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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 6
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Rumpf, Fritz: Die Wiederherstellung der Potsdamer Schlösser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0155

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In Potsdam hat man zur Erzielung beträchtlicher Ein-
nahmen durch den Besuch der Schlösser einen anderen
Weg eingeschlagen. Man behielt die üblichen Führungen
bei und erhöhte nur etwas die Preise. Von allen preußischen
Schlössern war wohl von jeher keines mehr besucht als
Sanssouci. Nicht weil man seine künstlerischen Feinheiten
so besonders hoch eingeschätzt hätte. An diesen ging und
geht heute noch die Mehrzahl derer, die es betreten, ziemlich
achtlos vorüber. Seine Anziehungskraft liegt in der Erinnerung
an den großen König, die man am deutlichsten ausgeprägt
an dem Orte zu finden hofft, der, der allgemeinen Über-
lieferung nach, dessen Lieblingsaufenthalt und Lieblings-
schöpfung war. Es ist zwar sicher, daß Friedrich II. dem
Umbau des Potsdamer Stadtschlosses und dem Bau des
Neuen Schlosses bei Sanssouci, das heute Neues Palais heißt,
nicht weniger Liebe und Sorgfalt zuwandte, als dem kleinen
Weinbergschlößchen, und daß er als Wohnort weder das
eine noch das andre dauernd bevorzugte, aber für das Volk
gehört eben der alte Fritz in erster Linie nach Sanssouci
und Sanssouci zu ihm. Wer einmal in Sanssouci ist, der be-
sucht wohl auch das Neue Palais, das als Sterbestätte Kaiser
Friedrichs bekannt ist und auch unter Kaiser Wilhelm II.
häufig genannt wurde. Das Stadtschloß und das nachfriede-
rizianische Marmorpalais haben weit geringere Anziehungs-
kraft für den großen Fremdenstrom, obgleich sie an Kunstwert
nicht minder beachtenswert sind, als die beiden erstgenannten
Schlösser. Für die Masse war es eben von jeher die geschicht-
liche Erinnerung, die nach Potsdam lockte, und darum hat die
Zahl seiner Besucher nach dem Kriege so stark zugenommen,
daß sich der Andrang kaum bewältigen läßt. Für die Deutschen
ist der Fürst, der sie so wenig schmeichelhaft behandelte,
heute mehr als je der vorbildliche Held und Staatsmann
geworden, an dessen Gedanken sie sich erheben wollen,
in diesen Tagen ihrer tiefsten Erniedrigung, und das Ausland,
besonders das feindliche, zieht es unwiderstehlich nach den
Stätten, an denen der Geist von Potsdam sich entfaltete
der ihnen soviel zu schaffen machte, und den sie nun für
immer besiegt zu haben glauben. Auf Jahre hinaus würden
die Einnahmen aus der Besichtigung der Potsdamer Schlösser
auf ihrer gegenwärtigen, für das Finanzministerium so sehr
erwünschten Höhe bleiben, auch wenn weiter nichts ge-
schähe, als daß brav Staub gewischt und ausgefegt würde,
daß unermüdlich der Kassierer seine Eintrittskarten verkaufte
und die Führer ihr Sprüchlein herunterbeteten.

Um so mehr ist es auzuerkennen, daß die neue Ver-
waltung, seit Beginn ihrer Tätigkeit, bestrebt war, mehr zu
leisten als gute Einnahmen zu erzielen, daß sie sich eine
Aufgabe stellte, für die vielleicht nur ein verschwindend
kleiner Teil der Schloßbesucher Verständnis hat, die sich
aber gebieterisch aufdrängt, sobald man bedenkt, daß die
Residenz an der Havel nicht nur die Wiege geschichtlicher
Großtaten war, sondern auch der Schauplatz des Auslebens
fürstlichen Kunstempfindens und Kunstschaffens, worin fast
alle Herrscher sich lebhaft, manchmal überschwänglich be-
tätigten und wozu die meisten ebenso viel, einige noch
mehr Lust und Begabung zeigten, wie zur Staatskunst. Die
von den preußischen Königen an ihrem Lieblingssitz hinter-
lassenen Kunstwerte kamen ja von jeher auch den Pots-
damern und allen, die Potsdam besuchten, zu gut. Aber

