MAX LIEBERMANN, STRASSE IN WANNSEE
treffend und werden es — so Gott will •— auch
in Zukunft bleiben, wenigstens was die objektiven
Geschmacksgesetze betrifft. Denn hätten wir sie,
wäre es mit der Kunst zu Ende und an die Stelle
der Kunst träte Routine. Wohl gibt es Regeln
und Gesetze in der Kunst, die jeder Kunstjünger
in sich aufgenommen haben muß, aber es wäre
Beckmesserei, nach deren Befolgung den Wert eines
Kunstwerkes bemessen zu wollen. Nein! Nicht
der Verstand, nur die Empfindung wird in ästhe-
tischen Dingen entscheiden, denn wie Goethe
sagt: Man kann eigentlich mit einer anderen Vor-
stellungsart nicht streiten. Alle kunstästhetischen
Debatten sind — um mich parlamentarisch aus-
zudrücken — Dialektik, und auf die Frage, warum
dieses Werk mir gefällt, jenes dagegen nicht, ist
letzten Endes nur die Antwort: „Weil ich es so
empfinde." Natürlich wird dem Kunstrichter, zu-
mal wenn er selbst ausübender Künstler ist, das
einer anderen Vorstellungsart entsprungene Kunst-
werk weniger zusagen, als das, welches aus einer
kongenialen Anschauung entstanden ist und das
der Kunstfreund vielleicht ganz ablehnen dürfte
und um keinen Preis in seinem Besitz haben möchte.
Aber nicht sowohl das Gefallen, als vielmehr die
Achtung, die ein Werk mir einflößt, ist das Ent-
scheidende für dessen Aufnahme; das Gefühl, daß
sich der Autor mit der Natur auf irgendeine
Weise, mag sie mir auch noch so unsympathisch
sein, auseinanderzusetzen versucht hat. Mit einem
Wort: der Juror hat zu entscheiden, ob er ein
Kunstwerk vor Augen hat, welche Entscheidung
zu treffen nicht so einfach und leicht ist, wie es
scheint. Denn in Wirklichkeit fließt leider nur
zu oft die Kunst ins Handwerkliche. Aber —
um mich wiederum eines Goethischen Wortes
280
treffend und werden es — so Gott will •— auch
in Zukunft bleiben, wenigstens was die objektiven
Geschmacksgesetze betrifft. Denn hätten wir sie,
wäre es mit der Kunst zu Ende und an die Stelle
der Kunst träte Routine. Wohl gibt es Regeln
und Gesetze in der Kunst, die jeder Kunstjünger
in sich aufgenommen haben muß, aber es wäre
Beckmesserei, nach deren Befolgung den Wert eines
Kunstwerkes bemessen zu wollen. Nein! Nicht
der Verstand, nur die Empfindung wird in ästhe-
tischen Dingen entscheiden, denn wie Goethe
sagt: Man kann eigentlich mit einer anderen Vor-
stellungsart nicht streiten. Alle kunstästhetischen
Debatten sind — um mich parlamentarisch aus-
zudrücken — Dialektik, und auf die Frage, warum
dieses Werk mir gefällt, jenes dagegen nicht, ist
letzten Endes nur die Antwort: „Weil ich es so
empfinde." Natürlich wird dem Kunstrichter, zu-
mal wenn er selbst ausübender Künstler ist, das
einer anderen Vorstellungsart entsprungene Kunst-
werk weniger zusagen, als das, welches aus einer
kongenialen Anschauung entstanden ist und das
der Kunstfreund vielleicht ganz ablehnen dürfte
und um keinen Preis in seinem Besitz haben möchte.
Aber nicht sowohl das Gefallen, als vielmehr die
Achtung, die ein Werk mir einflößt, ist das Ent-
scheidende für dessen Aufnahme; das Gefühl, daß
sich der Autor mit der Natur auf irgendeine
Weise, mag sie mir auch noch so unsympathisch
sein, auseinanderzusetzen versucht hat. Mit einem
Wort: der Juror hat zu entscheiden, ob er ein
Kunstwerk vor Augen hat, welche Entscheidung
zu treffen nicht so einfach und leicht ist, wie es
scheint. Denn in Wirklichkeit fließt leider nur
zu oft die Kunst ins Handwerkliche. Aber —
um mich wiederum eines Goethischen Wortes
280