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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Lützow, Carl von: Große Radirung von William Unger
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0226

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Nr. 28.

2H. Iahrgang.

j 888/89.

Aunstchronik

H8. April.

IVochenschrifl für Aunst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine.

Herausgeber:

Larl v. Lützow und Arthur ssabst

wien Aöln

Cheresianumgasse 25. Haiser-MIHelmsring 22a

Lxpedition:

Leipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. ss. Berlin: w. H. Aühl, Iägerstr. 73.

Die Aunftchronik erscheint von Gktober bis Ende guni wöchentlich, im guli, August und ^eptember nur aller Tage und kostet in verbindung
Nlit dem 2<nnstgewerbeblatt halbjährlich b Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — gnserate, ä 30 j)f. für die dreispaltige ssetitzeile
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 6c vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

gewerbemuseum in Düsseldorf ; Deficit der weltausftellung in Brüssel und der Deutschnationalen Aunstgewerbeausstellung in München von
1888. — Bau eines Museums in Lüneburg. — ^tatuenschmuck des Polizeipräsidiums in Berlin; Aus ^inrerpommern; lviener Dom-
bauverein; Lrrichtung einer Restauratorenschule in München; L. v. Hofmann's Aentauren-Gruppe; Restauration der Klosterkirche in
Thalbürgel; prof. w. Lngelhard's Gdingruppe. — Zeitschriften. — Inserate.

Große Radirungen von Mlliarn Unger.

Wie lang ist es denn her, ein Vierteljahrhundert
nächstens, daß unser großer kleiner Freund mit dem ersten
seiner Blättchen aus der Braunschweiger Galerie be-
scheideu vor das Publikum trat! Er hatte ganz im
Verborgenen für T. O. Weigel jene vorzüglicheu Fak-
similestiche nach den Jnkunabeln des deutschen Quattro-
cento geliesert, welche als Nachempfindungen längst
verklungener Kunstformen und Ausdrucksweisen be-
wunderungswürdig sind. Er widmete sich dann der
dankbareren Jnterpretation modernen Malerei. Ein
Blatt nach Wislicenus, der „Sommer", zeigt den
streng erzogenen Schüler Thäters. Aber es schimmert
nnd leuchtet darin bereits eine Vorahnung des niale-
rischen Jdeals, das unserm Meister dann im Ange-
sichte der alten Holländer in Braunschweig als sein
Leitstern sürs Leben aufgehen sollte.

Wie sich dieses Leben und Schaffen in seiner
staunenswerten Fruchtbarkeit seither gestaltet hat,
brauchen wir unsern Lesern nicht auseinander zu setzen.
Braunschweig, Kassel, Haarlem, Amsterdam, Wien,
Berlin: eine Kette von Galerien bildet den glänzenden
Schmuck dieser in unsern Tagen einzig dastehenden
Künstlerlausbahn.

Man glaubte den Kreislauf derselben als im
wesentlichen abgeschlossen betrachten zu dürfen: da
trat eine jener überraschenden Wendnngeu ein, welche
das wahre Talent charakterisireu. Unger warf sich
auf die Radirung in großen Dimensionen. Aller-
dings war er auch früher schon durch manche figuren-
reiche Werke moderner und alter Meister dazu ge-

drängt worden, über das hergebrachte Radirungsmaß
hinauszugreifen. Die Blätter nach Makart, nach
Rubens u. a. ließeu das nicht anders zu. Jetzt aber
briugt uns Unger große Blätter mit nur einer Figur.
Diese bezeichneu eine neue Entwicklnngsphase seiner
Kunst. Das eine derselben reproduzirt den Heijthuyscu
pon Frans Hals, das andere den sogenannteu Walleu-
stein des van Dyck, beide in der Liechtensteinschen
Galerie zu Wien. Die Rubenssöhne derselben Galerie
sollen demnächst folgen.

Die Blätter sind sämtlich von H. O. Miethke
in Wien bestellt, dem mit Unger seit Jahreu innig be-
freundeten Kunstverleger, welchem wir bekanntlich u. a.
auch die große Publikation über das Belvedere zu
verdanken haben. Ein neuer Fall des verdienstlichen
Eingreifens kunstsiuniger Geschäftsmänuer in die
artistische Produktion und Publikation! Petit, Goupil
und Sedelmeyer in Paris bieteu dafür aus jüugerer
Zeit die bekanntesten Beispiele. Wie viel bahn-
brechende Talente sind schon durch sie ins rechte Geleis
gebracht, wie viel Vorurteile gegen das Neue nnd Ge-
wagte durch die von ihnen geschaffene vollendete That-
sache glücklich beseitigt worden! Das Wagnis liegt
im vorliegenden Fall in der Kraftprobe des künstle-
rischen Stimmorgans, das bisher im kleinen Raum
sich zu bewegen gewohnt war, und nun plötzlich im
Weiten und Großen wirken soll. Jst die Radirung
überhaupt im stande, dieseu Sprung aus dem Jn-
timen ins Massenhafte zn vollführen? Verliert sie
nicht an Geist, was sie an Körperfülle gewiunt? Die
Frage drängt sich auf, insbesondere vor den modernen
Riesenradirungen, wie sie Herkomer, Stauffer-Bern,
 
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