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Der projektirte „Münchener Salon".
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Die Erwägung nun, daß eine öfter stattfindende
Vergleichung mit anderwärts entstandenen Arbeiten
nur fördernd auf die weitere Ansbildung des eigenen
Schaffens einwirken könne, hat dazu gefnhrt, nicht
bloß innerhalb aller vier oder fünf Jahre das
Ausland zur Beschickung einer größeren Aus-
stellung einzuladen, fondern außerdem dnrch jähr-
lich wiederkehrende Veranstaltungen dieser
Art ein reicheres Gedeihen der eigenen Bestrebungen
zu erzielen. Dabei machte sich denn freilich mehr wie
ein Gesichtspunkt geltend, welcher unbedingt für die
Sache sprach. Zunächst die Ausstellung und damit
die Absatzgelegenheit für die Münchener Künstler
selbst. Wohl haben wir einen Kunstverein; indessen
kann man diesem weder nachsagen, daß er alle Kreise
der Künstler gleichmäßig interesfire, noch ist die Zahl
seiner Besucher eine solche, daß man sagen könnte,
ganz München nehme teil daran. Außerdem ist die
Ausstellungsdauer für jedes neu eingelangte Kunst-
werk auf acht, höchstens vierzehn Tage bemessen,
innerhalb welcher Frist, das ist klar einleuchtend, dem
Künstler nicht jene Chancen geboten werden können,
wie das für den Verkauf seiner Arbeit bei einer
länger danernden Aufstellung der Fall ist. Die Ha-
bitues dieser Wochenausstellung sind auch, wie dies
wohl anderwärts der Fall ist, keine Käufer, sondern
meist namenlose Kunstfreunde, denen nichts serner liegt
als die Aufwendung von Geldmitteln sür künstlerische
Zwecke. Die Wahrscheinlichkeit des Verkaufes für den
Schaffenden nimmt im allgemeinen stets in jener
Jahreszeit zu, in der Reisende aus aller Herren Län-
dern die Musenstadt besuchen. Warnm also soll eine
solche Gelegenheit ungenützt vorübergehen? Zwar ist als
zweite Stätte, an der neue Arbeiten monatelang der
Ausstellung harren oder dieselbe durchmachen können,
die Lokalausstellung zu nennen. Doch ginge der meist
fehl, der sie als den vollendeten Ausdruck dessen deuten
wollte, was, von allen rührigen Händen geschaffen,
ein Bild von Münchens Arbeits- und Leistnngskraft
geben könnte. Und sucht schließlich ein Fremder den
eigentlichen Ausdruck, eine eigentliche Vorstellung vom
künstlerischen Leben in den Staatsgalerien, in der
königlichen neuen Pinakothek, nun so täuscht er sich,
wie allbekannt, da erst recht, denn Lücken von gähnen-
der Abgrundstiefe bezeichnen dort den Grad des Jn-
teresses, das während einer gewissen Zeit der öffent-
lichen Kunstpflege zugewandt wurde.
Viele tüchtige Arbeiten kommen in geringem
Maße oder gar nicht zur Geltnng, weil außer den
großen Ausstellungen keine Gelegenheit geboten ist,
mit denselben vor ein weites Forum treten, ihnen in
der öffentlichen Meinung jene Stellung anweisen zu
können, die sie verdienen. Paris hat seinen Salon,
Berlin die alljährlich wiederkehrende akademische Aus-
stellung, Wien seine Frühjahrsausstellung, warnm sollte
gerade München und seinen Künftlern die Möglichkeit
nicht geboten sein, das Gleiche zu haben, ohne daß des-
halb an der Jnstitution der in bestimmten Zeitab-
schnitten wiederkehrenden großen internationalen Schau-
stellungen gerüttelt würde? Und warum soll man
bei solcher Gelegenheit nicht jedem, der in den Wett-
bewerb mit eintreten will, die Thüren öffnen? Die
Tüchtigkeit des Geschaffenen wird da einzig und allein
in den Vordergrund treten, der Blick des Publikums
wird an Besseres und an das Beste gewöhnt werden,
die Arbeit eines jeden, der mit Anspannung aller
Kräfte an die Aufgabe, die er sich selbst gestellt, ging,
wird in erhöhterem Maße zur Geltung kommen, als es
bisher der Fall war, und dem Kaufenden, wie dem Ver-
kaufenden, wird endlich in vollkommnerem Maße das
geboten sein, wonach sich schon lange aller Wünsche
richten: die direkte Berührung zwischen beiden ohne
Mittelsperson, die sich bei solcher Gelegenheit goldene
Berge baut! Es wird keine Gruppirung nach Na-
tionalitäten mehr das in gewissen Punkten sich Ähnelnde
einzeln zusammenfassen, sondern in bunter Reihe, wie
