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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Das litterarische Denkmal des Kronprinzen Rudolf von Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0179

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Das litterarische Denkmal des Kronprinzen Rudols von Österreich.

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tümlichkeiten der Natur, des Lebens und der Sitte
von den Volkstypen, Denkmälern, Bauten und anderen
Kunstschöpfnngen treue und kiinstlerisch vollendete Ab-
bildungen liefern sollte. Nach diesen Grundsätzen
wnrden die Detailpläne ausgearbeitet nnd die Kräfte
snr die Ausführung gewählt. Dabei galt als eine
der ersten Bedingnngen, daß alle Völker des Reiches
zu der erlesenen Schar der litterarischen und künst-
lerischen Mitarbeiter ihr Kontingent stellen sollten.
Jedes Kronland sollte durch seine eigenen Söhne dnrch-
forscht und geschildert werden. Nur wenn sich irgend-
wo für die speziellen Aufgaben die geeigneten Männer
nicht fänden, hatten andere bewährte Kräfte für sie
einzutreten. Die Gesamtleitung behielt sich der Kron-
prinz selbst vor. „Er las die Manuskripte, ließ sich
alle eingelangten Jllustrationen vorlegen, präsidirte
allen Sitznngen des Redaktions- nnd Künstlerkomitee's,
wenn es sich nm neu zu wählende Mitarbeiter handelte,
unterzeichnete alle Briefe eigenhändig, welche die nen
berufenen Mitarbeiter aufforderten, sich an dem Werke
zu beteiligen, und sie von der ihneN zugedachten Anf-
gabe und dem Umfange derselben verständigten. Von
Dienstreisen, Jagdansflügen, wo immer sich der Kron-
prinz aufhielt, aus München, Berlin, Paris und London
kamen Briefe an die Redakteure mit Anfragen nnd
Weisungen."

Die Redaktion der größeren Abteilung des Werkes,
welche die im österreichischen Reichsrate vertretenen Län-
der umfaßt, wnrdedem Hofrate I. v. Weilen in Wien,
die Redaktion der kleineren, ungarischen Hälste dem
Schriftsteller Maurus Jokaiin Budapest anvertraut.
Wie sür den litterarischen und artistischen Teil ihrer
schwierigen Aufgabe, so traten diesen beiden Autoren auch
fiir die administrative und finanzielle Seite des Unter-
nehmens besondere Komitee's zur Seite, zusammengesetzt
aus bewährten Fachmännern derverschiedensten Wissens-
und Kunstzweige, durch deren stetes lebendiges Zu-
sammenwirken unter dem rastlos arbeitendcn und von
dem regsten Eifer für das Ganze beseelten Führer
das Werk schnell und ununterbrochen fortgeschritten
ist. Nicht weniger als 101 Gelehrte und Schrift-
steller haben als litterarische Mitarbeiter, 176 Künstler
und Jllustratoren an den bisher ausgegebenen 78
halbmonatlichen Lieferungen mitgewirkt. Erschienen
sind der „Übersichtsband", der in zwei starke Ab-
teilungen zerfallende Band „Wien und Niederöster-
reich", und „Oberösterreich"; der Band „Salzburg"
ist dem Abschlusse nahe. Von der ungarischen Ab-
teilung befinden sich der erste Band und ein Teil des
zweiten in den Händen des Publikums.

Aus der Feder des verewigten Kronprinzen stam-
men folgcnde Abschnittc des Werkes: im „Übersichts-
band" die Einleitung, welche in großen Zügen ein

ethnographisches Gesamtbild des Reiches entwirst,
ferner in dem Bande „Wien und Niederösterreich"
die Schilderung der landschaftlichen Lage Wiens, die
landschaftliche Schilderung des Wienerwaldes und der
Donau-Auen bis zur ungarischen Grenze; sodann z"
dem ersten Bande „llngarn" ebenfalls die Einleitung'
Bei der erst vor wenigen Wochen stattgefundenen
Wahl dcr litterarischen Mitarbeiter für den Band
„Triest, Jstrien und Dalmatien" übernahm der Kron-
prinz die landschaftliche Schilderung der Quarnerischb"
Jnseln und des südlichen Teiles von Dalmatien »nd
wollte dieselbe im Laufe des Sommers 1889 voÜ^
enden. Auch für den im Erscheinen begrisfenen zweite»
Band „llngarn" hatte der Verewigte noch einen Be>-
trag, die Beschreibung von Gvdöllö und seiner H»^
gebung, zugesagt. An Stelle des Manuskripts, das
Ende Jannar erwartet wurde, kam von Meyerling dic
schandererregende Todesbotschaft!

Wer die Beiträge Rudolfs zn seinem Licblings^
werke liest, der wird sich sagen miissen, daß woh^
selten ein Thronerbe so wie dieser durch Wissen »nd
Bildung vorbereitet gewesen ist für die erhabeiw
Mission des Herrschers. Aber auch ein reicher Schatz
von Gemüt und ein feiner künstlerischer GeschniaÜ
sprechen zu uns aus den frisch und flott hingeschrie"
benen Natur- und Volksbildern. Die Seele dcs
Österreichers, das malerische Talent farbenreicher, z»A
abgetönter Schilderung, der Sinn sür schmelzenden
Wohllant der Sprache verleihen ihnen ein echt hci
misches, charaktervolles Gepräge. Wenn KronprinZ
Rudolf auch eine vorwiegend naturwissenschaftlich^
Bildnng und Geistesrichtung besaß und für die Än-
gelegenheiten der Kunst nicht in erster Linie sich zu in-
teressiren Pflegte, so war er doch selbst eine dnrch und
durch künstlerisch angelegte Natur, von dessen Walten
die Knnst dereinst sich das Höchste erhosfen durfte.

Dafür zeugt auch die Sorgfalt, mit welcher dic
Jllustration des Werkes von ihm geplant und durch^
geführt worden ist. Schon eine srühere Publikation de^
Kronprinzen, die „Orientreise", war mit Holzschnitten
und Radirungen reich ausgestattet erschieneN. A»l
die letzteren mußte man bei dem neuen Ilnternehme»
verzichten, da dieses sonst unmöglich den Charakter
eines Bolksbuches hätte annehmen können. Ein »l»
so höhercr Wert wnrde dagegen jetzt auf den Holz^
schnitt gelegt und ihm, mit Ansnahme leicht in Fac^
simile herzustellender Zinkotypien nnd einzelner Trach^
tcnbilder in Farbendrnck, die gesamte künstlerische
Ansstattnng des Werkes überlassen. Für die Aus-
führung der Jllnstrationen der ungarischen Bände
fand sich in Budapest ein geeignetes Jnstitut nnter
der Leitung des dortigen Professors Gnstav Morelli,
welches in Verbindung mit der ungarischen Staats«
 
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