130
DIE RHEINISCHE GLASHÜTTE ZU KÖLN-EHRENFELD.
hier in erfreulicher Weise befruchtend gewirkt. Alle
alten Techniken Venedigs sind zum Teil in vollen-
deter Weise zur Verwendung gekommen und na-
mentlich die bunten Fäden in den Stilen von über-
aus schöner Wirkung. Mit Recht hält sich Ehren-
feld von den wüsten und zum Teil geschmacklosen
Formen fern, die heute in Venedig oft unter Ver-
wendung von unpassendem Glas als moderne Er-
rungenschaften hergestellt werden.
Endlich sind in den letzten Jahren eine Anzahl
besonders großer Deckelpokale hergestellt bis zu 40
bis 50 cm Höhe, die in ihrer Ausgestaltung als
vollständige Kunstwerke zu betrachten sind. Die-
selben sind meist in weißem Glase mit aufgeschmol-
zenen Fädennetzen, gekniffenen Verzierungen in an-
dersfarbigem Glase, reich durchbrochenen Stielen
hergestellt. Einige zeigen frei gearbeitete Figuren:
Pferde, Widder und Delphine als Stiel und ähnliche
Figuren als Deckelgriffe. Sie haben meist als Ehren-
geschenke gedient und es dürfte sich hier ein neues
Gebiet für unsere heruntergekommenen Jubiläums -
geschenke eröffnen. Gegenüber den ewigen Tafel-
aufsätzen, Ehrenhumpen, den miserablen Silberpo-
kalen mit gestanzten Verzierungen, den Bronzehör-
nern, Alfenidebowlen und was sonst an sog. Ehren-
gaben bei allen möglichen Gelegenheiten dargebracht
wird, würde ein schöner Glaspokal in vollendeter
Durchführung mit prächtiger Gravirung als ein wahr-
haft fürstliches Geschenk erscheinen! In richtiger
Erkenntnis dessen hat vor kurzem die Loge dem
Herzog von Sachsen-Koburg ein prächtiges Logen-
glas in Rubin gestiftet, das getrost zwischen den
goldenen Ehrengeschenken des Tages wird bestehen
können.
Der Engländer sagt bekanntlich: Man erkennt
das vornehme Haus am Silber, Tischzeug, Porzellan
und Glas. Leider ist bei uns den modernen Kreisen
das Verständnis für die Richtigkeit dieses Ausspruchs
noch nicht aufgegangen: namentlich das moderne
Renaissancesilber ist von unglaublicher Geschmack-
losigkeit in den Verzierungen und Brutalität im Ge-
wicht, während das englische Silber von alters her
in einigen wenigen, ganz einfachen Formen sich er-
halten hat. Allenfalls legt man bei uns heute noch
Wert auf das Tafelgeschirr, zumal in den vor-
vortrefflichen englischen Halbporzellanen ein wirk-
lich schöner und billiger Tafelschmuck in außer-
ordentlicher Mannigfaltigkeit geboten wird; aber für
die Feinheit des Glases fehlt das Verständnis noch
gänzlich und man begnügt sich mit den rohesten
Arbeiten. Gerade auf diesem Gebiete hat nun Ehren-
feld eingegriffen und eine Anzahl reizender Muster
hergestellt. Service, wie das oben erwähnte BMar-
cus", in Venezianer Stil gehalten, und ein ganz
neues „Wilhelm", das von Sr. Majestät dem Kaiser
bei seiner Anwesenheit in Köln zum erstenmal be-
nutzt wurde, sollten, zumal auch die Zahl der For-
men weitreichenden Ansprüchen genügen, in unseren
wohlhabenden Häusern mehr als bisher Eingang
finden. Es ist eine ganz falsche Vorstellung, dass
man Krystallglas benutzen und doch feine Gläser
geschliffen sein müssen: im Gegenteil, die feinen
und zierlichen Formen wirken viel besser ohne Schliff,
und je feiner ein Glas, desto glänzender leuchtet der
edle Rebensaft darin. Jedenfalls bleibt Ehrenfeld
das Verdienst, auf dem Gebiete des Tafelgeschirrs
ganz neue Bahnen eingeschlagen und den Geschmack
so veredelt zu haben.
