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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Der Künstler und das Kunstwerk: eine Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0101

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DER KUNSTLER UND DAS KUNSTWERK

Mit besonderer Freude veröffentlichen wir freue, wenn saftiges Schweinefleisch mit Sauer-
einen längeren Brief von kraut und Erbsenpüree auf den Tisch kommt

Professor Hans Thoma,

und daß ich sogar auch Stockfisch mit Bohnen
nicht verschmähe, ich verrate damit meinen
der den greisen Meister der deutschen Kunst plebejischen Geschmack; aber wo bleiben da
in all seinem Reichtum von Gefühl und auch die andern guten Sachen, die ich ebenso gerne
in seinem köstlichen Humor zeigt: esse) die Forellen, die Austern, die Obstsorten,

„Hochverehrter Herr! Das ist eine gar heikle das Backwerk, die guten Mehlspeisen und Käse,
Frage, die Sie mir vorlegen: Welches Kunst- ich will lieber gar nicht anfangen aufzuzählen,
werk im Laufe meines ganzen Lebens — wer einen gesegneten Appetit hat, liebt sie
den stärksten Eindruck auf mich gemacht alle, und er gehört jedesmal zu den Fein-
habe. Ich fürchte, daß ich zu alt bin, um diese schmeckern, wenn er etwas unter den Zähnen
Frage so klar zu beantworten, wie sie gestellt hat. Speisen sind doch auch eine Art von
ist. Wenn ich gefragt würde, welche Speise mir Kunstwerken, die für den Geschmacks- und Ge-
im Laufe des ganzen Lebens immer am besten ruchssinn das sein mögen, was für das Auge
geschmeckt hat, so könnte ich in Versuchung Werke bildender Kunst, für das Ohr Musik und
kommen, zu gestehen, daß ich mich immer noch Dichtung, für das ganze Körperempfinden

Rythmus und Tanz.

.. Bei Kunstwerken kam

fast immer die große
j/fff^" | >. Befangenheit über mich,

^**°a«>«^liu_ daß mir das den stärk-

^^■""■■"'■■•^^^^»■^^ sten Eindruck gemacht

hat, welches mich mit
lebendiger Gegenwart
belebte, welches mich in
eine gewisse Seelenver-
einigung mit ihm ver-
setzte.

In der Rückerinne-
rung ist es nun gar
schwer und bei einigem
Gerechtigkeitssinn un-
möglich, ein Kunstwerk
zu nennen mit dem
stärksten Eindruck —
sogar bei einer der
oben gemeinten Rubri-
ken ist das schwer.
Das ist ja doch zu per-
sönlich und von der
eignen Seelenverfassung
abhängig, in der man
sich befindet, wenn man
dem Kunstwerk begeg-
net. In der ersten Ab-

drucks gedenken, als ich
^Sä^^S H W^^^1 lall ZUm ers*enma^ m'*

0 messen habe. Fast noch

stärker aber war der Ein-
druck, den eine Knack-
wurst auf mich gemacht
hat, welche der Vater

mmsmm. X-\ " ■ •*• «y^^^H^H '......„ j mir einmal aus dem

HERRENZIMMER. Kiefer geräuchert Entwurf: ALBERT GESSNER Wirtshaus mitgebracht

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