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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 3.1892

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Haendcke, Berthold: Die Schnitzlerschule in Brienz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4888#0139

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DIE SCHNITZLERSCHULE IN BRIENZ.

paar Kaninchen, ein Hirsch, ein Reh, eine Ziege,
eine Gemse und einige Vögel wären immerhin zu
erwerhen und böten ein vorzügliches Schulmaterial.
Etwas entschädigt allerdings der durch den von Ju-
gend an gewöhnten Umgang mit den Tieren un-
willkürlich geschärfte Blick. Hinsichtlich des Hand-
werkszeuges sei noch bemerkt, dass der Schnitzler
in der Schule niemals ein
Messer, sondern stets nur
verschiedenfach geformte
Meißel benutzt.

Die Schnitzler wer-
den übrigens nicht nur
für Luxusartikel ausge-
bildet, sondern auch für
rein praktische Arbeiten
z. ß. für Möbelfüllungen.
Wer einmal die äußerst
liederliche Weise beach-
tet hat, mit der selbst
an teuren Möbeln die
Ornamentik behandelt
wird, kann es sicher nur
mit großer Freude begrü-
ßen, wenn auch in diesem
Punkte hier und da
Wandel geschafft wird.

DieBrienzer Schnitz-
lerschule ist schon heute
von großem Segen für die
schweizerischen Schnitz-
ler geworden. Einzelne
Arbeiten sind thatsäch-
lich von künstlerischem
Werte. Für die Ehren-
gabe zum Jubiläum des
Professor Ludwig in Leip-
zig lieferte die Brienzer
Schnitzlerschule, um ein
Beispiel anzuführen, die
in ihr Gebiet fallenden
Arbeiten. Auch aus dem
Auslande, z. B. Deutsch-
land und Osterreich, flie-
ßen dem Institute reichliche Bestellungen zu.

Wenn wir etwas bedauern, so ist es, dass so
gesunde Muster, wie sie der Kerbschnitt oder die
Bandverschlingungen bieten, fast gar nicht kultivirt
werden. Die Zeichenlehrer versuchen zwar das Or-
nament der Renaissance, des Rokoko, Louis XVI mit
dem Lande eigentümlichen Details z. B. Edelweiß

und Alpenrosen zu verbrämen und — wir gestehen
es gerne zu — nicht ohne Geschick, dennoch sollten
jene Vorlagen und auch die niederländischen Re-
naissance, Ornamente, welche dem Holzstile
besser als die rein italienischen angemessen sind,
stärker in den Vordergrund treten. Denn man mag
es drehen, wie man will, im allgemeinen bleibt es

doch zu Recht bestehen,
dass unsere „stilgetreuen"
italienischen Renaissance-
arbeiten steif und die im
Rokoko- etc. Geschmacke
gehaltenen kalt und ohne
graziösen Schwung sind.
Vielleicht lernt man es,
Leben in diese überlieferte
Formensprache zu brin-
gen, wenn man nicht mit
den „klassischen" Mu-
stern sondern mit den ein-
fachen Vorstufen beginnt
und aus diesen heraus
sich allmählich zu jenen
emporarbeitet.

Jedenfalls sind solche
Schulen, wie die von
Brienz äußerst wertvoll.
Es wird durch dieselben
eine Naturkunst erzogen,
veredelt. Wohl möchte
man wünschen, es möchte
deren noch mehr geben,
auch in Deutschland, wo-
selbst ja ebenfalls ganze
Distrikte der Schnitzlerei
sich befleißigen. Im
Schwarzwalde und in
Tirol führt gar mancher
das Messer. Uns sollte
es fast scheinen, dass
auch hier eine „Schnitz-
lerschule" gar wohl am
Platze wäre. Unzweifel-
haft würde es aber auch
in dieser Richtung möglich sein, dem National-
reichtume neue Quellen zu erschließen. Im Thü-
ringerwalde, auch wohl im Riesen gebirge etc. wäre
es sicher möglich und ratsam, die Bevölkerung für
das Schnitzeln zu gewinnen. Auch der Absatz würde
nicht fehlen; denn Thüringen wird bekanntlich
von vielen tausend Fremden im Sommer durch-

'a**äa*-________ : ^^-^

Holzschnitzerei aus Brienz.
 
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