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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 3.1892

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Scherer, Christian: Bemerkungen über Modelleure der Fürstenberger Porzellanmanufaktur und ihre Modelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.4888#0041

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FURSTENBERGER PORZELLANMANUFAKTUR.

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wir überall in der Porzellanplastik des 18. Jahr-
hunderts begegnen.

Unter solchen Umständen kann es nicht Wun-
der nehmen, wenn auch die Modelleure Fürstenbergs,
dem Beispiele ihrer Kollegen an anderen Fabriken
folgend, ihre Zuflucht zu den Gemälden und Stichen
der Meister ihrer Zeit nehmen. Die Fabrik befand
sich selbst im Besitze einer umfangreichen Samm-
lung von Kupferstichen, über welche im Oktober 1770
von einem gewissen Kohl ein Inventar aufgenommen
wurde. Es geschah dies, kurz bevor infolge einer
landesherrlichen Verordnung die Werkstätte für
Buntmalerei von Fürsten-

berg nach Braunschweig vf^^ttÜ^^^^^

verlegt wurde, wobei zu- -^lltlllll
gleich die bisher dort be-
findlich gewesenen Stiche,
welche auf Kosten der
Fabrik angeschafft worden
waren, mit Ausnahme we-
niger Stücke ebendahin ab-
gegeben werden mussten.
In diesem Inventar werden
u. a. Landschaften von
Weirotter, Gessner, Zucca-
relli und Weitsch, Figuren-
stücke von Nilson,Boucher
und Eisen sowie Blumen-
stücke von Tessier ge-
nannt, und wenn auch alle
diese Stiche in erster Linie
als Vorlagen für die Maler
gedient haben mögen, so
dürften sie doch auch,
wie uns mannigfache Bei-
spiele beweisen, den Mo-
delleuren reic hen Stoff zu
ihren Werken geboten ha-
ben. So werden z. B. in dem schon erwähnten Formen-
buche unter den Modellen des Jahres 1772 mit der
Bemerkung „nach Kupfer poussirt" „Zwei alt Teusche
Soldaten mit ein Schachspiel" genannt. Die hier ge-
meinte Gruppe befindet sich in der Sammlung des
herzogl. Museums. Es sind zwei theatralisch aufge-
putzte Männer in einem an die Tracht der Urgermanen
erinnernden Kostüm, die an einem Tische einander
gegenübersitzen und — ein etwas kühner Anachronis-
mus — Schach spielen. Die im Buche beigefügte Be-
merkung kann nur so gedeutet werden, dass die Gruppe
nach einem Kupferstich modellirt ist; der Name des
Stechers ist nicht genannt und bleibt zu erraten.

Kunstgewerbeblatt. N. F. III.

Andromeda. Fürstenberger Porzellan

Ein besonders schönes und charakteristisches
Beispiel für die Art der Benutzung solcher Vorlagen
ist die Figur einer Andromeda im herzogl. Museum
(s. Abbild.). Die 0,285 hohe Gestalt der Heroine, welche
nackt ist bis auf ein dunkel violettes Gewand, das
durch ein schmales Band am linken Oberarm gehalten
mit einem Zipfel den Schoß bedeckt und den
Rücken entlang über einen Felsblock fallend einen
wirksamen Hintergrund für den nackten, rosigen
Körper bildet, ist mit dem linken Arm und rechten
Fußgelenk am Felsen angeschmiedet und in energi-
scher Seitwärtsbewegung bemüht, sich von den

ehernen Fesseln zu be-
freien. Der Kopf mit einer
Perlenschnur im bräun-
lichen gelockten Haar wen-
det sich in leidenschaft-
licher Erregung nach links,
während die Rechte wie ab-
wehrend gegen das Unge-
heuer ausgestreckt ist, das
als soeben aus dem Meere
hervortauchend vorauszu -
setzen ist. Die Bewegung
der Figur ist lebendig, voll
Rhythmus und Energie,
der Körper mit den schön
geschwungenen Umrissen
sorgfältig und fein model-
lirt, und doch ist nicht zu
verkennen, dass die ganze
Gestalt eine gewisse thea-
tralische, rein auf eine
äußere Wirkung berech-
nete Haltung zur Schau
trägt. Obwohl auf den
ersten Blick aus sich allein
erkennbar und keiner wei-
teren Deutung bedürftig, regt diese Andromeda
doch unwillkürlich die Vermutung an, dass sie als
Einzelfigur von vornherein nicht beabsichtigt war,
sondern einer größeren Komposition entnommen zu
sein scheint. Zu meiner Freude fand ich dieselbe
nach längerem Suchen in dem Stiche von L. Cars
(1699—1771) nach einem Gemälde des Francois
Lemoine (1688 — 1737), welches die Befreiung der
Andromeda durch Perseus darstellt. Wir erblicken
hier Andromeda genau in derselben Lage wie in
unserer Gruppe; links neben ihr taucht das Unge-
heuer aus den Fluten, welches der aus der Luft her-
niederschwebende Perseus mit Harpe und Gorgonen-

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