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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Max Beckmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0122

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WOLF RÖHRICHT, WANDMALEREI IN DER KLEMZIGER KIRCHE

tiefsinnige Psychoanalytiker der Kunst, von denen man
sagen möchte: was sie nicht verstehen, das erklären sie
sich. Denn Beckmann weiß ja, wenn auch nur im Unter-
bewußtsein, wie rezeptmäßig seine „Gesichte" entstehen.
Leider hat der Künstler keinen Humor; er steht nicht über
den Dingen, sondern steckt tief darin; er ist nicht Herr,
sondern Sklave des Stoffes. Darum gelangt er nicht zum
rein Künstlerischen. Meier-Graefe sieht es, meint aber, die
Zukunft wäre trotzdem bei Beckmann. Wie er sich das
denkt, bleibt sein Geheimnis.

In diesen Heften ist bereits im XL Jahrgang (Seite 297 ff.)
versucht worden, die Erscheinung Beckmanns zu zeichnen.
Die Zeit hat dem damals gefällten Urteil im wesentlichen
recht gegeben. Klarer als vor zehn Jahren noch tritt Beck-
mann jetzt als ein Mensch hervor, der beständig seelisch
in Sensationen lebt, der ehrgeizig immer ein Äußerstes will,
dem aber nur die Gestaltungskraft eines guten Akademikers
zuteil geworden ist.

Eine größere Menge von Bildern Beckmanns sieht nicht

erfreulich aus. Sie alle sind mit Weiß gemalt; es ist wie
bei Gobelins, wo der helle Stoffgrund als Lokalfarbe und
Licht stehen bleibt. Die Farbe ist nur in bunten Tupfen
da, die geschickt über die grauen Flächen verteilt sind.
Die Bilder haben, auch seelisch, etwas von Grisaillen. Es
sind Zeichnungen in Ölfarbe, gemalte Kartons, und erfüllt
von Kartongesinnung. Am ausdrucksvollsten sind die un-
mittelbar von der Natur abgeleiteten Bilder, Zeichnungen,
Lithographien, Holzschnitte und Radierungen, also die Bild-
nisse, Landschaften und Stilleben. Dort wird ein Erlebnis
des Auges mittelbar wenigstens wahrgenommen. Die ge-
danklich entstandenen Programmbilder weisen dagegen auf
einen Künstler, dessen Romantik in erster Linie darin besteht,
daß er an andere Künstler denkt. Was ja überhaupr ein
Merkmal der Romantik ist. In seiner Gedankenkunst —
Bewunderer sagen: Vision — ist Beckmann ein Erfinder
mit einer ziemlich bildlosen, unentschlossenen Phantasie.
Was er gibt ist nicht einmal illustrativ schlagend. Beckmann
verlangt mehr von sich als er geben kann. Dostojewski

WOLF RÖHRICHT, WANDMALEREI IN DER KLEMZIGER KIRCHE

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