HANS MEID, ILLUSTRATION ZU KUSMINS: ALME LEBEUFS ABENTEUER. RADIERUNG
VERLAG FRITZ GURL1TT, BERLIN
leichten Zeichnungen enthalten Elemente des achtzehnten
Jahrhunderts, bemühen sich in der Balzacschen Novelle
aber auch um eine goyahafte Ausdruckskraft. Schmidts
Illustration hat Niveau, sie ist gefällig, ohne Kompromiß.
Drucktechnisch sind beide Bücher gut gemacht; im Fortunio
stört es, daß die im Rötelton gedruckten Lithographien
durchgeschlagen sind.
Clemens Brentanos „Märchen vom Rhein" hat Felix
Meseck für den Verlag Erich Reiß in Berlin illustriert.
Man sollte denken, sein nazarenischer Stilismus müßte zu
Brentanos empfindsamer Romantik gut passen. Er paßt
aber nur ungefähr. Auch wirken Vollbilder nie als Illustra-
tionen. Der Leser hat eine künstliche Naivität zu über-
winden, einen Expressionismus, der sich in einer nicht an-
genehmen Grätigkeit der Form ausdrückt. Meseck sollte
den Mut haben, so naturalistisch zu zeichnen, wie es ihm
im Grunde Bedürfnis zu sein scheint. Sein Formalismus sieht
aus, als solle er über mangelndes Können hinwegtäuschen.
Vielleicht könnte Meseck menschlich ergreifen, manches
weist darauf hin, wenn er sich nicht von einer Stilidee ver-
gewaltigen ließe.
Richard Seewald hat die „Argonauten", wie Gustav
Schwab sie dem Epos des Apollonius nacherzählt, mit litho-
graphischen Zeichnungen illustriert. (Im Propyläen-Ver-
lag, 1923.) Manches in seinem Talent ist für die Aufgabe
geeignet. Besonders kommt es der Sage zustatten, daß See-
wald seinen Tieren — den Menschen viel weniger — etwas
Kreaturhaftes zu geben weiß. Seine Illustrationen geben
eine Stimmung von Wildheit und Kraft Doch hat er sich
die Aufgabe zu leicht gemacht, wie so viele seiner Genossen
es tun. Er zeigt, was hätte sein können, was er selbst aber
zu realisieren nicht die Geduld — oder die Fähigkeiten hatte.
Im Verlag „Schwellen", Berlin, ist ein auf der Presse
von Dr. Seile in Berlin gedrucktes in blauem Velourpapier
gebundenes Buch mit großen Zeichnungen erschienen, das
den Künstlernamen nicht nennt. Ich glaube es ist ein junger
jüdischer Russe und heißt Rybiak. Vielleicht steht der Name
irgendwo ; das ist aber nicht festzustellen, da man nur hebräi-
sche Lettern vor Augen hat. Die Bildmotive sind dem Leben
der russischen Juden entnommen, man blättert von hinten
nach vorn, und ist nicht nur infolge der fremdartigen Stoffe
aufs Raten angewiesen, da der Sinn der Zeichnungen, die
stark von Chagall beeinflußt sind, durch eine kindliche Mysta-
gogie dunkel gemacht ist. Trotz vieler Unerfreulichkeiten
in der Darstellung, trotz des anspruchsvollen Formats und
der geschmacklosen Aufmachung wird jedoch eine Begabung
erkennbar. Vielleicht überwindet sie eines Tages das ex-
pressionistisch Modische und gibt sich dem sichtbar vorhan-
denen Naturgefühl naiver hin.
3. Lehrbücher.
In fünfter Auflage ist Hermann Strucks Handbuch
„Die Kunst des Radierens" (bei Paul Cassirer) er-
schienen. Mit vielen, von Wohlfeld gut gedruckten Bild-
beispielen aus allen Epochen des Kupferstichs und der Ra-
dierung und mit Originalgraphiken von Liebermann, Struck,
Barlach und Kokoschka. Es ist gelungen, ein Lehrbuch
amüsant und sogar reich zu gestalten. Struck gibt seine
Lehren in kurzen Abschnitten, der trockene Stoff ist über-
sichtlich gegliedert und wird klar vorgetragen. Die Ab-
bildungen sind so gewählt, daß sie auch den Kenner inter-
essieren. Mit ihnen ist des Guten fast zu viel getan. Nach
dem Leitsatz: wer vieles bringt, wird manchem etwas
bringen.
