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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Haendcke, Berthold: Einige Handzeichnungen von Hans Baldung Grien in Bern
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Ein schweizerisches Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0243

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Ein schweizerisches Nalionalmuseum.

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gar nicht konstatirt werden kann. Der Mund ist ein
wenig cckig gcvfsnct; die Nase stumpf; die Augen sind
schmal geschnitten. Die Hände mit den derben,
säulenartigen Fingern haben etwas „Handschuhartiges"
an sich. Das Haar ist in einzelnen Büscheln ange-
ordnet, die spitz zulaufen und wie vom Winde ge-
trieben in heftiger Bewegung fortgeweht erscheinen.
Die Gewandung, die allerdings nur als flatterndes
Lendentnch vorkommt, ist in flüssigen, eleganten Linien
gezeichnet, aber der Natur des Stoffes ist der Künstler
nicht genügend gerecht geworden. Anstatt der weichen
Leinwaud giebt er uns ein steifes und hartes Tuch.
Die Falten sind wie aus dicken Stoffmassen gelegt
und gedreht, während die lebhaft bewegten Enden wie
geschnitzt anssehen. Es tritt uns hier also ein starker
Gegensatz zu anderen Arbeiten Hans Valdungs ent-
gegen, die gerade durch die vorzügliche Behandlung
selbst der seinsten Stoffe glänzen.

Alle diese Einzelheiten, besonders die Linien-
sührung, die Angabe der Haare, die Eigentümlichkeiten
in der Wiedergabe der Gewandung finden wir in der
späteren Periode des Meisters. Als Beispiele zur
Vergleichung seien der Centaur in Basel, wie der
Christus am Kreuz in Berlin (1533) erwähnt.
Wir werden also im Rechte sein, wenn wir diese Hand-
risse Hans Baldungs in Bern eben diesem Jahrzehnt
zuweisen.

Lin schweizerisches Nationalmuseum.

L. Hervorragende, opferwillige Begeisterung für
die Schöpfungen der bildenden Kunst pflegte man bis-
her dem Schweizervolke nicht gerade nachzurühmen.
Die Gründe dieser Erscheinnng liegen auf der Hand,
nnd kein Einsichtiger möchte den praktisch-nüchternen
Alpenanwohnern daraus einen herben Vorwurf machen.
Es wäre darum auch ein Jrrtum, die überraschende
Lebhaftigkeit, mit welcher seit kurzem die Frage der
Errichtung eines Schweizerischen Nationalmu-
seums in Zeitungen, Broschüren, öffentlichen Ver-
sammlungen, ja selbst in weiten Volkskreisen erörtert
wird, als Frucht eines plötzlich erwachten mächtigen
Kunsttriebes, als Zeichen des ungestümen Sehnens der
Nation nach einem künstlerischen Jdeale aufzufassen.
Die starke vaterländische Gesinnung, vielleicht des
Schweizers bestes Erbteil, und der aus ihr hervor-
gehende Wunsch, in einer umfassenden Sammlung ge-
schichtlicher Denkmäler der Schweiz Material und
Jllustration für die Külturgeschichte der angestammten
Heimat zu gewiiinen, siud die Väter des lobenswerten
Gedankens gewesen, der jetzt alle patriotischen Gemüter
der Eidgenvssenschaft beschäftigt.

1) Abgebildet bei Woltmann, Kunst im Elsaß, S. 2S2.

Nachdem die knnstgeschichtliche Abteilung der
schwcizerischen Landesausstellung in Zürich 1883 die
allgemeine Aufmerksamkeit auf den nicht unbeträcht-
lichen Schatz einheimischer Kunstaltertümer gelenkt
hatte, der, den Plünderungen der Antiquitätenhändler
zum Trotz, immer noch im Lande bewahrt wird, war
es der verstorbene Salomon Vögelin, der als einer
der ersten und in nachdrücklichster Weise der Errich-
tung einer Centralsammelstelle für historischr
Altertümer sowie für Gegenstände altschweizerischen
Kunst- und Gewerbfleißes das Wort redete. Der
Vorschlag, einfach, fast selbstverständlich, wie er war,
bedurfte doch geraumer Zeit, um vom öffentlichen
Bewußtsein seinem Werte nach geschätzt zu werden.
Kein sonderlicher Freund, um nicht zu sagen, Gegner
centralistischer Beftrebungen, lüßt der Schweizer im
allgemeinen sich an dem, was der oder jener Kanton,
hier oder da eine wohlhabende größere Stadt für
künstlerische oder historisch-antiquarische Zwecke auf-
wenden mag, gern genügen, und erfaßt ihn ein Ehr-
geiz, so ist es der, seinem Heimatsstaate oder seiner
Vaterstadt auch auf diesem Gebiete die Überlegenheit
über die Nachbarn und wenn möglich einen der ersten
Plätze innerhalb der gesamten Eidgenossenschaft ge-
sichert zu wissen. Gewiß, es steckt noch ein gut Teil
„Kantönliwirtschaft" auch im geistigen Leben dieser
Nation. Doch wir müßten unserer eigenen, nicht all-
zufernen Vergangenheit nicht gedenken, wollten wir
des Spottes volle Schale über jene oft völlig naive
Pflege mannigfach verzweigter Kirchspielsinteressen
ausgießen.

Es war nach alledem ein Glück, daß die War-
tung der kaum geborenen Jdee bald in die Hände
der richtigen Hüter gelegt wurde, denen als gewissen-
hafter Taufpate der obengenannte Züricher Professor
trenlich znr Seite stand. Die Bnndesversammlung
selbst erhob, über die vereinzelten Stimmen kurz-
sichtiger Gegner hinweg, die Gründung eines schwei-
zerischen Landesmuseums zum Beschlusse. Ein jähr-
licher Kredit von 50 000 Franken, seit 1886 bewilligt,
sollte dem Ankaufe und der Erhaltung vaterländischer
Altertümer dienen, eine Kommission von Sachverstän-
digen zugleich die Verwaltung des Fonds und die
Borarbeiten zur Verwirklichung des Planes über-
nehmen. Ein Merkzeichen ihrer Thätigkeit ist das
von ihr im September vorigen Jahres veröffentlichte
„Programm für ein eidgenössisches Landesmnscuin",
dem wir der Kürze wegen einige Eingangssätze ent-
nehmen:

„Der Zweck des Landesmuseums ist, ein möglichst voll-
ständiges Bild von der Kultur- und Kunstentwickelung auf
den Gebieten der heutigen Schweiz von vorgeschichtlicher Ze>t
bis zum Ende des 18. Jahrhundert zu geben.
 
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