eine Jury durch Abstufungsnoten, nicht durch einfaches
Annehmen oder Ablehnen, ihre Arbeit vollbrachte,
werden die Bilder zur Ausstellung gelangen und die
nämliche Jnry, welche dieser Pflicht genügte, wird auch
ihren Wahrspruch fällen, wenn es sich um Verleihung
von Auszeichnungen handelt. Die einmal erhaltene
Auszeichnung wird aber gleichzeitig nicht als Deck-
schild zn benützen sein, daß unter dem Glorienschein
einer solch einmaligen Errungenschaft später schwäch-
liche Arbeiten desselben Meisters, vielleicht sogar mit
erhöhter Prätention, auftreten können. Die bisherige
Gepflogenheit der persönlichen Einladungen, welche
den Eingeladenen dem llrteile des künstlerischen Ge-
richtshofes entzog, fällt weg, denn die Erfahrung hat
das gänzlich Mißliche dieser Einrichtung mehr als dent-
lich illustrirt. Maler werden nur über Werke der
Malerei, Bildhauer nur über solche der Plastik, Ar-
chitekten und graphische Künstler nur über die Werke
ihrer Kollegen richten und so ein eigentlicher Gerichts-
hof von Fachleuten gebildet werden, der, wesentlich
erweitert, den Anschauungen der verschiedensten Kreise
den weitesten Spielraum läßt nnd so jede Einseitig-
keit von vorneherein ausschließt, jede separatische
Machination durchkreuzt und gleiches Recht für alle
schafst.
Das waren im großen und ganzen die Über-
legungen, welche in der Generalversammlung der Mün-
chener Künstlergenossenschaft vom 16. November zur
Sprache kanien. Die Versammlung zählte nach Hun-
derten von Teilnehmern, nnd als nnn endlich der Kar-
Der projektirte „Münchener Salon".
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Die Erwägung nun, daß eine öfter stattfindende
Vergleichung mit anderwärts entstandenen Arbeiten
nur fördernd auf die weitere Ansbildung des eigenen
Schaffens einwirken könne, hat dazu gefnhrt, nicht
bloß innerhalb aller vier oder fünf Jahre das
Ausland zur Beschickung einer größeren Aus-
stellung einzuladen, fondern außerdem dnrch jähr-
lich wiederkehrende Veranstaltungen dieser
Art ein reicheres Gedeihen der eigenen Bestrebungen
zu erzielen. Dabei machte sich denn freilich mehr wie
ein Gesichtspunkt geltend, welcher unbedingt für die
Sache sprach. Zunächst die Ausstellung und damit
die Absatzgelegenheit für die Münchener Künstler
selbst. Wohl haben wir einen Kunstverein; indessen
kann man diesem weder nachsagen, daß er alle Kreise
der Künstler gleichmäßig interesfire, noch ist die Zahl
seiner Besucher eine solche, daß man sagen könnte,
ganz München nehme teil daran. Außerdem ist die
Ausstellungsdauer für jedes neu eingelangte Kunst-
werk auf acht, höchstens vierzehn Tage bemessen,
innerhalb welcher Frist, das ist klar einleuchtend, dem
Künstler nicht jene Chancen geboten werden können,
wie das für den Verkauf seiner Arbeit bei einer
länger danernden Aufstellung der Fall ist. Die Ha-
bitues dieser Wochenausstellung sind auch, wie dies
wohl anderwärts der Fall ist, keine Käufer, sondern
meist namenlose Kunstfreunde, denen nichts serner liegt
als die Aufwendung von Geldmitteln sür künstlerische
Zwecke. Die Wahrscheinlichkeit des Verkaufes für den
Schaffenden nimmt im allgemeinen stets in jener
Jahreszeit zu, in der Reisende aus aller Herren Län-
dern die Musenstadt besuchen. Warnm also soll eine
solche Gelegenheit ungenützt vorübergehen? Zwar ist als
zweite Stätte, an der neue Arbeiten monatelang der
Ausstellung harren oder dieselbe durchmachen können,
die Lokalausstellung zu nennen. Doch ginge der meist
fehl, der sie als den vollendeten Ausdruck dessen deuten
wollte, was, von allen rührigen Händen geschaffen,
ein Bild von Münchens Arbeits- und Leistnngskraft
geben könnte. Und sucht schließlich ein Fremder den
eigentlichen Ausdruck, eine eigentliche Vorstellung vom
künstlerischen Leben in den Staatsgalerien, in der
königlichen neuen Pinakothek, nun so täuscht er sich,
wie allbekannt, da erst recht, denn Lücken von gähnen-
der Abgrundstiefe bezeichnen dort den Grad des Jn-
teresses, das während einer gewissen Zeit der öffent-
lichen Kunstpflege zugewandt wurde.