Eines der besten Bücher der letzten Jahre ist das ge-
naue Verzeichnis des graphischen Werkes Adolph
392
VERLAG FRITZ GURL1TT, BERLIN
leichten Zeichnungen enthalten Elemente des achtzehnten
Jahrhunderts, bemühen sich in der Balzacschen Novelle
aber auch um eine goyahafte Ausdruckskraft. Schmidts
Illustration hat Niveau, sie ist gefällig, ohne Kompromiß.
Drucktechnisch sind beide Bücher gut gemacht; im Fortunio
stört es, daß die im Rötelton gedruckten Lithographien
durchgeschlagen sind.
Clemens Brentanos „Märchen vom Rhein" hat Felix
Meseck für den Verlag Erich Reiß in Berlin illustriert.
Man sollte denken, sein nazarenischer Stilismus müßte zu
Brentanos empfindsamer Romantik gut passen. Er paßt
aber nur ungefähr. Auch wirken Vollbilder nie als Illustra-
tionen. Der Leser hat eine künstliche Naivität zu über-
winden, einen Expressionismus, der sich in einer nicht an-
genehmen Grätigkeit der Form ausdrückt. Meseck sollte
den Mut haben, so naturalistisch zu zeichnen, wie es ihm
im Grunde Bedürfnis zu sein scheint. Sein Formalismus sieht
aus, als solle er über mangelndes Können hinwegtäuschen.
Vielleicht könnte Meseck menschlich ergreifen, manches
weist darauf hin, wenn er sich nicht von einer Stilidee ver-
gewaltigen ließe.
Richard Seewald hat die „Argonauten", wie Gustav
Schwab sie dem Epos des Apollonius nacherzählt, mit litho-
graphischen Zeichnungen illustriert. (Im Propyläen-Ver-
lag, 1923.) Manches in seinem Talent ist für die Aufgabe
geeignet. Besonders kommt es der Sage zustatten, daß See-
wald seinen Tieren — den Menschen viel weniger — etwas
Kreaturhaftes zu geben weiß. Seine Illustrationen geben
eine Stimmung von Wildheit und Kraft Doch hat er sich
die Aufgabe zu leicht gemacht, wie so viele seiner Genossen
es tun. Er zeigt, was hätte sein können, was er selbst aber
zu realisieren nicht die Geduld — oder die Fähigkeiten hatte.
Im Verlag „Schwellen", Berlin, ist ein auf der Presse
von Dr. Seile in Berlin gedrucktes in blauem Velourpapier
gebundenes Buch mit großen Zeichnungen erschienen, das
den Künstlernamen nicht nennt. Ich glaube es ist ein junger
jüdischer Russe und heißt Rybiak. Vielleicht steht der Name
irgendwo ; das ist aber nicht festzustellen, da man nur hebräi-
sche Lettern vor Augen hat. Die Bildmotive sind dem Leben
der russischen Juden entnommen, man blättert von hinten
nach vorn, und ist nicht nur infolge der fremdartigen Stoffe
aufs Raten angewiesen, da der Sinn der Zeichnungen, die
stark von Chagall beeinflußt sind, durch eine kindliche Mysta-
gogie dunkel gemacht ist. Trotz vieler Unerfreulichkeiten
in der Darstellung, trotz des anspruchsvollen Formats und
der geschmacklosen Aufmachung wird jedoch eine Begabung
erkennbar. Vielleicht überwindet sie eines Tages das ex-
pressionistisch Modische und gibt sich dem sichtbar vorhan-
denen Naturgefühl naiver hin.
3. Lehrbücher.
In fünfter Auflage ist Hermann Strucks Handbuch
„Die Kunst des Radierens" (bei Paul Cassirer) er-
schienen. Mit vielen, von Wohlfeld gut gedruckten Bild-
beispielen aus allen Epochen des Kupferstichs und der Ra-
dierung und mit Originalgraphiken von Liebermann, Struck,
Barlach und Kokoschka. Es ist gelungen, ein Lehrbuch
amüsant und sogar reich zu gestalten. Struck gibt seine
Lehren in kurzen Abschnitten, der trockene Stoff ist über-
sichtlich gegliedert und wird klar vorgetragen. Die Ab-
bildungen sind so gewählt, daß sie auch den Kenner inter-
essieren. Mit ihnen ist des Guten fast zu viel getan. Nach
dem Leitsatz: wer vieles bringt, wird manchem etwas
bringen.
Eines der besten Bücher der letzten Jahre ist das ge-
naue Verzeichnis des graphischen Werkes Adolph
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