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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft X (Oktober 1908)
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Kerschensteiner, Georg: Die Schule der Zukunft eine Arbeitsschule, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0111

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wechselt, den gleichen Herd bedienen. Es liesse sich auch noch manches sagen
über den praktischen Betrieb des übrigen naturkundlichen Unterrichts, des ersten
Anschauungsunterrichts, des Geographieunterrichts, des Geometrieunterrichts, der
so erfolgreich unter gemeinsamer Verantwortlichkeit sich mit Messketten, Messlatten,
Sextanten im Freien betreiben lässt, über die zweckmässige Organisation des obliga-
torischen Turn- und Turnspielunterrichts, der Mädchenreigen und Mädchensingspiele,
alljährlich wiederkehrender Klassenfeste usw. Doch muss ich hierauf verzichten.
Am weitesten ist in München die Umwandlung der Lernschule in eine Arbeits-
schule bei unseren Fortbildungsschulen der Knaben fortgeschritten. Hier steht tat-
sächlich der Knabe mit all seinen praktischen Interessen im Mittelpunkt, hier geht
aller Unterricht von den Werkstätten der Schule aus und kehrt wieder dahin zurück,
hier ist geradezu eine Berufs- oder Standesschule möglich, die bei der Volksschule
immer ausgeschlossen sein wird. Infolge der strengen Gliederung nach Berufen,
die nur
Knaben
gleicher
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arbeit zu¬
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auch der
Geist des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung. Man hat ursprünglich viel-
fach gespottet und geringschätzig gesprochen über die neuen Einrichtungen. Aber
schon heute ist aller Spott und Scherz verstummt, denn immer deutlicher zeigt
sich der Segen der Arbeit. Man nennt heute noch meine Laboratorien in der Volks-
schule nutzlose Spielerei und bereitet deren Einführung grosse Hindernisse. Aber
die Zeit wird kommen, so sicher wie der Tag auf die Nacht, da man nicht begreifen
wird, wie man einst anders unterrichten konnte.
Wenn man sich fragt, woher solche, oft fast übergrosse Hindernisse der Um-
wandlung sich entgegenstellen, so scheint mir eine Ursache vor allem wirksam zu
sein, das ist die Entwicklungsgeschichte des Begriffes „Schule“. Der Charakter
der Arbeitsschule, also der Schule, die durch Arbeit zu immer höherer Bildung
führt, ist allen früheren Zeiten fremd gewesen. Die Brahmanenschule der Inder,
die Tempelschulen der Aegypter, die Lehrlingsschulen der Pythagoreer, die Philo-
sophenschulen der Athener, die Khetorenschulen der Körner, die Lese- und Schreib-
schulen aller alten Völker auf den Plätzen und Strassen der Städte, die Kirchen-
schulen des Mittelalters — sie alle waren ausgesprochene Lernschulen, und zwar,
 
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