Viele tüchtige Arbeiten kommen in geringem
Maße oder gar nicht zur Geltnng, weil außer den
großen Ausstellungen keine Gelegenheit geboten ist,
mit denselben vor ein weites Forum treten, ihnen in
der öffentlichen Meinung jene Stellung anweisen zu
können, die sie verdienen. Paris hat seinen Salon,
Berlin die alljährlich wiederkehrende akademische Aus-
stellung, Wien seine Frühjahrsausstellung, warnm sollte
gerade München und seinen Künftlern die Möglichkeit
nicht geboten sein, das Gleiche zu haben, ohne daß des-
halb an der Jnstitution der in bestimmten Zeitab-
schnitten wiederkehrenden großen internationalen Schau-
stellungen gerüttelt würde? Und warum soll man
bei solcher Gelegenheit nicht jedem, der in den Wett-
bewerb mit eintreten will, die Thüren öffnen? Die
Tüchtigkeit des Geschaffenen wird da einzig und allein
in den Vordergrund treten, der Blick des Publikums
wird an Besseres und an das Beste gewöhnt werden,
die Arbeit eines jeden, der mit Anspannung aller
Kräfte an die Aufgabe, die er sich selbst gestellt, ging,
wird in erhöhterem Maße zur Geltung kommen, als es
bisher der Fall war, und dem Kaufenden, wie dem Ver-
kaufenden, wird endlich in vollkommnerem Maße das
geboten sein, wonach sich schon lange aller Wünsche
richten: die direkte Berührung zwischen beiden ohne
Mittelsperson, die sich bei solcher Gelegenheit goldene
Berge baut! Es wird keine Gruppirung nach Na-
tionalitäten mehr das in gewissen Punkten sich Ähnelnde
einzeln zusammenfassen, sondern in bunter Reihe, wie
eine Jury durch Abstufungsnoten, nicht durch einfaches
Annehmen oder Ablehnen, ihre Arbeit vollbrachte,
werden die Bilder zur Ausstellung gelangen und die
nämliche Jnry, welche dieser Pflicht genügte, wird auch
ihren Wahrspruch fällen, wenn es sich um Verleihung
von Auszeichnungen handelt. Die einmal erhaltene
Auszeichnung wird aber gleichzeitig nicht als Deck-
schild zn benützen sein, daß unter dem Glorienschein
einer solch einmaligen Errungenschaft später schwäch-
liche Arbeiten desselben Meisters, vielleicht sogar mit
erhöhter Prätention, auftreten können. Die bisherige
Gepflogenheit der persönlichen Einladungen, welche
den Eingeladenen dem llrteile des künstlerischen Ge-
richtshofes entzog, fällt weg, denn die Erfahrung hat
das gänzlich Mißliche dieser Einrichtung mehr als dent-
lich illustrirt. Maler werden nur über Werke der
Malerei, Bildhauer nur über solche der Plastik, Ar-
chitekten und graphische Künstler nur über die Werke
ihrer Kollegen richten und so ein eigentlicher Gerichts-
hof von Fachleuten gebildet werden, der, wesentlich
erweitert, den Anschauungen der verschiedensten Kreise
den weitesten Spielraum läßt nnd so jede Einseitig-
keit von vorneherein ausschließt, jede separatische
Machination durchkreuzt und gleiches Recht für alle
schafst.
Das waren im großen und ganzen die Über-
legungen, welche in der Generalversammlung der Mün-
chener Künstlergenossenschaft vom 16. November zur
Sprache kanien. Die Versammlung zählte nach Hun-
derten von Teilnehmern, nnd als nnn endlich der Kar-