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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

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Heft 4 (Juli/August 1917)
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Unverzagt, Wilhelm: Zu den vorfränkischen Gräbern vom Heidenberg in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0118

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IOO

heidstraße, noch mit den Heidenberggräbern oder dem merovingischen Fried-
hof des 6.—8. Jahrhunderts an der Dotzheimerstraße etwas zu tun haben,
sind an verschiedenen Stellen der Stadt ans Tageslicht getreten, z. B. an
der Friedrichstraße1) und in der Nähe des Kochbrunnens, etwa an der Ecke
von Geisberg- und Taunusstraße2). In ihnen dürfen mit Vorbehalt Teile der
bucinobantischen Friedhöfe vermutet werden.

Ihrem ganzen Inventar nach steht die Gräbergruppe vom Heidenberg
in engem Zusammenhang mit ähnlichen Gräbern aus Wiesbaden (Friedrich-
straße3), der Waldstraße bei Wiesbaden3) K os t heim4), Mai nz (Greiffen-
klaustraße)5), Niederursel6), Stockstadt6) und Neuenheim6). Die
Zuteilung dieser zeitlich sehr nahestehenden Beisetzungen an bestimmte Stämme
läßt sich nicht gut durchführen, da nur in den wenigsten Fällen die Bei-
gaben sichere Schlüsse erlauben und Fibeln der besprochenen Art außer-
halb der Heidenberggruppe in den andern Gräbern nicht vertreten sind. Auf
östlichen Ursprung weist aber womöglich auch der mit den Fibeln a. a. O.
Nr. 1362 gefundene Halsring mit Hakenverschluß, der in ähnlicher Form noch
in dem Grabe aus Kostheim vorkommt7).

Vielleicht wird die sichere Lösung der hier behandelten Fragen ein-
mal mit Hilfe der allen diesen Gräbern gemeinsamen Keramik gelingen,
deren Vertreter meist Nachahmungen und Weiterbildungen der spätrömischen
Nigragefäße sind8). Es wird festzustellen sein, ob sich die bemerkenswerten
Umbildungen im Profil dieser Stücke unter starken Einflüssen von germani-
scher Seite aus vollziehen. Brenner hat zuletzt wieder nachdrücklich auf den
germanischen Charakter dieser Gattung aufmerksam gemacht und durch
Heranziehung ähnlicher Erscheinungen aus gleichzeitigen Gräberfeldern in
Siebenbürgen einen Weg gewiesen, der bei genauer Untersuchung vielleicht
zu sicheren Schlüssen führen kann9). Auszugehen hat die Bearbeitung dieser
Keramik von Worms, wo ich, durch die Massen später Nigranäpfe im Paulus-
museum veranlaßt, ihren Ursprung vermute10). Hand in Hand mit der Lösung
dieses keramischen Problems wird die Aufklärung der Burgundenfrage
gehen, die ebenfalls von der alten Nibelungenstadt als einem gesicherten
burgundischen Königssitz ihren Ausgang nehmen muß und als hervorragende
nationale Pflicht zu gelten hat.

Wiesbaden. Wilhelm Unverzagt.

*) W. Unverzagt, Nass. Heimatbl. XX 1916/17 S. ioff.

2) Auch die von Rossel im Jahre 1869 untersuchten Gräber in der mittleren Nero-
straße sind hier anzuführen (s. E. Ritterling a. a. O. S. 136). Beigaben aus der

2. Hälfte des 4. Jahrhunderts, die den Gräbern an der Taunusstraße entnommen sind, im
Wiesbadener Landesmuseum, Inv.-Nr. 2727 u. 5212.

s) W. Unverzagt, Nass. Heimatbl. XX r916/17 S. 10ff.

*) Noch unveröffentlicht im Altertumsmuseum der Stadt Mainz. Über Burgunden
in Kostheim vgl. Schumacher, Mainzer Ztschr. III 1908 S. 28.

6) L. Lindenschmit, Altert, uns. heidn. Vorz. V Taf. 23. Für diese Grabfunde
hat Kossinna, Ztschr. f. Ethnol. 37 (1905) S. 406/07 burgundischen Ursprung vermutet,
vgl. dazu Brenner, VII. Bericht d. RGK. S. 260.

6) L. L i n d e n s c h m i t, Altert, uns. heidn. Vorz. V Taf. 4 u. 5.

7) Kossinna, a. a. O. S. 400ff.

8) Einer eingehenden Bearbeitung bedarf auch die Gruppe handgearbeiteter rein
germanischer Ware, die sich im Gebiete südlich der Lahn bis in die Gegend von Worms
noch im 6. Jahrhundert finde*; s. Brenner, Altert, uns. heidn. Vorz. V S. 428/29 und
VII. Ber. d. RGK. S. 294, der sie als Reste alamannischer Kultur betrachtet. Dies
würde sehr gut zu der Annahme stimmen, daß die Burgunden die Reste alamannischer
Kultur nicht zum Verschwinden gebracht haben, sondern daß letztere nach der bedeu-
tenden Schwächung des burgundischen Volkes durch Aetius, die Hunnen und die Ver-
legung in die Sapaudia um 443 n. Chr. wieder langsam die Oberhand gewonnen hat.

9) Brenner, VII. Bericht der RGK. S. 259 u. 263fr.

10) W. Unverzagt, Materialien z. röm.-germ. Keramik II S. 26/27.
 
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