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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Die Schwarzweiss-Ausstellung in der Akademie der Künste
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Grundzug ihrer künstlerischen Natur? Man möchte es
glauben, wenn man die Holzschnitte genau ansieht: die
Wirkung ist entschieden plakathaft. An Barlach darf man
nicht denken, obwohl man vor dessen Schwarzweiß-Blättern
immer viel Eklektizistiscb.es doch abziehen muß. Barlach
gibt Lebensdichtung, Käthe Kollwitz gibt Tendenz. Barlach
erlebt das Menschheitsleid künstlerisch, Käthe Kollwitz er-
lebt es menschlich sicherlich tief in einem mitfühlenden
Frauenherzen, gelangt aber künstlerisch über die von Carriere
abgeleitete Manier nie hinaus. Tendenz und Manier gehören ja
immer irgendwie zusammen. Käthe Kollwitz hat mit ihrem
Pfunde viel besser gewuchert als Hedwig Weiß, die jüngst
Gestorbene, die der aus Käthe Kollwitz, Dora Hitz und
Maria Slavona bestehenden Gruppe begabter Frauen hinzu-
zuzählen ist, und deren Arbeiten die Akademie ebenfalls
eine Wand eingeräumt hat. Käthe Kollwitz ist von allen
Weggenossinnen am berühmtesten geworden. Der Empfind-
lichkeit des künstlerischen Gefühls nach aber braucht sich
Hedwig Weiß, die kaum Bekannte, vor der erfolgreichen
Spezialistin nicht zu verstecken.

Im großen Quersaal wirken die aus Hell und Dunkel
stark aufgebauten Holzschnitte Schmidt-Rottluffs in einer
nicht eben geistigen Weise charaktervoll; Kirchners-Blätter an
der Wand gegenüber — vor allem die Farbenholzschnitte —
sind reicher und interessanter, sie wirken malerischer und
geistiger, das Prinzip ist darin flüssig geworden. (Eine Er-
gänzung bildeten gute Aquarelle und Zeichnungen Kirchners,
die bei Goldschmidt & Wallerstein ausgestellt waren.)
Pechsteins Blätter sind ungleich. Zwei Bildnisradierungen
schmeicheln sich durch sinnliche Technik unwiderstehlich
ein. Karl Hofer wirkt als Zeichner lebendiger denn als Maler,
weil durch die Gerüste seiner Schwarzweiß-Kompositionen
mehr Natur blickt. Kokoschkas Bildnislithographien erkennt
man auf den ersten Blick, weil diese Bildnisfeuilletons
einander so sehr gleichen. Warum gleichen sie einander?
Weil der Vortrag wichtiger ist als das Objekt, und weil
jeder Vortrag der nicht vom Objekt das Gesetz der Dar-
stellung ableitet, manieristisch wird. Willy Jaeckel ist als
Graphiker ein unechter Paraphraseur. Nur seine Bildnis-
köpfe sind genießbar. Ludwig Meidner zeigt fünf radierte
Bildnisköpfe. Sehr virtuos, sehr eigenwillig, im Ausdruck
stark „chargiert". Eigentümlich ist, daß die Blätter irgendwie
an das achtzehnte Jahrhundert erinnern.

Lithographien von einer spanischen Reise, die E. R. Weiß
ausstellt, halten die Mitte zwischen sachlicher Feststellung
und künstlerischer Freiheit. Sie sind für eine Reisemappe
„Spanien" geeignet. Künstlerisch gefällig muten die Land-
schaftsaquarelle aus Oberbayern von Wolf Röhricht an.
Sie sind zart und elegant hingeschrieben, doch folgt der
Pinsel treu einem Natureindruck. Röhricht versteht es ge-
schmackvoll zu sein ohne unwahrhaftig zu werden. Vielleicht
ist der Effekt des spiegelnden Sees etwas einseitig ausgenutzt
worden. Hans Meid stellt Abzüge von seinen letzten Radier-
platten aus. Eine „rastende Reisegesellschaft" und zwei
Nachtszenen sind in ihrer saftigen, romantischen Anmut
meisterhaft. Curt Herrmann kehrt mehr zum Objekt zurück
und rückt dem Kunstfreund damit wieder näher. Georg

Kolbe hat von seinen Aktzeichnungen zu viele ausgestellt.
Die Handschrift ist zu gleichmäßig, als daß so viele Blätter
eine Wirkung tun könnten. Wenige Bildhauerzeichnungen die-
ser Art, zwischen Plastiken verteilt, sprechen nachdrücklicher.

