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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft VIII (August 1908)
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Kolb, Gustav: Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0093

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83

fassers Der Preis darf als ausserordentlich nieder bezeichnet werden. Wir empfehlen
das Werkclien aufs wärmste. Jeder Kollege, der bestrebt ist, seinen Unterricht weiter
auszugestalten, sollte es besitzen. G. K.
Das bekannte „Jahrbuch für den Zeichen- und Kunstunterricht“ erscheint jetzt nicht
mehr in umfangreichem Lexikonband, sondern in Form von Vierteljahrsheften, die es dem
Herausgeber, Oberlehrer Friese in Hannover, ermöglichen, den Erscheinungen des Jahres
rascher zu folgen. Ausserdem wird dadurch die Anschaffung erleichtert (Preis des Heftes
3 Mark) und was noch mehr wert ist, das Jahrbuch wird auch mehr gelesen werden. Das
vorliegende I. Heft bringt zuerst im Kapitel „Zeitstimmen“ einen Aufsatz von Kuhlmann
über einen fundamentalen Irrtum, der den heutigen Zeichenunterricht be-
herrsche und auf falsche Bahnen treibe. Der Verfasser eifert zunächst gegen den
Missbrauch des Wortes Naturzeichnen, soweit man damit alles Zeichnen nach dem Gegenstand
zu bezeichnen pflege, während doch als Natur nur das gelten könne, „was durch Naturkräfte
geschaffen wird.“ Dieser Missbrauch verleite uns dann zu glauben, dass unser ganzer Zeichen-
unterricht auf der Natur aufgebaut sei, wogegen doch „bis heute der wesentlichste, der
höchstorganisierte und deshalb bildungskräftigste Teil der Natur, die (lebende) Tierwelt, so
gut wie ausgeschlossen blieb“, während man dafür Kisten oder „durch Menschenhand zu-
gerichtete und so entwertete Naturkörper“ ruhig als Natur hinnehme. Des weiteren wendet
sich Kuhlmann dagegen, „dass die Natur zum Mittel herabgedrückt wird, während sie im
Brennpunkt des Zweckes stehen sollte". Solche niedrige Einschätzung führe dahin, sie zu
verstümmeln, ihres Wesens zu berauben — man sehe nur die Kataloge der Lehrmittel-
anstalten an — und so werde sie dann „in die Zeichensäle geschleppt“, statt dass man
umgekehrt die Schüler hinausführe zur Göttin, wo sie noch rein und unverfälscht throne. —
Hier scheinen Wahrheit und Irrtum durcheinandergemengt. Wahr ist, dass unsere Lehrmittel-
anstalten an Geschmacklosigkeiten, an Misshandlungen der Natur sich schon vieles geleistet
haben. Und ein Zeichenlehrer, der mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nichts
Klügeres anzufangen wusste, als irgend eine aufdringliche norddeutsche Lehrmittelhandlung
auszukau'en und auf Ausstellungen deren Katalog lückenlos vorzuführen, ist mir stets als
ein Mensch erschienen, der entschieden Anspruch auf eine der 8 oder 9 Seligpreisungen hat.
Unser Verein für Kunst- und Zeichenunterricht hat von jeher darauf aufmerksam gemacht,
dass die uns umgebende Natur die nächstliegenden, billigsten und besten Stoffe liefere.
Werden wir aber darum nicht ungerecht! Ohne Notbehelf kommen wir nun einmal nicht
durch. Wir pflichten K. vollkommen bei, dass der Zeichensaal selbst ein solcher Not-
behelf ist; aber einer, den wir eben nicht entbehren können. Wir leben in einem Klima,
das uns mindestens 6 Monate im Jahr in den Zeichensaal bannt. Und ist etwa das, was
K. als Ersatz für die Modellkammer vorschlägt: glasbedeckte Veranda, Vogelhaus — ist das
„unberührte, unverfälschte Natur“, oder sind es nicht auch Notbehelfe? So wird es also
mehr darauf ankommen, inwieweit und wie wir uns all’ dieser Notbehelfe bedienen.
Auch ist es ein Irrtum, zu glauben, dass die Tierwelt, weil der höchst organisierte Teil der
Natur (was übrigens, nebenbei bemerkt, der Mensch ist), darum auch der bildungskräftigste
sei. Was den grössten Bildungsgehalt der Natur ausmacht, ihre Zweck- und Gesetzmässigkeit
bei aller Freiheit, tritt an der Pflanze weit offener zutage als am Tier. Dazu ist sie billiger und
leichter zu beschaffen, verliert durch das „Schleppen in den Zeichensaal“ kaum etwas von ihrem
Wesen und ist vom Schüler, wie von den meisten — Zeichenlehrern besser zu bewältigen.
Das 2. Kapitel bringt den üblichen Ueberblick über den Stand des Zeichen-
unterrichts in den verschiedenen Ländern. Von Preussen erfahren wir u. a., dass
für die Kandidaten an der Kunstschule in Berlin auch Handfertigkeitsunterricht eingeführt
sei. Na, wir danken! Die kostbare Zeit der künstlerischen Ausbildung auch noch mit
Kleistern zu verplembern. Weiter erfahren wir, dass Preussen ebenfalls Ueberfluss an
Kandidaten hat. Schöne Worte lesen wir ferner über die Bedeutung des in letzter Zeit zu
kurz gekommenen Linearzeichnens. Eine ausführliche und interessante Schilderung über die
Entwicklung des Zeichenunterrichts in Württemberg bringt Oberreallehrer Kolb. — Das
nächste Kapitel handelt von den Vereinen und Versammlungen, wrobei auch die
unserigen berücksichtigt sind. — Die Zeitschriftenschau erstreckt sich auf „Schauen
und Schaffen“, sowie auf die „Meister der Farbe“. Der hochwichtige und dementsprechend
ziemlich viel Raum beanspruchende Bericht über die Zeichenliteratur vom Jahr 1966
verdient zwar hinsichtlich seiner Vollständigkeit alle Anerkennung, ist aber bezüglich
seiner Urteile nach Lob wie Tadel nur mit Vorsicht aufzunehmen. Und es
will uns scheinen, als ob der Herausgeber in Wunderlich-Berlin nicht gerade den sachlichen
Bearbeiter gefunden hätte, der hier erforderlich gewesen wäre. Wir kennen W. aus seinem
Buch „Der moderne Zeichen- und Kunstunterricht“ (1902) als einen Mann, der dem Kern
der Reformgedanken ziemlich ferne steht und immer nur deren Auswüchse sieht. Derselbe
ist er heute noch, wie folgende Stichproben zeigen mögen. Ueber das Illustrieren von
Gedichten, Märchen und Geschichten z. B. schreibt W.: „Eine drastischere und derbere
Zurückweisung konnte diese Spielerei der Reform nicht erfahren als durch das Beispiel
der gezeichnete Erlkönig“. Wegen einer Entgleisung also wird eine Uebung verdammt, der
viele von uns — richtige Führung vorausgesetzt — einen hohen Wert beilegen. Oder:
„Wurde ehemals das Zeichnen nach der Natur durch das Zeichnen nach dem Modell vor-
bereitet, so meinen die Reformer, um etwas Apartes zu haben, auf dasselbe verzichten
zu können.“ Hiebei (d. h. für seinen reformgegnerischen Standpunkt) stützt sich W. haupt-
 
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