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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Die Märzausstellungen der Düsseldorfer Künstler, [2]
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Die Märzausstellungen der Düsseldorfer Künstler.

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/-wischen den Farben heraus, — es sind die Kämpfe
um die Herrschaft der neuen Ausdrucksmittel. Hier
sah man, dass die Helden streiten, während die
Schildträger dabei stehen und wenigstens mit den
Waffen vernehmbar mitrasseln. Und dabei feierten
noch mehrere Kämpen, z. B. Arthur Kampf. Auch
Heichert, Frenz und andere waren nicht auf die Arena
gekommen und Rocholl gab nur eine Olskizze, die
das Thema von den „Nürnbergern, die keinen hängen
ehe sie ihn haben" (ein früheres Aquarell, wenn ich
mich recht entsinne) insofern variirt, als der kühne
Springer mit dem weißen Gaul diesmal ein Franz-
mann ist, während der preußische Ulan mit der
Lanze nach ihm sticht. Man sieht es der Situation
an, wie „unbeliebt" unsere Lanzenreiter sich anno
70 gemacht haben. Im figürlichen Genrebild waren
Carl Sohn, Wilhelm Süs („Musizirender Pan"), Carl
Mücke („Belauscht", holländisches Interieur), Fried-
rieh Schnitzler („Im Trödlerladen" und „Ruhestünd-
chen", beides sehr malerisch behandelt), Max Volk-
hart mit einem breiter als gewöhnlich gemalten
„Fähnrich" und Fred. Vexin mit Saloninterieurs bei
Lampenbeleuchtung vertreten. Rob. Engels hat vor
einem grüner als grünen Hintergrund zwei Figuren
mit gänzlich unmotivirten röter als roten Gesichtern
verbrochen. Vollends das Kind scheint das Schar-
lachfieber schon im höchsten Stadium zu haben. Im
Porträt haben besonders Walter Petersen (Damen-
Pastellporträt), Emil Schwabe (Selbstporträt in Kohle
und Kreide), der junge talentirte Ludwig Keller und
Frl. Paula Monjc mit einem sehr ähnlichen, intelli-
gent aufgefassten, breit gemalten Bildnis des Schrift-
stellers Henoumont Tüchtiges geleistet. In dieser
Branche wie überhaupt im Figürlichen sind die „frei
Vereinigten" den Alten entschieden „über". Über
W. Spatz, der verschiedene Arbeiten religiösen In-
halts von mehr ernstem als gesundem Streben zur
Ansicht gebracht hatte, lässt sich noch kein halbwegs
endgültiges Facit ziehen. Das bedeutendste und in-
teressanteste der vier Bilder ist: „Kommet her zu
mir alle, die ihr mühselig und beladen seid." Es
steckt ein kolossal ernstes Stück Künstlertum darin.
Die schon früher bemerkbare Begabung für see-
lischen Ausdruck bekundete sich wieder in mehreren
wunderschönen und tiefempfundenen Köpfen. Aber
die Komposition ist nicht glücklich, nicht aus einem
einheitlichen verständlichen Guss. Das Ganze hat
etwas Gesuchtes, Ergrübeltes. Und das ist, wie auch
bei Uhde, meines Erachtens ein Hindernis für die
direkte Übertragung religiösen Empfindens, welches
nur aus wirklich naiver Ursprünglichkeit heraus zu

wirken vermag. Unsere Zeit fühlt eben nicht mehr
naiv, wie die Alten, und ich glaube kaum, dass das
religiöse Gefühl im Volke auf diesem Wege wieder
neu getränkt und erfrischt werden kann. Wenn die
Gruppe rechts, wo der Mann (Christus ist hier, und
das halte ich für sehr richtig, ohne Heiligenschein
dargestellt) vornüber geneigt das niedergesunkene
Weib tröstet, nicht so hellmatt wirkte, wäre das
kompositionelle Gegengewicht gegen die linke Gruppe
weit stärker und man empfände auch nicht so den
langen störenden Zwischenraum. Man soll vom ge-
läuterten, aufgeklärten Gesichtspunkt aus das rein
Menschliche, das Göttliche im Menschen Christus
zum Bewusstsein zu bringen suchen, und das, glaube
ich, ist auch des Malers Empfindung gewesen. Daher
fehlt der Heiligenschein. Aber noch macht das Bild
keinen widerspruchslosen, klaren Eindruck, dazu ist
eben die Persönlichkeit Christi zu unbedeutend, zu
flau und lässt allerlei unklare Vorstellungen zu. Dem
kalauernden Berliner Lokalwitz sind noch allerhand
Thüren und Thore offen gelassen. Dass vom Er-
habenen zum Lächerlichen den einen gefährlichen
Schritt nur das größte Talent zu vermeiden vermag,
sollte noch „Werdende" mit Vorsicht erfüllen. Dazu
kommt, dass das Reizvolle, was bei Spatz in der
Zeichnung liegt, durch das oft ins Nüchterne fallende,
kalt-violette Kolorit wesentlich beeinträchtigt wird.

Die Marine war durch Carl Becker, Erwin Günter
(Wendling fehlt), German Grobe, Petersen Flensburg,
Heinrich Heimes und Louis Herzog vertreten. Letz-
terer zeigte sich hier von einer neuen Seite. Die
„Auswanderer" (Blick von der Kommandobrücke eines
Ozeandampfers auf das Vorderdeck, mit zahlreichen
impressionistischen Figuren, bei dunkler Abendstim-
mung), gefiel mir besser, als das zweite, sehr kühn
gespachtelte helle Bild „Pescatori". Vor der in
greller Beleuchtung brandenden See sind Fischer
mit dem Bergen eines Bootes beschäftigt. Ein starkes
Talent ist auch hier fühlbar und auf größere Ent-
fernung ist die Wirkung nicht zu leugnen, aber es
wirkt bei aller Kühnheit noch unsicher und schwer.
Herzog hat schon Fertigeres, Besseres geliefert. Carl
Beclcer's „Sturzsee" scheint mir zweifellos die beste
Marine der Ausstellung. Frische, kräftige Salzluft
weht einem daraus entgegen. Die Schiffszeichnung
(im Vordergrund das Deck eines Seglers mit Figu-
ren) ist sicher und breit behandelt, alles feucht,
glitzernd und lichtvoll. Auch die kleine Studie von
der Meeres welle ist fein getönt. Günters: „Valley
of the rocks" (Devonshire), eine Brandung an fel-
siger Küste, scheint gegen seine letzten Arbeiten
 
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