Unter allen Leistungen der Ehrenfelder Hütte
muss jedoch als die hervorragendste genannt wer-
den die Wiederauffindung und tadellose Herstellung
des Goldrubinglases. Die Kunst der Herstellung
dieser vielleicht vornehmsten Glasart wurde bekannt-
lich gegen Ende des 17. Jahrhunderts von dem
Hofalchimisten des Großen Kurfürsten Johann Kunkel
erfunden, nach ihm führen diese Gläser den Namen
Kunkelgläser. Dieselben zeigen bei jedem Stücke
— soweit überhaupt Glas lichtdurchlässig ist —
eine gleichmäßig tiefrote leuchtende Farbe.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging die Erfindung
Kunkels verloren. Man verstand nur das sog. Rubin-
schmelzglas herzustellen. Dieses Rubinschmelzglas
wird in dickeren Stücken schwärzlich oder ganz un-
durchsichtig und kann nur zur Emailmalerei, vor
allem aber zur Herstellung von Uberfangglas be-
nutzt werden. Dieses Uberfangglas, das namentlich
in der Glasmalerei Verwendung findet, wird derart
hergestellt, dass man weißes Glas auf einer Seite
mit einer dünnen Schicht Rubinschmelzglas über-
zieht und dadurch eine mehr rosa als tiefrote Farbe
erzielt. Alle dickeren Stellen erscheinen aber schwarz
und so mussten Henkel, Stiele, Knöpfe etc. aus wei-
ßem Glase angesetzt werden. Die Erfindung, das
Material in jeder Stärke durchsichtig herzustellen
und es unter allen Prozeduren zu verarbeiten, ist
das Verdienst der Ehrenfelder Hütte, speziell des
Direktors Rauter. Mit Recht erregte denn auch auf
der Ausstellung zu München 1888 die Vitrine von
Ehrenfeld großes Aufsehen und das Preisgericht er-
kannte die Medaille zu „für gelungene Herstellung
und Wiederaufnahme des in der Masse gefärbten
Rubinglases bei geschmackvoller Formengebung".
DIE RHEINISCHE GLASHÜTTE ZU KÖLN-EHRENFELD.
hier in erfreulicher Weise befruchtend gewirkt. Alle
alten Techniken Venedigs sind zum Teil in vollen-
deter Weise zur Verwendung gekommen und na-
mentlich die bunten Fäden in den Stilen von über-
aus schöner Wirkung. Mit Recht hält sich Ehren-
feld von den wüsten und zum Teil geschmacklosen
Formen fern, die heute in Venedig oft unter Ver-
wendung von unpassendem Glas als moderne Er-
rungenschaften hergestellt werden.
Endlich sind in den letzten Jahren eine Anzahl
besonders großer Deckelpokale hergestellt bis zu 40
bis 50 cm Höhe, die in ihrer Ausgestaltung als
vollständige Kunstwerke zu betrachten sind. Die-
selben sind meist in weißem Glase mit aufgeschmol-
zenen Fädennetzen, gekniffenen Verzierungen in an-
dersfarbigem Glase, reich durchbrochenen Stielen
hergestellt. Einige zeigen frei gearbeitete Figuren:
Pferde, Widder und Delphine als Stiel und ähnliche
Figuren als Deckelgriffe. Sie haben meist als Ehren-
geschenke gedient und es dürfte sich hier ein neues
Gebiet für unsere heruntergekommenen Jubiläums -
geschenke eröffnen. Gegenüber den ewigen Tafel-
aufsätzen, Ehrenhumpen, den miserablen Silberpo-
kalen mit gestanzten Verzierungen, den Bronzehör-
nern, Alfenidebowlen und was sonst an sog. Ehren-
gaben bei allen möglichen Gelegenheiten dargebracht
wird, würde ein schöner Glaspokal in vollendeter
Durchführung mit prächtiger Gravirung als ein wahr-
haft fürstliches Geschenk erscheinen! In richtiger
Erkenntnis dessen hat vor kurzem die Loge dem
Herzog von Sachsen-Koburg ein prächtiges Logen-
glas in Rubin gestiftet, das getrost zwischen den
goldenen Ehrengeschenken des Tages wird bestehen
können.
