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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

DOI issue:
Heft 16 (2. Maiheft 1914)
DOI article:
Behrens, Peter: Die Zusammenhänge zwischen Kunst und Technik
DOI article:
Beaulieu, Heloise Margarete von: Vom Blumenschenken
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0283

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struktionen des Ingenieurs sind das Ergebnis mathematisch gerichteten
Denkens. Niemand wird rechnerisch ihre Festigkeit anzweifeln, aber es ist
etwas anderes, ob für das Auge ein dynamischer Ausdruck sichtbar
und somit eine ästhetische Forderung erfüllt wird, wie sie zum Bei-
spiel restlos beim dorischen Dempel erfüllt ist. Wir haben uns freilich
schon an den Eindruck mancher modernen Konstruktion gewöhnt, aber ich
glaube nicht daran, daß die auf mathematischem Wege berechnete Stabi-
lität für das Auge sinnfällige Wirkung bekommen wird. Das hieße sonst
soviel als eine Kunst auf intellektueller Basis, was einen Widerspruch
in sich bedeuten würde.

Es interessiert ferner die Frage: Wie entstehen industrielle Gebäude,
die Anspruch auf kulturelle Bewertung haben? Alle Bauwerke der früheren
Epochen stammen aus einer tzand, und die Baumeister ersannen und ver-
wirklichten den Schönheitsausdruck und die großartige Konstruktionsidee
zugleich. So baute Lionardo, der Künstler, Festungswerke und Kriegs-
maschinen. Unsere Zeit ist eine andere geworden. Weder der Künstler
noch der Ingenieur kann heute mehr verschiedene Spezialberufe in sich
vereinigen. Wenn seinerzeit die Enzyklopädie des Wissens ein übersicht-
licher Bereich war, so liegt heute gerade die Stärke unserer Leistungsfähig-
keit im Spezialisieren.

Die moderne Entwicklung, die über das wohlgeordnete Kleinstadtidyll weit
hinaus die Weltstädte zu einem unorganisierten Wirrnis zu sühren droht,
stellt neue Aufgaben an die Baukunst, die nur in einer Synthese von moder-
ner Technik und künstlerischem Können erfüllt werden können. Die Entfal-
tung monumentaler Kunst ist stets der Ausdruck eines bestimmten Macht-
kreises seiner Ieit gewesen. Wenn man in diesem Sinne im Mittelalter von
der Kunst der Kirche, in der Barockzeit von der Kunst der Könige, bei den
Formen um MO von bürgerlicher Kunst sprechen kann, so glaube ich, daß
heute unsere reich erblühte Industrie wieder einen Machtkreis bildet, der nicht
ohne Einfluß auf die Kultur bleiben kann. In einer Synthese des künstleri-
schen Könnens und der technischen Tüchtigkeit liegt die verlockende Aussicht,
nämlich die Erfüllung unserer aller Sehnsucht nach einer Kultur, die sich
in der Einheitlichkeit aller Lebensäußerungen als ein Stil unserer Zeit
zu erkennen gibt. Peter Vehrens

Vom Blumenschenken

F^^e r eine: Wenn ich durch die Straßen gehe und den künstlich getrie-
Dbenen Flor der Blumenläden ansehe, denke ich mit Rührung zurück
an die Einfachheit von früher, an den Primel- oder tzyazinthen-
topf, den man an Geburtstagen verschenkte, an das Bukett —

Der andre: Ach, das Bukett! Es bestand in der tzauptsache aus
Wintergrün, in der Mitte strahlte eine Kamelie, und Laurustinuszweige
waren nach der Peripherie hin verteilt. Alles auf Draht und wohl-
verwahrt von einer steifen Papiermanschette. Ich denke mit Rührung
an dieses Bukett, als an ein Zubehör meiner Kinderzeit, wie ich auch
mit Rührung an die kleinen Schneeglöckchensträuße denke, die von alten
Weiblein aus Walddörfern Anfang März feilgeboten wurden; diese
Sträußchen bestanden aus Tannenzweigen, sehr wenig Blumen und sehr
viel Strickgarn, aber sie wurden mit Iubel aufgenommen, denn sie brachten
die Gewißheit, daß es nun Frühling werden wolle, und diese Gewiß-

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