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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 3.1892

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Buss, Georg: Der Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für Rudolf Virchow
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https://doi.org/10.11588/diglit.4888#0047

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Oberlichtgitter vom Zeughause zu Kassel. Aufnahme von L. Hotzfeld.

DER EHRENBÜRGERBRIEF DER STADT BERLIN FÜR

RUDOLF VIRCHOW.

u den hervorragenden Ehren-
bezeugungen , welche Prof.
Rudolf Virchow aus Anlass
seines siebzigsten Geburts-
tages erwiesen worden sind,
gehört die Erteilung des Eh-
renbürgerrechtes der deut-
schen Reichshauptstadt, in
welcher der Gefeierte ein Menschenalter gewirkt
und geschafft hat. Altem Brauche gemäß wurde
diese Ehrenbezeugung auf Pergament, welches
Künstlerhand mit figuralem und ornamentalem
Schmucke sinnreich geziert hate, niedergeschrieben
und diese Urkunde dem verdienstvollen Manne in
einem dauerhaften und reichgeschmückten Einbände
als Huldigungsgabe feierlichst überreicht

Mit der Ausführung des Ehrenbürgerbriefes
und mit dem Entwürfe des zugehörigen Einbandes
war Prof. Döpler d. j. betraut worden, der, wie be-
kannt, seine Meisterschaft schon in zahlreichen Ar-
beiten ähnlicher Art bekundet hat. Der Künstler
besitzt eine besondere Gabe, solchen Urkunden und
Diplomen bei aller Grazie und Schönheit ein wür-
diges, schier monumentales und feierliches Gepräge
mit reichem, gedanklichem Inhalte passendster Form
zu verleihen — ein Gepräge, aus welchem es echt

Kunstgewerbeblatt. N. F. III.

deutsch und gemütvoll anmutet. Auch in diesem
Ehrenbürgerbriefe fesselt er durch Eigenart und
Schönheit der Komposition und die Kraft seines
malerischen, in Gouachefarben erfolgten Vortrages.
Auf hohem Stufenunterbau erhebt sich vor
der Nische einer säulengetragenen Palastarchitektur
die mit Lorbeergewinden umkränzte Büste Virchow's,
beleuchtet von den goldenen Strahlen der Sonne,
welche aus des Himmels Gewölk siegreich hervor-
gebrochen ist. Hinter der wohlgetroffenen Büste
schwebt mit ausgebreiteten Fittigen und malerisch
flatternden Gewandmassen die edle Idealgestalt des
Ruhmes, im Begriffe, dem Gelehrten den wohlver-
dienten Kranz aufs Haupt zu setzen. Zu beiden
Seiten des Postaments haben sich allegorische Ge-
stalten niedergelassen: links, mit schönem Wurfe des
Gewandes und mit der ehernen Tafel, jene der Ge-
schichte, rechts jene männlich-kräftige des heilbrin-
genden Äskulap und jene sanftere der Hygieia.
Aus einer Seitennische schaut die Marmorstatue des
Demosthenes hervor — ein Hinweis auf Virchow's
oratorische Erfolge. Huldigend hat sich mit flattern-
den Fahnen und Kränzen das Volk genaht, personi-
fizirt durch Angehörige verschiedener Stände: durch
den kräftigen Arbeiter, der den Spaten führt, durch
den Künstler, der seine Entwürfe unter dem Arme

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