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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Frimmel, Theodor von: Die Gemälde der Ambraser Sammlung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0292

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Die Gemälde der Ambraser Sammlung in Wien.

felsige Seeküste mit eincm strandenden Schiss ist lcider
fast rettungslos verdorben und läßt hente nur mehr
sehr bedingungsweise eine Taufe zu. Jch vermute,
daß das sleidcr stellenwcisc auch noch ganz übermalte)
Bild von P. Schoubrouck gemalt ist. — Die Dar-
stelluug cines Reitergefechtes, die bci Waagen als V. d.
Menlen gilt, würde ich lieber für ein Werk des J a c.
Weyer oder eines verwandten minderwcrtigcn !
Schlachtenmalers ansehen. — Dic Hand des Marten j
v. Heemskcrk glaubc ich in cinem nnterlebenSgrvßen
sratzenhaften Antlitz zu erkennen (Nr. 56 bei Sacken
II, S. 68 als „Schule A. Dürcrs"). scheint,
daß eine Allegorie des Schweigens mit dcm kleincn
Bilde gemeint ist, da der Dargestellte dcn Zeigefinger
an den Mund gelegt hat. Eine Art Narrenkappe be-
dcckt das Haupt. (Auf Eichenholz.)

Unter den Jtalienern in der Ambraser Sammlung
dürfte der kleine heilige Hieronymus, der dcm Pe-
rugino zugeschrieben wird und der in der großen
Galerie seinen Platz finden soll, dem Kunstwert nach
die erste Stellc behauptcn. Von größerem kunst-
geschichtlichen Jntcresse ist aber das cim sog. Stamm-
baumsaal befindliche) Bildnis Kaisers Maximilian I.
von dem Mailänder Maler Ambrogio de Predis,
allbekannt durch Lermolieffs Bnch'). Meister Am-
brogio hat, wie man aus Maximilians Gedenkbüchern
schließen kann, mit dem Kaiser auch sonst in Ver-
bindnng gcstanden -). Andcrc Werke dieses Aialers >
nachzuweisen,fällt cinstweilcn schwer. Bode hat unlängst j
ein Bildnis der Bianca Maria Sforza, der zweiten Ge-
mahlin von Kaiser Max, dcm Ambrogio de Predis zu-
geschrieben,wovonich einstwcilcn nnr berichten kann,ohne
auf einzelnes kritisch einzngehen, da ich jenes Bildnis,
das sich im Privatbesitz zu Bcrlin befindct, nicht im Ori-
ginal gesehen habe. Über die Möglichkeit oder Wahr-
scheinlichkeit, daß in jenem Bianca-Bildnis dasjenige
erhalten sei, welches im Anonymus des Morelli er-
wähnt wird, habe ich an anderer Stelle zu schreiben,
wo auch von cinem anderen Porträt der Bianca
Maria ansführlich die Rede sein wird, das bis vor
knrzem in der Ambraser Sammlung (im Bureau)
aufbewahrt wurde.

Zwei Brnstbilder im Profil, die im Nusbo ar- j
tiskioo ninnioipalo zu Mailand hängen, scheinen mir
dieselbe Hand zu verratcn, wie das bezeichnete Bildnis
Maximilians in Wicn. Dic zwei Profilc in Mai-
land stcllcn dcn Herzvg Lodovico („U0U0VI60 O.
K.") und seine Gemahlin „Ublil'l'UIOU I). lll." vor.
Dic Schriften stehcn auf beidcn Tafeln links obcn

H Borher schon crwähnt bei Primisser S. 91 und bei
Sacken II, S. 14.

2) Vergl. „Jahrbuch der Kunsisammlungen d. A. H.
Kaiserhauses", V. Bd. Regest. 4020.

ini dnnklcn Grunde. Wären die Bildcr nicht ver-
rieben, so müßte als ein Unterschied von dem be-
zeichnctcn Wiener Bilde hervorgehoben werden, daß
die Karnation dvrt viel blässer ist als hier, wo ein
entschicdcnes Gelbbraun vorherrscht.

Das fcine, nberans svrgsam durchgebildete Prvfil
dcr Ambrosiana, das als Porträt der Bianca Maria
gegolten hat, auf Ambrvgio dc Predis zu beziehen,
geht dnrchaus nicht an. Denn das bezeichnete Bild
in Wicn läßt zwar viel Fleiß und gutcn Willen cr-
kcnnen, daneben aber auch eine gewisse Talentlosigkeit.

Viel künstlerischer aufgcfaßt ist unfern des Am-
brogiv de Predis Galeazzo Maria Sforza's Profil-
kopf, den nian am liebsten dem Ambrogio Borgo-
gnone zuschreiben möchte (Nr. 56). Das Bild ist an
drci Seitcn angestückclt, dann im Grund übermalt und
mit dem Namen des Dargestelltcn vcrsehen, der übri-
gcns nnch früher anf dcm Bilde gcstandcn haben dnrftc.
Denn eine kleine Kopie, die sich unter den zahlreichen
im Sammlnngsburcau aufbcwahrten Bildnissen be-
findet, ist, sehr wahrscheinlich noch vor der Anstücke-
lung hergestellt, weist aber trotzdcm die cntsprechenden
Jnschriften anf (Nr. 538). An dcm größeren Ori-
ginal ist alt und wohl erhalten der in blassen Tönen
mit braungrauen Schatten gemalte Kopf und der obcre
Teil des Harnisches. Mehr als eine Handbreite nach
nnten hin ist ergänzt. Die Vergrößerung der Bildfläche
ist an diescm Gemälde in der Weise vorgenommen
worden (wohl abcr vor langer Zeit, sicher nvch in
Ambras), daß von der Rückseite her eine Anstückelung
gar nicht zn bcmerken ist, die man doch an der Vordcr-
seite mit großer Bestimmtheit erkennt. Das diinne,
weiche Brettchen mit der alten Malerei ist nämlich
in ein von vorneher ausgehöhltes ncues Brett von vbcn-
her hineingeschoben. Deshalb kann man vom Holz
des alten Brettchens nur ganz wenig am oberen Qner-
schnitt des Bildes sehen. *)

Dieselbe Art der Anstückelnng fand ich an cincm
gutcn, vermutlich mailändischen Kopf (Nr. 51), der
anf dem später anfgemalten Grunde die Beneiliiung
des Dargestellten als Käiser Friedrich III. nusweist.
Die Richtigkeit dieser Benennung erscheint mir fraglich.

Unter den Gemäldcn deutscher Herkunft sind wenig
Originale. Der hübsche, wenn anch etwas verschwom-
mcn modcllirte Albrecht Altdvrfer (Heil. Familie)
wird in der großen Galerie zu sehen sein. Die ehe-
mals dem Dnrer zugeschriebenen Bilder haben dicsen
großen Namen nicht verdient nnd führen gegenwärtig
ein schr bescheidenes Dasein. Die Kopien nach Dürer,

1) Die Sache isi beachtensweri, weil ähnliche Fälle,
wcnn sie oberflächlich beirachtet werden, zu Täuschungen über
die Natur der Holzart Anlaß geben können.
 
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