeutsamsten
historischen Persönlichkeiten der
japanischen Malerei, da er der Leh-
rer von vier einflußreichen Schul-
gründern war, von Soga Jasoku,
Nöami, Sesshü und Kanö Masa-
nobu. Die Werke, die ihm zu-
geschrieben werden, sind ebenso
zahlreich, wie sichere Arbeiten sei-
ner Hand selten sind. Dazu gehört
die wundervolle Landschaft der Ver-
steigerung (Abb. 3, ca. 120x24cm),
die denn auch 46 200Yen einbrachte.
Ihre Verbürgtheit beruht vor allem
auf den Inschriften von zwölf zeit-
genössischen Priestern, die, wie
es gerade für Shübun bezeich-
nend ist, den größten Teil der Bild-
fläche zur leidenschaftlichen Be-
geisterung aller japanischen Kenner
bedecken. Zudem stammt sie aus
der berühmten Sammlung des ver-
storbenen Marquis Inouye, die nun
in alle Winde zerstreut ist. Ein
zweites chinesisches Bild wurde mit
nur (!) 3 3 900 Yen bezahlt, obwohl
es künstlerisch weit höher steht,
als das Werk des Wang Jo-shui:
Ein Tuschbild, einen Weinzweig
mit Trauben darstellend, wie alle
ähnlichen Arbeiten dem Meister
Jih-kuan (Tsu-wen) des drei-
zehnten Jahrhunderts zugeschrie-
ben, ein winziges unscheinbares
Werk auf Papier ohne Farben, aber
die durchgeistigte Kunst der Sung-
zeit in seltener Weise repräsentie-
rend. Auch in Japan sind eben
Größenverhältnisse und der äußere
Effekt nicht ohne Einfluß auf die
Preisbildung. — Der nächste hohe
Preis führt wieder in das Japan der
Tokugawa-Periode. Man darf den
Maler Maruyama Okyö" (1733
bis 95), einen der besten neuerer
Zeit, nicht nach den zahllosen
Schulwerken, Kopien und Fälsch-
ungen beurteilen, die nicht nur
in Europa und Amerika, sondern
auch in Japan zu Dutzenden um-
laufen. Eigenhändige Werke sind

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