An Klaus Richters artistischen Illustrationsspuk geht man
ohne viel Interesse vorüber; und Mesek kann nicht be-
friedigen, weil die goyahaften Vorstellungen, die er erweckt,
vom Talent, von der Persönlichkeit nicht realisiert werden.
Ziemlich ratlos steht man auch vor den Arbeiten von Eddy
Smith. Was andere radieren sticht er mit unendlicher Mühe
und erstaunlicher Sorgfalt in Kupfer. Ein denkender Zeichner
und ein Feinmechaniker der Technik. Seine psychologisch
zergliedernde Romantikerkunst hat gute Eigenschaften, doch
zerflattert ihm das Ganze, während ihn das Einzelne
beschäftigt. G. W. Rößner zeigt mit handkolorierten Ra-
dierungen und leichten farbigen Zeichnungen, wie man mit
einem eleganten Sprung vom Kunstgewerbe zur freien Kunst
hinübervoltigieren kann. Dix ist als Zeichner erfreulicher
denn als Maler; er ist freier, steht mehr über dem Stoff
und gibt sich lebendiger der schönen Form und seinem
Talent hin. Darum erkennt man vor seinen Zeichnungen
erst, wi« ausbildungsfähig sein Talent wäre. Bernhard
Haslers liebevolle Kleindekoration bewegt sich ganz im
Typographischen. Sein Gestaltenreichtum interessiert, doch
stört eine gewisse barocke Kribbeligkeit. Von Rudolf Groß-
manns Köpfen war neulich schon die Rede. Seine Porträt-
Zeichnungen leiten hinüber zu den Arbeiten der Münchener,
zu den zarten Kinderzeichnungen Karl Caspers, zu einigen
vortrefflichen Landschaftsaquarellen Seewalds, zu Unolds
Holzschnitten und Eberz' Radierungen.

Unter den älteren Mitgliedern der Akademie macht
Ulrich Hübner wieder eine gute Figur mit einer Reihe
farbiger Landschaften aus Potsdam. In seiner Begabung
ist eine solide Verläßlichkeit, ein entschiedener Sinn für
Wirkung und ein Naturgefühl, das auf Freudigkeit gegründet
ist. Ernst Oppler verrät in seinen Arbeiten Erfahrung, Ge-
schmack und gesellschaftliche Kultur; seine Kunst ist dem
Publikum angenehm, ohne daß sie bewußt Konzessionen
macht. Peinlich sind die Arbeiten Ludwig Dettmanns, weil
entschiedene Gaben da sind, das Gefühl aber an diesen
Gaben keinen Anteil hat. Und peinlich sind auch die An-
strengungen Ph. Franks, mittels der Radierung Wirkungen
zu erreichen, die an Rubens, an Corinth denken lassen,
und die der hausbackenen Anschauung, der Metierhaftigkeit
dieses Künstlers ein für alle Mal versagt sind. Otto H. Engel
wirkt mit seinen altmodischen, recht phantasielosen, aber
ehrlich durchgearbeiteten Illustrationen zum „Grünen Hein-
rich" wohltätig und echt dagegen.

Über die Plastik ist kaum ein Wort zu sagen. Sie ist
sehr nebenbei da. Der „Zorn" von Kolbe war schon' aus-
gestellt; Hugo Lederer zeigt drei gute Bildnisköpfe und
einen etwas sonderbaren Stierbrunnen; Milly Steger hat
in drei Statuetten auf das schulmäßige Stilisieren verzichtet,
dem sie sonst gern verfällt, und ist damit gleich zu bemerkens-
werten Resultaten gelangt. Die Kleinplastiken von Haller,
Scheibe und Edzard sind bei anderer Gelegenheit schon
gewürdigt worden. K. Sch.

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