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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Hofmann, Albert: Nordböhmische Kunstindustrien, [4,2]: die nordböhmische Hohlglasindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0027

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NORDBÖHMISCHE KUNSTINDUSTRIEN.

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Kittel und Rautenstrauch bald nicht mehr die ein-
zigen „GlasVerleger" blieben, sondern sich bald eine
ganze Gruppe von Glashändlern bildete. Mit der
Zunahme der Konkurrenz traten aber auch Übel-
stände aller Art ein, was zur Folge hatte, dass im
Jahre 1715 in Bezug auf die Glasgeschiifte, Glas-
preise und über die beim Glashandel einzuhaltenden
Vorschriften Statuten aufgesetzt wurden. Da die-
selben aber nicht eingehalten wurden, so suchten
sich Rautenstrauch und einige andere Glashändler
mit glücklichstein Erfolge ein neues Absatzgebiet in
Spanien. Cadiz, der damalige Stapelplatz des Han-
dels nach dem spanischen Amerika, bot eine reiche
Absatzcpielle. Im Frühjahre jeden Jahres gingen
grosse Sendungen nach Cadiz, welche hier entweder
für die überseeischen Länder eingeschifft wurden,
oder aber nach dem Hauptsitze des spanischen
Binnenhandels, nach Sevilla abgingen. Feste Nieder-
lassungen und Gründungen von Faktoreien fanden
erst im 4. Jahrzehnt des 18. Jahrb. sowohl in Cadiz
wie in Konstantinopel und Smyrna statt. Haida
und Umgebung importirte hauptsächlich nach Spanien
Steinschönau und Pärchen vorwiegend nach der
Türkei.

Aus der Reisebeschreibung des deutschböhmi-
schen Glasschneiders, -Stechers und -Malers, Georg
Franz Kreybich, geboren und gestorben zu Stein-
schönau (1662—1736) geht hervor, wie weit gereist
damals die böhmischen Glashändler waren. (Siehe
Kreybichs Handschrift sowie die Mitth. d. Vereines
für Gesch. d. Deutschen in Böhmen VIII. p. 220. Prag,
1870) Mit dem Schubkarren durchreiste Kreybich
mit Glas Bayern, Salzburg, Krain und Kärnten.
Nachdem er in Kreibitz Meister geworden, durch-
streift er ganz Norddeutschland, Brandenburg, Berlin,
KüStrin, Stettin etc. und geht zur See bis Riga in
Livland, von da nachReval, Narwa und wieder zurück
nach Dorpat, Riga, Memel und durch Preussen über
das kurische Haff. Von Danzig geht die Reise dann
über Thorn, Graudenz und Breslau nach Hause.
Die vierte Reise im Jahre 1688 geht mit einem
Wagen durch Sachsen, Lüneburg nach Hamburg
und von da nach London. In London sassen sie sechs
Wochen, „ehe wir ein Stück verkaufet, denn es
waren damals sechs Glashütten in der Stadt und
machten schöner Glas, als wir hineinbrachten, nur
dass unseres geschnitten und gemalt war, und es
war noch kein solches Glas hineingekommen, wir
waren die ersten. Als wir uns vorgenommen, wie-
derumb von London weiter in Irland und Schottland
zu reisen, so kam Einer und sagte, er wolle schauen,
Konstgewerlieblatt. N. F. I.

dass er die Glase möchte beim Hof anbringen, als-
dann würden die anderen Leut auch anfangen zu
kaufen, wie es auch geschehen und haben sich
zuletzt die „Winklirs" drum geschlagen und Alles
gekaufet". Hier ist die Bemerkung Kreybichs von
Bedeutung, dass London im Jahre 1688 schon die
böhmischen Fabrikate übertreffende Glaswaren be-
sass, dass Kreybich aber der erste war, der gemaltes,
geschliffenes und geschnittenes Glas in England ein-
führte, das dort noch ganz unbekannt war. Spätere
Reisen Kreybichs gehen nach Dänemark, Schweden,
Norwegen, Ungarn, Russland, Polen, Konstantinopel.
Kreybich schildert, dass „bis darnach seien etliche
über Archangel hineingereist und ist viel hundert
Tausend Glas hineingeführt worden und in der Erst
wollten sie nicht kaufen, es ist zwar in allen Län-
dern in der Erst so gewesen, allwo ich gewesen, in
Livland. in Schweden, in Dänemark, in England,
in Holland, in Preussen, in Kurland, in Polen, in
Litthauen, in Ungarn, in Siebenbürgen, in der Wal-
lachei, Türkei, in Moldau und aller Orten hat es in
der Erst wenig gekauft, aber besser bezahlt worden".
Als der in Gabionz ältest bekannte Hohlglas-
händler ist der 1738 geborene Franz Schwan zu
nennen, der 1761 sein Exportgeschäft begründete,
das bis 1808 bestand, aber durch die Wirkungen der
napoleonischen Kriege zu Grunde ging. Der Um-
fang seines Geschäftes war ein sehr bedeutender,
denn am Anfang konnte .er Firmen in Prag, Wien,
Nürnberg, Augsburg. Mittenwald, Regensburg,
Leipzig, Piacenza, Landeck, Strassburg, Frankfurt,
Offenbach etc. zu seinen Kunden nennen. Sein
Sohn, Franz Wenzel Schwan konnte vier Sprachen,
bereiste Deutschland und Italien und gründete wahr-
scheinlich in Porto Valtravaglio und Piacenza Nie-
derlagen, da er an diesen Orten längeren Aufenthalt
nahm. Johann Georg Hansel aus Rodowitz, f 1834
in Amsterdam, hat an dem Aufblühen des böh-
mischen Glashandels hervorragenden Anteil ge-
nommen. Amsterdam war zu jener Zeit ein Haupt-
stapelplatz für böhmische Glas waren. Seine Bedeutung
geht auf viele Jahrzehnte zurück. In einer Amster-
damer Rechnung von 1769 werden Glashandlungen
nach Batavia, Ceylon und Surinam, sowie nach
St. Eustatius angeführt. Der böhmische Glashandel
verschmähte auch nicht, fremdes Glas zu beziehen
und es wieder auf den Markt zu bringen. So wurde
von London und Stourbridge englisches Glas bezogen.
Häufig wurde fremdes Glas in Böhmen geschliffen
und dann nach Amsterdam verbracht. So wird in
dem Inventar einer Amsterdamer Glaskompagnie-

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