Der Engländer sagt bekanntlich: Man erkennt
das vornehme Haus am Silber, Tischzeug, Porzellan
und Glas. Leider ist bei uns den modernen Kreisen
das Verständnis für die Richtigkeit dieses Ausspruchs
noch nicht aufgegangen: namentlich das moderne
Renaissancesilber ist von unglaublicher Geschmack-
losigkeit in den Verzierungen und Brutalität im Ge-
wicht, während das englische Silber von alters her
in einigen wenigen, ganz einfachen Formen sich er-
halten hat. Allenfalls legt man bei uns heute noch
Wert auf das Tafelgeschirr, zumal in den vor-
vortrefflichen englischen Halbporzellanen ein wirk-
lich schöner und billiger Tafelschmuck in außer-
ordentlicher Mannigfaltigkeit geboten wird; aber für
die Feinheit des Glases fehlt das Verständnis noch
gänzlich und man begnügt sich mit den rohesten
Arbeiten. Gerade auf diesem Gebiete hat nun Ehren-
feld eingegriffen und eine Anzahl reizender Muster
hergestellt. Service, wie das oben erwähnte BMar-
cus", in Venezianer Stil gehalten, und ein ganz
neues „Wilhelm", das von Sr. Majestät dem Kaiser
bei seiner Anwesenheit in Köln zum erstenmal be-
nutzt wurde, sollten, zumal auch die Zahl der For-
men weitreichenden Ansprüchen genügen, in unseren
wohlhabenden Häusern mehr als bisher Eingang
finden. Es ist eine ganz falsche Vorstellung, dass
man Krystallglas benutzen und doch feine Gläser
geschliffen sein müssen: im Gegenteil, die feinen
und zierlichen Formen wirken viel besser ohne Schliff,
und je feiner ein Glas, desto glänzender leuchtet der
edle Rebensaft darin. Jedenfalls bleibt Ehrenfeld
das Verdienst, auf dem Gebiete des Tafelgeschirrs
ganz neue Bahnen eingeschlagen und den Geschmack
so veredelt zu haben.
Unter allen Leistungen der Ehrenfelder Hütte
muss jedoch als die hervorragendste genannt wer-
den die Wiederauffindung und tadellose Herstellung
des Goldrubinglases. Die Kunst der Herstellung
dieser vielleicht vornehmsten Glasart wurde bekannt-
lich gegen Ende des 17. Jahrhunderts von dem
Hofalchimisten des Großen Kurfürsten Johann Kunkel
erfunden, nach ihm führen diese Gläser den Namen
Kunkelgläser. Dieselben zeigen bei jedem Stücke
— soweit überhaupt Glas lichtdurchlässig ist —
eine gleichmäßig tiefrote leuchtende Farbe.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging die Erfindung
Kunkels verloren. Man verstand nur das sog. Rubin-
schmelzglas herzustellen. Dieses Rubinschmelzglas
wird in dickeren Stücken schwärzlich oder ganz un-
durchsichtig und kann nur zur Emailmalerei, vor
allem aber zur Herstellung von Uberfangglas be-
nutzt werden. Dieses Uberfangglas, das namentlich
in der Glasmalerei Verwendung findet, wird derart
hergestellt, dass man weißes Glas auf einer Seite
mit einer dünnen Schicht Rubinschmelzglas über-
zieht und dadurch eine mehr rosa als tiefrote Farbe
erzielt. Alle dickeren Stellen erscheinen aber schwarz
und so mussten Henkel, Stiele, Knöpfe etc. aus wei-
ßem Glase angesetzt werden. Die Erfindung, das
Material in jeder Stärke durchsichtig herzustellen
und es unter allen Prozeduren zu verarbeiten, ist
das Verdienst der Ehrenfelder Hütte, speziell des
Direktors Rauter. Mit Recht erregte denn auch auf
der Ausstellung zu München 1888 die Vitrine von
Ehrenfeld großes Aufsehen und das Preisgericht er-
kannte die Medaille zu „für gelungene Herstellung
und Wiederaufnahme des in der Masse gefärbten
Rubinglases bei geschmackvoller Formengebung".