Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 3.1892

DOI Artikel:
Haendcke, Berthold: Die Schnitzlerschule in Brienz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4888#0138

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
OOOOOOOOOC OOOOOOOO oooo

OOOOOAOOOOQ

O O O O O O O OOOOOOOO o o o o o o o

Entworfen von M.( E. Beck in Herrnhut.

DIE SCHNITZLERSCHULE IN BRIENZ.

VON B. HAENDGKE.
MIT ABBILDUNGEN.

in jeder, der einmal durch
die Schweiz, besonders durch
das Berner Oberland gereist
ist, wird die auf Schritt und
Tritt angebotenen Schnitze-
reien zum Teil mit Freude
ob der natürlichen Geschick-
lichkeit der Arbeiten, zum
weitaus geringerem Teile mit einem gewissen künst-
lerischen Genüsse und endlich die größte Partie der-
selben mit einem gelindem Entsetzen über die Roh-
heit der Ausführung betrachten. Diese Zustände zu
bessern resp. zu kräftigen ist vor einigen Jahren in
Brienz am Brienzersee eine Schnitzlerschule gegründet
worden. Der Abschnitt I des Programmes sagt über
den Zweck der Schule kurz und bündig: „Die Schnitz-
lerschule — hatdenZweck, die in sie eintretenden Jüng-
linge durch einen methodischen, sowohl theoretischen,
als praktischen Unterricht zu tüchtigen Schnitzlern
heranzubilden". Über die Mittel, durch welche man
die Absicht erreichen will, giebt Abschnitt II Aus-
kunft: „Die Schule zerfällt in zwei Abteilungen
welche sind a) die Zeichnungs- und Modellirschule b)
die praktische Schnitzlerschule".

Die eintretenden jungen Leute sind durchschnitt-
lich eben aus der Schule entlassen, doch zählt die
Anstalt auch manchen bereits praktisch thätig ge-
wesenen Schnitzler, der eine weitere Ausbildung
sucht. In besonderen Kursen werden sogar die in
andern Geschäften Angestellten weiter gefördert. Um
Ärmeren den Besuch der Schule zu ermöglichen, zahlt
jeder beim Eintritte 10 Franken und erhält dafür Holz,
Lehr- und Zeichnungsmaterial gratis, sowie vom

Kunstgewerbeblatt. N. F. III.

zweiten Lehrjahre an die Hälfte des Ertrages von den
verkauften Gegenständen. Der Unterricht im Zeich-
nen, Modelliren wie Schnitzeln findet neben einan-
der statt, derartig, dass das letztere besonders be-
tont wird. Beim Unterrichte im Schnitzeln wird
in der Weise verfahren, dass der zu schneidende
Gegenstand gezeichnet und modellirt wird. In dem
ersten Jahre müssen zwanzig Nummern durchge-
arbeitet werden. Das einfache Kreuz, das ein-
fache Blatt sind die ersten Vorlagen. Die Steige-
rung ist eine sehr allmähliche, doch geht sie immer-
hin in dem einem Jahre so schnell voran, dass der
Schüler am Schlüsse dieser ersten Lehrzeit ein zartes
Ornament (stilisirte Blume mit Ranken) im Ge-
schmacke der Frührenaissance zeichnen, modelliren
und schnitzeln kann. Von nun an teilen sich die
Unterrichtsfächer in Ornamentik mit menschlichen
Figuren und in die reine Tierschnitzlerei. Daneben
giebt es allerdings auch einzelne Schüler, die die
reine Ornamentik einzig betreiben. Bezüglich des
Unterrichtes im Modelliren und Schnitzeln der Tiere,
wie Menschen — diese kommen nur in der Form
von Büsten und Amoretten und dergl. zur Verwen-
dung— ist hervorzuheben, dass ganz besonders da-
rauf geachtet wird, dem Schüler die Grundform des
betreffenden Tieres resp. eines Teiles desselben vor
Augen zu führen. Deshalb muss der Lehrling im >
Anfange stets zuerst die ganz rohen Umrisse eines
Kopfes um ein Beispiel zu nehmen, sauber schnitzeln,
dann die hauptsächlichsten Charakteristika hinzu-
fügen und endlich die feineren Details. Es ist zu
bedauern, dass in der Anstalt nicht auch das lebende
Modell in ausgiebiger Weise verwertet wird. Ein

17
 
Annotationen