Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

DOI Artikel:
Müller, Sigurd: Rückblick auf die Kunstausstellungen in Kopenhagen im Sommer 1888
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0275

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5,31

Rückblick auf die Kunstausstellungen !n Kopenhagen im Sommer 1888.

;32

schen, Tieren u. s. w. dekorirt. Unter diesen Sachen,
die meistens von den Malern I. u. N. Skov-
gaard und Philipsen sowie vom Architekten
Bindesböll herrühren, findet sich manches, das in
Schönheit der Form sowohl als auch in Feinheit der
Farbenharmonie den guten Majoliken der Renaissance
wenig nachgiebt. — Frau Jda Hansen hat mit ihren
nach der Natur angefertigten Stickereien von Blumen
Resultate erreicht, welche die Mehrzahl der Blumen-
maler weit hinter sich lassen. Man hat es hier mit
etwas wirklich Phäuomenalem zu thun.

Mit den Leistungen der dänischen Künstler ver-
trägt dasjenige, welches von den Malern nnd Bild-
hauern der übrigen nordischen Länder diesmal aus-
gestellt war, weder quantitativ noch qualitativ einen
Vergleich. Von den schwedischen Malern waren die
beiden bedeutendsten, der Graf von R osen und Pro-
fessor G. Hellquist, leider nur dürftig vertreten;
der erstere hatte jedoch ein ausdruckvolles nnd prächtig
modcllirtes Mannspvrträt ansgestellt. Von Hell-
quist sah man „Luthers Ankunst anf der Wartbnrg",
eine tüchtige, obschon etwas theatralische Komposition,
schön gezeichnet, in der Färbung aber trocken und
körperlos. Sehr lebensvoll sind in der „Halle in Ve-
nedig" von O. Björk.die verschiedenen Typen auf-
gefaßt; Cederströms „Salvationsarmy" — eine
Frau predigt in einer Schenke den Gästen vor —
markirt mit ergreifender Gewalt die Stimmungen der
Anhörenden und thut sich dnrch Frische des Vortrags
hervor; gute Porträts sah man von Persüus (König
Oskar II.), Richard Bergh und Jungstedt,
außerdem von Lindström, Kreuger, SkLn-
berg, Resenberg, Krumlinde, Schultzberg, dem
trefflichen Aquarellisten Zorn und anderen. Von
den schwedischen Skulpturen erhob sich nur weniges
über das ganz Alltägliche; tüchtige Arbeiten sind die
Büsten Fahlstedts und Börjesons so wie des
letzteren Standbild des Dichters L. Holberg. Unter
den norwegischen Bildhauerarbeiten ragten die beiden
Gruppen des genialen Stephan Sinding empor;
Seine „Gefesselte Mutter, die ihr Kind säugt," ist durch
Originalität der Komposition und Grandiositüt der
Linien ansgezeichnet; noch bedeutender, sowohl in dem
ganzen Aufbau als anch in Beziehung auf tief realistische
Modellirung ist seine „Barbarengruppe", die Mutter,
die in ihren starken Armen den verwundeten Sohn
aus der Schlacht trägt. Diese beiden Hauptwerke der
gesamten nordischen Kunst sind für die Glyptothek
des Bierbrauers Jacobsen in Marmor erworben. Die
von Gude, Morten Müller, G. nnd L. Munthe
ansgestellten Landschaftsbilder sind charakteristische
Proben der Kunst der genannten Meister; weniger!
routinirt, frischer jedoch nnd in der Naturansfassung I

primitiver sind die Schneebilder von Otto Sinding
und Thaulow sowie die prächtige Hafenpartie von
N. Ulfstcn. Vorzüglich ist auchdas„Bauernbegräbnis"
von E. Werenskjold. Das Grab ist schon zugewor-
fen; der junge Prediger liest den wenigen Anwesenden
das Gebet vor. Es ist ein Kunstwerk von ergreifender
Wahrheit und Einfachheit; jede Figur ist ein Cha-
rakterbild hohen Ranges, und die düstere Stimmung des
Ganzen mit großer Energie ausgedrückt.

Von Finnland aus kamen hübsche Sachen, die
meisten jedoch „Atelierbilder" ohne bemerkenswerthe
Eigenthümlichkeit. Nur die Schöpfungen Edelfeldts
machen sich als wirklich originelle Meisterwerke gel-
tend. Sein Porträt Pasteurs — der berühmte Ge-
lehrte ist in seinem Laboratvrium mit der Unter-
suchung eines Präparats beschäftigt — ist ein wahr-
haft monnmentales Kunstwerk, groß in der Auf-
fassung, köstlich in Form und Farbe; in seinen „Weibern
am Kirchhofe" zeigt er uns cin Stück Volksleben von
großem Jnteresse.

Dem großen Gebäudekomplexe der „Nordischen
Ausstellung" gegenüber hatte der dänische Mäcenas,
der Bierbrauer Carl Jacobsen, seine „Ausstellnng
französischer Kunst" in einem imposanten Holzgebäude
installirt. Gelang es ihm auch nicht, alle die hervor-
ragendsten Maler und Bildhauer der Seinestadt für
seinen Plan, den Einwohnern des hohen Nordens von
dem jetzigen Standpunkte der französischen Kunst einen
Begriff beizubringen, zu gewinnen, und fand sich anch
unter den beinahe 700 nach Kopenhagen gebrachten
Arbeiten manches, das man unschwer entbehren konnte:
— soviel ist doch sicher, daß mau außerhalb Paris
eine so reichhaltige und wertvolle Sammlnng sran-
zösischer Knnst niemals früher gesehen hat. Beson-
ders imponirend wirkte die Abteilung der Skulpturen
mit den 16 zum Teil sehr bedeutenden Arbeiten von
Paul Dubois — die vier Statuen vom Grabmale
Lamoriciöre's, Eva, der florentinische Sänger, St. Jean
Baptiste, Narcissus, die kolossale Reiterstatue der Anne
de Montmorency n. s. w. —; von Delaplanche sah
man unter 14 Arbeiten Hauptwerke, wie Eva nach
dem Sündenfalle, Mütterliche Erziehung nnd die Musik,
von Chapu, Gautheriu, Falguiörc, Merciö,
Barrias, Jdrac und vielen anderen ganze Suiten
von Gruppen, Statuen nnd Bnsten, einen beträchtlichen
Teil davon in Marmor oder Bronze. Unter den
Gemälden sah man außer einzelnen Leistuugcn
älterer Kunst—wie Delacroix's berühmter „Tod
Sardanapals", ein mit gewaltiger Kraft komponirtes,
aber schenßlich gezeichnetes und in der Farbe buntes
nnd unerfrenliches Bild, Millets durch gewaltiges
Pathosergreifendes Bild „Der Tod und der Holzhauer"
nnd eine interessante Untermalung von Th. Rousseau
 
Annotationen