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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

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Heft 6 (November/Dezember 1917)
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Wolff, Georg: Große Wohnstätte der jüngeren Steinzeit mit Pfostenlöchern und Brandgräbern auf dem Frauenberg bei Marburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0201

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in den Löß eingearbeitete Nischen zeigten, flache Mulden, in welchen Holz-
kohlenstückchen und die tiefschwarze Färbung des ausfüllenden Erdreichs
die Herdstätten erkennen ließen, neben ihnen größere, noch flachere Ver-
tiefungen, in welchen Reste von Tierknochen, darunter besonders Zähne, wie
es scheint, von Rindern und Pferden, ihre Bestimmung als Wohn- und
Küchenräume verrieten; an ihren Rändern waren pritschenartige Lößflächen
so angeordnet, daß geringe Phantasie dazu gehörte, sich die auf ihnen um
das Herdfeuer sitzenden oder liegenden Bewohner vorzustellen. Über sie
hinweg führten Lehmstufen zu dem etwa 50—60 cm unter der Ackeroberfläche
liegenden oberen Hüttenboden. Das Ganze machte den Eindruck, daß die
große Wohnstätte für eine aus einer Anzahl von Familien bestehende Sippe
angelegt war, wodurch sich auch der große Kraftaufwand erklären würde, den
eine solche Anlage bei den primitiven Hilfsmitteln, die wir für die steinzeit-
lichen Bewohner des Frauenbergs voraussetzen dürfen, erfordert haben muß.

Die Ausgrabung gewann dadurch noch besonders an Interesse wie an
Schwierigkeit, daß am südöstlichen Ende der großen Grube eine Über-
schneidung mit einer kleineren, 2 bis 5 m breiten und etwa 10 m langen,
im übrigen gleichartigen Hüttengrube stattgefunden hatte, deren Inhalt und
Form sie der linearbandkeramischen Gruppe zuwies. Das chronologische
Verhältnis beider Wohnstätten zueinander würde sehr schwer zu bestimmen
gewesen sein, da in beiden, weil sie verlassen, nicht zerstört worden sind,
sich außergewöhnlich geringfügige keramische Reste gefunden haben. Um so
erfreulicher war es, daß in der festgestampften Füllmasse der kleinen Grube
sich zwei Pfostenlöcher der großen fast ebenso deutlich wie die übrigen
im gelbgrauen Lößboden erkennen ließen. Die Linearbandkeramiker sind
also auf dem Frauenberg die Vorgänger der Stichbandkeramiker gewesen,
nicht, wie bei Worms, die Nachfolger. Dieses Verhältnis, welches im Jahre
1907, als es uns in der Südwetterau zum erstenmal entgegentrat, noch
auffiel (vgl. Prähist. Zeitschrift. III 1/2 S. 32 und S. 42 ff.), hat inzwischen
seine Erklärung dadurch gefunden, daß jetzt allgemein erkannt und aner-
kannt worden ist, daß die beiden bandkeramischen Kulturen nicht absolut
und überall zeitlich auseinanderfallen, sondern teilweise gleichzeitig bestanden
und sich gegenseitig berührt und beeinflußt haben. Wichtig aber ist die
Feststellung der Tatsache, daß im Ebsdorfer Grunde bereits vor der Mischung
der beiden keramischen Gruppen zum Wetterau-Typus1), dessen Spuren wir

') Als ,,wetterauische Bandkeramik“ oder kurz „Wetteraukeramik“ habe ich mich
seit einer Reihe von Jahren gewöhnt, die seit 1907 mit zunehmender Sicherheit erkannte,
durch die Mischung linear- und stichbandkeramischer Formen und Ornamente sich von
der reinen Spiralband- wie von der Rössener und Großgartacher Keramik unterscheidende
keramische Gruppe zu bezeichnen, die unter den Funden des zwischen Taunus, Main
und Vogelsberg sich ausbreitenden Lößgebietes die unbedingt herrschende Stellung ein-
nimmt, sich aber nach Norden bis über Göttingen (Diemarden), Cassel (Niederwellmar),
und das westliche Thüringen, nach Südwesten über den Rhein bei Worms und ins Nahe-
gebiet gegenüber Bingen (Sarmsheim) ausstrahlend erstreckt. Verwandt aber nicht gleich
ist die Plaidter Keramik, wie ich bald nach ihrer Auffindung gemeinsam mit dem Ent-
decker, Prof. L e h n e r, an den Fundstücken selbst feststellen konnte (vgl. auch Protokoll
der Göttinger Tagung des nord- und südwestdeutschen Verbandes 1913, S. 29) und von
demselben neuerdings wieder, wie schon früher, in einem Vortrage betont worden
ist. Vgl. den Bericht der Frankfurter Zeitung vom 28. VII. 1917 Nr. 206 I. Morgenblatt,
wo „große Ähnlichkeit“ der Sarmsheimer Keramik „mit den Gefäßen der Ansiedelung
bei Plaidt“, aber „doch auch erhebliche Unterschiede“ festgestellt werden und fortge-
fahren wird: „Die Sarmsheimer Keramik ist viel näher verwandt mit der bei Worms
und in der Wetterau bei Frankfurt gefundenen, was nicht befremden kann, da das
Gebiet der unteren Nahe stets zu den Mittelrhein- und Maingegenden viel engere und
stärkere Kulturbeziehungen hatte als zum Neuwieder Becken und dessen Ausläufern
in der Eifel“. Mit diesen Worten ist zugleich auf die zentrale Stellung der Wetterau
 
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