Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

DOI article:
Roessler, Arthur: Moderne Münchener Exlibris-Zeichner
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0056

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Moderne Münchener Exlibris-Zeichner.

zeigt auf offenem Buche ein Intermezzo zwischen
Schauspiel und Lustspiel. Das Exlibris Jak. Wein-
heimers versinnbildlicht den Aünstler, der die formen
der Natur studiert, ehe er sie zeichnet. Das für den Ver-
fasser dieser Zeilen gezeichnete erste Exlibris (Abb. 60)
Geigers soll vor der Tücke des Todes warnen und
bedeuten, daß man über die Bücher das Leben nicht
vergessen möge, da der Tod sich der Bücher bedient,
um mit und in ihnen das Leben zu erdrücken. Ähn-
liches kommt in dem allegorischen Exlibris für Hans
Abeken zum Ausdruck, auf dem der Mensch sich in
das Buch versenkt, während das Leben unbeachtet
seitwärts steht, bebend und beschämt, den Aranz von
Rosen in den fänden haltend, die kosen wollen, und
der Tod hinter dem Rücken des Lesenden höhnisch
sein Triumpfliedel sidelt. So ist es mit allen übrigen
Exlibris von Willi Geiger: sie alle sind voller Deut-
samkeit; doch würde es zu weit führen, wollte ich
es unternehmen, sie hier zu erläutern. Die ange-
führten Beispiele werden genügen, zu einer
selbständigen Auslegung der übrigen Blätter
die Anregung zu geben.

Abgesehen von ihrem Inhalt, interessieren
den Aunstverständigen an den Zeichnungen
Geigers die fabelhafte Treffsicherheit der Zeich-
nung, die sich bei der Darstellung einfacher
Verhältnisse nicht beruhigt, sondern schwierige

Verkürzungen, Draus- und Untersichten aufsucht, das
! Aompositionsvermögen und die künstlerische Bild-
wirkung, Eigenschaften, die selbst Stucks Bewunde-
rung erzwangen.

In anderer Art, der Horm, nicht dem Geiste nach,
ist auch Rud. Schiestl Gotiker (Tas. ^ u. Abb. S.^).
Er ist Gotiker in der besonderen Weise, in der es
unsere Romantiker waren. Er ist Altdeutscher. Wäh-
rend Geiger uns die Seele erregt, wirkt Schiestl auf
unseren Sinn. Geiger ist psychologischer, Schiestl
ästhetischer. Schiestl ist auch der klarere Geist, der
meisterlichere Aönner. Er hat sich wahrscheinlich
weniger aus Drang als aus Erwägung ästhetischer
Wirkungen zur altertümlichen Horm bekannt. Eine
Wertschätzung seiner Exlibris muß daher in beson-
derem Maße auf das rein Aünstlerische Bezug haben.
Es ist da lobend zu sagen, daß Schiestl seine Aus-
drucksmittel kennt, und ihnen nur zumutet, was sie in
künstlerisch wirkender Weise bewältigen können. Die
Blätter Schicstls riefen in mir die Vermutung hervor,
j daß er bewußt schafft, und ich preise dies als die
richtige Art. Denn wohl befähigt das Empfinden
vorzüglich zum Aünstler, aber nicht das Empfinden
allein. Erst in der bewußten Ausdrucksfähigkeit des
Empfundenen, im tiefsten Erfühlten und Erdachten,
unterscheidet sich der Aünstler vom gleichfalls oft über-

59. Willi Geiger.

39
 
Annotationen