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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Das Schwarzwerden moderner Bronzeornamente
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0029

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Das Schwarzwerden moderner Bronzemonuinente.

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das Entscheidende in der Luft liege, daß die Luft
unserer großen Städte, ihr Schwefelgehalt, der schönen
Patinirung hinderlich sei. Allein da unsere schlechte
Patinirung nicht bloß in den großen Städten vor sich
geht, die Alten ihrerseits nicht minder große und
volkreiche Städte hatten, so kann auch das nicht das
Richtige sein.

Man machte zwar nnn im Verlaufe der Unter-
suchung die merkwürdige Beobachtung, daß Bronze-
teile, welche dem Publikum erreichbar sind, dort, wo
sie von der liebenswürdigen Straßenjugend abgegriffen
oder gar abgesessen waren, eine schöne, glänzende
Färbung erhalten hatten, während unerreichbare Neben-
partien die gewöhnliche schmutzige Schwürze zeigten.
Gewiß eine wichtige Entdeckung, die man leicht mehr-
sach verfolgen konnte und die man durch eigene Ver-
suche hätte bestätigen können, wenn man an einer
neuen Bronzestatue das hätte thun lassen, was weiland
Detmold von den Mitgliedern seines Kunstvereins und
ihrer Mediceischen Venus erzählt.

Aber worauf führte man nun die Ursache dieser
auffallenden Erscheinung zurück? Auf das Fette und
Ölige der Hand. Die Beinkleider der reitenden Jugend
hatten zwar das gleiche Resultat gehabt — machte
aber nichts: man ließ sie aus dem Spiele. Jmmerhin
lohnte sich der Versuch mit Öl. Man nahm also
zwei ganz gleich neue Bronzebüsten, überließ die eine
wie gewöhnlich ihrem Schicksale, dem Wetter, Staube
und Schmutze, rieb die andere dagegen mit Öl ein,
rieb das Öl wieder mit Sorgfalt ab, um allen Staub
und Schmutz zn entfernen, und salbte das Haupt der
Ehren von neuem. So trieb man es mehrere Jahre.
Und siehe da: schließlich war jene Büste, die man in
Ruhe gelassen hatte, schwarz und schmutzig, wie er-
wartet, und diese, die gesalbte, war in ihrer Ober-
fläche wohl nicht wie eine antike geworden, aber sie
war auf dem Wege dahin. So schien man zu einem
gewissen Resultate gekommen zu sein. Allein gar
bald mußte man sich wiederum sagen: Öl thut's frei-
lich nicht.

Jn der That erwies sich das Öl als güuzlich
gleichgültig, und man schob nnn das gewonnene Re-
sultat auf die wiederholte Reinigung. Man nahm
an, daß durch das Hinwegwischen von Staub und
Schmutz, und dem, was Regen und Schnee hinterläßt,
der Einflnß der schädlichen Luft gewissermassen ge-
hoben sei und der Prozeß des Oxydirens ruhig vor
sich gehen könne. Die Kommission glaubte uuu eine
stete Reinhaltung, ein zeitweiliges Putzen der Monu-
mente empfehlen zu müssen. Bedenkt man aber, daß
die Alten, so wenig wie sie ihre Monumente mit Öl
eingerieben haben, ebenso wenig eine Wasch- und Pntz-
anstalt für sie besaßen, sondern sicherlich sie ihrem

Wetterschicksal überlassen haben, so konnte man sich
nicht verhehlen, daß die Kommission auch mit dem
Vorschlage der Reinigung vorbeigeschossen hatte. Sie
schoß aber, wie jener Schütze aus Dingskircheu sich
rühmte, „ganz dicht vorbei".

Was hatten die ehrenwerten Personen, die in
Frage stehen, gethan? Sie hatten tastend, reibend,
rittlings das eorxns ckslleti glatt gemacht. Was hatte
die Kommission gethan, als sie ihr eorxns äslleti vielmal
mit Öl gesalbt, abgerieben, geputzt und so wenigstens
ein besseres Resultat erzielt hatte? Sie hatte es nach
und nach ebenfalls glatt gerieben. Untersuchen wir
nun in dieser Beziehung die antiken Bronzemonu-
mente, so finden tvir, daß sie sämtlich glatt sind. Das-
selbe ist der Fall mit denen der Renaissance. Be-
trachten wir aber die modernen Denkmäler, so sehen
wir, daß sie infolge der Ciselirung rauh auf der Ober-
fläche sind. Jst da nicht anzunehmen, wenn weder
die Metallmischung, noch die Luft, noch die Neinigung
die Ursache der verschiedenen Oxydation oder Patini-
rung ist, daß diese in der verschiedenen Behandlung
der Oberfläche zu suchen sei? Die alteu Werke sind
glatt und patiniren gut, die modernen sind rauh ciselirt
und patiniren schlecht.

Worin besteht denn die Ciselirung? Was ist
ihre Aufgabe? Jhre Aufgabe ist vor allem die Hiu-
wegnahme der Gußhaut, d. h. jener obersten rauhen
Schichte, welche der Guß auf der Oberfläche des Me-
talles hinterlasseu hat. Die Frage ist aber weiter:
Was nun? Wenn die Gußhaut entfernt ist, wie soll dic
neue Oberfläche behandelt oder belassen werden —
glatt oder rauh. Wenn wir diese Dinge unbefangen
betrachten, so werden wir uns sagen müssen, daß eine
ganz wesentliche Eigenschaft des Metalles in seinem
Glanze besteht. Der Glanz ist eine Eigentümlichkeit,
ein Vorzug, der das Metall von vielen anderen
Stoffen auszeichnet oder wenigstens unterscheidet. Da
wir nun das Material für irgend eine künstlerische
Ausführung nach seinen Eigenschaften zu wählen
pflegen, so erscheint es ganz natürlich, daß wir diese
Eigenschaften beachten und sie vielmehr zu heben als
zu töten trachteu.

Währeud die Alten uud die Künstler der Re-
naissancezeit den Glanz in ihre Berechnung hinein-
zogen, während noch heute die Franzosen bei Bronzen
die Oberfläche glatt halteu und den Glanz nicht scheuen,
gehen wir auf seine Vernichtung aus und machen den
Statuen durch Ciselirinstrumente eine künstliche Gänse-
haut, wenn die Gußhaut entfernt ist. Wir lassen den
Körper, gleich als ob es sich um einen Kupferstich
handelte, mit schraffirten uud gekreuzten Linien um-
laufen. Und in dieser Art sind wir immer künstlicher
und vollendeter geworden, um uns immer weiter vom
 
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