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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Pariser Eindrücke
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Pariser Eindrücke.

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--^^ ^——-—'

äs8 norrvsllss 8.Lhmsi1.ion8", in dcncn kontinuirlich
Neues zuwüchst. Jm ,,8uIon surrs", der „1'rilumu"
des Louvre, hängt jetzt auch das 1883 aus eug-
lischem Besitz für 200000 Francs erworbeue Bild
„Apollo uud Marsyas". Es sind nnn gerade dreißig
Jahre her, als Herr Morris Moore mit dem Bilde
eine Rundreise durch Europa machte. Nach langen
Jrrfahrten und Kämpfen um die Bestimmung seiner
Autorschast ist es endlich unter dem offizielleu Namen
Naffaels hier zur Ruhe gekommen. Ob es aber
dennoch nicht ein Perugino ist? — Den Herrlichkeiteu,
wie wir sie hier in der geweihten Halle beisammen
fiuden, wäre ihueu doch mit der Nuhe zugleich auch
die ewige Frische der Jugend beschieden! So be-
wundern wir iu Lionardo's Mona Lisa leider nur
noch die letzten Dämmerungen der Farbe, und wie
tief sind die großen Raffaels, welche vom Papst Leo X.
als Geschenke für den König von Frankreich gekommeu
sind, schon eingedunkelt und vieles andere von un-
schätzbarem Werte! Hellleuchtend bleibt nur Rubens,
und es ist eine wahre Pracht, den großen Bildercyklus
Heinrichs IV. und der Marie von Medici in der
Grande Galerie zu schauen. Farbe und Modellirung
sind so intakt, als wären die Bilder eben von der
Staffelei gekommeu.

Kehren wir dagegen zu den französischen Maleru
der neueren Zeit (von David an) in die Salle des
Sept Cheminses oder in die Salle des Etats zurück,
so werden wir mit Erschrecken wahrnchmen, wie viele
von den Bildern aus der nächsten Vergangenheit schon
Ruinen sind. Die besten Arbeiten von Prudhon,
Gsricault, Delacroir, Gros, Delaroche u. a., dunkelteu
stark nach oder springen von der Leinwand ab. Es
sind das recht triste Wahrnehmungeu, die insbesondere
von seiten der Künstler die vollste Beachtung ver-
dienen, wenn sie auf den Ruhm in der Nachwelt nicht
verzichten wollen. Die Chemie, die nns eine Unmasse
neuer, brillanter Pigmente erzeugt hat, muß da als
Wissenschast wieder eingreifen.

Es würde zu weit führen, die neuen Erwerbungen
auch nur zu streifen; bloß der ziemlich umfangreichen
Sammluug Thiers sei Erwähnung gethau. Sie ist iu
zwei Sälen untergebracht und enthält neben einer Samm-
lung anliker und mittelalterlicher Kunstwerke vorzüg-
liche Aquarelle nach italienischen Meistern und auch das
Porträt des greiseu Staatsmannes von Bonuat. Denc
Andenken des ersten Präsidenten der Republik wurde
auf dem Päre-la-Chaise, an dem schönsten Pnnkte des
berühmten Friedhofes, ein großes Mausolcum errichtet,
welches, reich mit bildlichem Schmucke versehen, des
großen Mannes würdig ist. Die Rückwand der schönen
Halle, in deren Mitte sich in offener Krypta der Sar-
kophag befindet, schmückt eiue grvße Marmorgrnppe

von Merciu: „Thicrs, dcm Rufe der Unsterblichkcit
fvlgend".

Das Musse du Luxembourg, die Ergänzung
der Louvresammlung aus dem Gebiete der moderneu
nationalen Kunst, ist gegenwärtig in einem neuen
Bau neben dem Senatspalaste, gegenüber der Rue
Fvron untergebracht. Die Säle sind geräumig und
durchweg mit Oberlicht versehen; die Kunstwerke aber
einem steten Wechsel unterworfen, da alljährlich dic
bedeuteuden Staatsankäufe znwachsen, ültere Bilder
aber (zehn Jahre nach dem Tode der Künstler) dem
Louvre zugewieseu werden. Wer studiren will, wie
reich und mannigfach geteilt nach allen Richtungeu
hin die französische Malerei ihre Ziele verfolgt, findct
hier dazu die beste Gelegenheit. Jn der Sucht,
svwohl im Technischen als im Stosflichen interessaut
zu sein, treten die künstlerischen Jndividualitäten weit
markanter hervor als bei uns Deutschen; freilich schlägt
das Könuen dabei ost ins Bizarre über und der Rea-
lismus steigt iu die Tiefe der Gewöhnlichkeit herab-
Selbstverstäudlich ift es bei dem rasch pulsirenden
Temperament der Nation vorwiegend das Leben, die
Leidenschaft in ihrer ganzen Skala, die dargestellt
wird. Jn der Abteilung der moderneu Plastik des
Luxembourg - Museums bewundern wir die höchste
Fornivollendung, freilich oft ohue geistigeu Jnhalt.

Es ist nicht weit vom Luxembourg in die Rue
Bonaparte zur Ecole des Beaux-Arts, der Pflanz-
stätte der französischen Kunst, wo die Turniere mit
Pinsel und Meißel um deu ^ranä prix cks Ronw
ausgefochten werden. Es läßt sich für den erhebenden
Akt der Prämienverteiluug wohl kaum ein sinnvollerer
Hintergrund denken, als das berühmte „Hemicycle"
von Delaroche, welches in seinem decenten Kolorit
das Amphitheater des Saales stilvoll umrahmt. Paris
kann sich nicht rühmen, für seine Kunstschule einen
Prachtbau wie Wien oder München zu besitzen, aber
die originelle antiquarische Ausstattung der Höfe,
Vorräume rc. und selbst die Unregelmäßigkeiten des
ganzen Baues machen einen ebenso künstlerischen wie
anheimelnden Eindruck. Das Gipsmuseum, zum gro-
ßen Teil iu einem überglasten Hofraum uutergebrachtz
ist sehr reich, enthält jedoch nur Objekte, welche künst-
lerischen Jnteressen dienen; alles Archäologische ist
fern gehalten. Jnteressant sind die Gipsausführuugen
der Partheuonsäuleu und solcher vom Dioskurentempel
in natürlicher Größe mit Sockel und Gebälk. — An>
linken Seiueufer müssen wir uoch dem Musve de
Cluny, der berühmten kunstgewerblichen Sammlung,
einen Besuch machen. Das Gebäude steht auf einew
historisch denkwürdigen Boden. Römische, mittelalter-
liche und Renaissanceformen geben Zeugnis davon,
daß der Bau zu allen Zeiten eine hervorragende Rolle
 
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