doch nur unter gewissen Beschränkungen. Wurden schon
die Häuser, die Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn ihren
Untertanen bauten oder zu bauen befahlen, oft mehr nach
den Wünschen der Herrscher gestaltet als nach den Bedürf-
nissen der Bewohner, so war es ganz natürlich, daß bei den
eigenen Wohnungen der Könige die persönlichen Wünsche
der jeweiligen Besitzer allein maßgebend waren für alle
Anordnungen, auch wenn diese den Absichten der Erbauer
zuwiderliefen und den Wünschen derer, die in diesen Räu-
men nicht leben, sondern sie nur bewundern wollten. Selbst
wenn hier und da die feine Kunstschöpfung eines Vorfahren
entfernt wurde, um einer neuen Platz zu machen, läßt
sich dies wohl verstehen. Man will eben „modern" leben,
der Geschmack von gestern erschien jederzeit unerträglich
und wenn das Moderne nur auch wieder gute Kunst ist,
kann man sich wohl damit abfinden, wie beispielsweise mit
den Erdmannsdorfischen Gemächern im Stadtschloß und in
Sanssouci. Wer will es dem Eigentümer einer Wohnung
verdenken, wenn er bei aller Achtung und Verehrung für
seine Vorgänger doch den alten Hausrat ergänzt oder er-
setzt durch notwendige Neuerungen, die den veränderten
Ansprüchen genügen. Auch Überflüssiges mag hinzukommen,
das in seinen neuzeitlichen Formen gar nicht zu dem Alten
passen will und das man doch nicht missen mag, weil es
ein liebes Geschenk, ein Andenken ist. Es ist nur lobens-
wert, wenn ein sorgsamer Hauswirt seine kostbaren ausge-
statteten Prunkräume vor den schädlichen Einflüssen des
Lichtes und des Staubes zu schützen sucht, solange sie nicht
benutzt werden. Die Heimlichkeit seiner Wohngemächer gibt
niemand gern den neugierigen Blicken Unberufener preis.
Es können recht unangenehme Folgen daraus entstehen, die
um so bedenklicher sind, wenn es sich um hochgestellte
Persönlichkeiten handelt. Bei allen Zugeständnissen, die
man der Bequemlichkeit, der Vorsicht und dem Gefühl der
Schloßbewohner machen kann, schufen diese Zugeständnisse
doch Zustände, die ganz unleidlich waren für die Wenigen,
die um der Kunst willen in die Schlösser kamen. Neu-
zeitliche Geräte, die von bester Beschaffenheit und Form
waren und ehrlich den Stempel ihres Geburtstages trugen,
waren meist erträglich, vorausgesetzt, daß sie eben in den
Raum gehörten, in dem sie aufgestellt waren. Tief ver-
stimmend wirkten aber die im neunzehnten und zwanzigsten
Jahrhundert oft gemachten Versuche, solche Geräte „stilvoll"
zu gestalten, das heißt in ihrer Form die Kunst einer um
Jahrzehnte, ja um ein Jahrhundert zurückliegenden Zeit vor-
zutäuschen, in der törichten Meinung, sie dadurch ihrer Um-
gebung anpassen zu können. Verhängnisvoll wirkten auch
die Schonbezüge der Möbel und Wände aus grellrotem,
kronengemusterten Kattun. Sie zerstörten vollkommen die
feine Farbenstimmung, die so wesentlich ist bei den Innen-
räumen des achtzehnten Jahrhunderts. Die lebhafteste Vor-
stellungskraft war nicht imstande, sich aus dem einen auf-
gedeckten Stuhl, dem einen enthüllten Eckchen der Stoff-
tapete ein Bild der Tonwirkung des unverschleierten Zimmers
zu machen. Wie mit Faustschlägen hämmerten die roten
Brutalitäten auf die Nerven eines jeden ein, der sich in
den Zauber einer feinen Farbenschöpfung einzufühlen suchte.
Die Riesenwalzen zusammengerollter Bodenteppiche waren
auch ein unübersehbares Hindernis für die Würdigung der

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