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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

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Heft 6 (November/Dezember 1917)
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Norden, Eduard: Der neueste Versuch zur Deutung des Germanennames
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0180

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darauf errichtete Konstruktion haltbar sein könnte. Nicht bloß die neuere Literatur
über den Gegenstand wird mit Bewußtsein außer Betracht gelassen, sondern auch an
der älteren, grundlegenden, in einer Weise vorbeigegangen, die nicht zu billigen ist.
Eins der imposantesten Werke der deutschen Wissenschaft ist, obwohl es nur ein Torso
blieb, Möllenhoffs Deutsche Altertumskunde. Birts Verhältnis dazu ist eigentümlich. Er
zitiert es nur für Nebendinge beiläufig, meist ablehnend, entnimmt ihm (und den aus ihm
abgeleiteten Werken) aber fast den gesamten antiquarisch-historischen Apparat. So ist
das Kap. II „Frühestes Vorkommen des Wortes“ fast in seiner Gesamtheit ein dürftiges
Exzerpt aus Möllenhoffs schwergelehrten Abschnitten im zweiten Bande, und doch wird
nur der erste für eine Einzelheit ausnahmsweise zitiert; die etwas erweiterten Dar-
legungen Birts über Caesar beruhen auf einer nur halbrichtigen Stellungnahme zu den
neuesten Untersuchungen über die Publikationsart der caesarischen Memoiren ; bedauer-
licherweise findet sich weder hier noch sonst eine Auseinandersetzung mit A. Klotz’ Caesar-
studien, durch die der Verfasser vor manchen Irrgängen auch in der Quellenanalyse
bewahrt worden wäre. Diejenigen Teile des Birtschen Buches, die nach dem Gesagten
auf Selbständigkeit keinen Anspruch erheben können, bleiben im folgenden unberück-
sichtigt ; auch an einzelnen Irrtümern, wie der Verwechslung Germaniens mit einer gleich-
namigen persischen Landschaft *), gehe ich meist vorbei.

Es zeugt von Unerschrockenheit, eine Hypothese zu verfechten, die von Keltisten,
wie Zeuß und Ebel, Germanisten wie J. Grimm und Möllenhoff, Historikern wie Waitz und
Heinr. Leo als unhaltbar preisgegeben worden war. Aber die Übereinstimmung auch der
Gelehrtesten bietet ja keine Gewähr für die Richtigkeit, und Birt ist von der „Methode“
seiner Beweisführung so überzeugt, daß er sie an zwei sichtbaren Stellen, im Vorworte
und auf der zweiten Seite der Einleitung eigens hervorhebt. Wir müssen ihm also auf
seinem Wege folgen.

Die Germanen sollen die „echten Gallier“, Galli germani, bedeuten. „Sie unter-
scheiden sich von den landläufigen Kelten lediglich durch ihre besondere Echtheit, durch
ihre Rassenechtheit. Merkmale sind Wildheit, Körpergröße, blondes Haar ; diese Merk-
male sind alle drei bei ihnen besonders ausgeprägt. Deshalb dachte man zunächst nicht
daran, sie von den Galliern zu trennen; im Gegenteil, sie schienen in ihrer Schreck-
lichkeit die potenzierten Gallier, echter als alle übrigen, und man nannte sie Galli
germani“ (S. 52). Die Doppelbenennung habe man lästig gefunden und statt dessen
einfach Germani gesagt, und so habe es schon „beim Posidonius selber“ gestanden.
Auch habe, wie Birt geistreich hinzufügt, der Silbenanklang an Bomani die Benennung
der wilden Feinde als Germani offenbar in hohem Grade begünstigt: „Bei dem einen
Namen dachte der naive Hörer an £ü>p.Y], bei dem anderen an germen, germinare. . Es
schien: die ,Kraft1 und die ,Urwüchsigkeit1 standen miteinander im Kampf, und diese
Antithese der Germani und Bomani sollte in der Tat Jahrhunderte überdauern" (S. 64 f.).

Die Deutung der Germani als die .Echten' — „so entsteht kein Volksname“ hatte
einst Waitz kurz und bündig ausgerufen — hätte sich nie an das Licht des Tages gewagt,
wenn sie nicht durch einen unglückseligen Einfall Strabons patronisiert worden wäre.
Wir haben uns freilich sonst gewöhnt, gegenüber den etymologischen Versuchen antiker
Gelehrter auf der Hut zu sein, weil wir wissen, daß ihnen dieses Gebiet bei dem Mangel
aller sprachwissenschaftlichen Voraussetzungen unzugänglich war. Aber in diesem Falle
hat patriotisches Empfinden die Klarheit des Urteils getrübt; klang es doch gar zu
schön, uns als die „Echten“ gepriesen zu sehen. Für Birt wenigstens scheint dies erhe-
bende Gefühl, wie jener Aufsatz in den Jahrbüchern zeigt, der Ausgangspunkt gewesen
zu sein; und wenn französische Gelehrte traurigerweise der Kriegspsychose den Tribut
gezollt haben, daß sie den Sinn eines Satzes der caesarischen Commentarii (noch dazu
eines nicht einmal von Caesar selbst herrührenden) verfälschten, um den Rhein als die
alte Völkergrenze zwischen Kelten und Germanen zu erweisen, warum sollte dann nicht
ein deutscher Gelehrter eine Hypothese vertreten, die an einem so achtungswerten Ge-
lehrten des Altertums wie Strabon einen Fürsprecher zu haben schien ? Nur schade, daß

*) S. 8,1 wird unter Zeugnissen, daß Griechen sich mit Dingen Germaniens beschäf-
tigten, angeführt: Plinius XXXVII 39 Mithridates in Germaniae litoribus insulam esse (sc.
scribit), quam vocari Seritam, cedri genere silvosam. Detlefsen schreibt Carmaniae, aber da
Herodot I 125 repp.cmot für die sonst Kapp-dviot genannte Völkerschaft am persischen
Meerbusen sagt, ist eine Änderung wohl unnötig.
 
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