Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913
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Frobenius, Leo: Alte und junge afrikanische Kunst
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ALTE UND JUNGE AFRIKANISCHE KUNST
zu können das Glück hatten, zeigen eine Vol-
lendung, eine Verfeinerung, wie sie auf afrika-
nischem Boden nur noch das alte Ägypten bot.
Also, je weiter wir zurückdringen in die
Schichtungen der älteren Kulturform, desto
vollendetere Werke finden wir vor. Es ergibt
sich daraus ohne jeden Zweifel das eine: in
alter Zeit herrschte auch an der Westküste
Afrikas eine alte Kultur, die in ihrer Art weit
über alles erhaben ist, was wir heute auf afri-
kanischem Boden lebendig finden. Wie schroff
steht dieser Erkenntnis die Tatsache gegenüber,
das alles, was wir dem Erdteil als Kulturgut
zubringen, degenerierend wirkt, verflacht und
verkommt! In der ältesten Zeit eine wirklich
große Kunst und eine einheitliche Kultur! Wenn
die Jahrhunderte nach Christus noch ein so
starkes Leben zeigen, das wenigstens auf kunst-
gewerblichem Gebiete einer neuen Befruchtung
und neuer Ausgestaltung eines Stiles fähig
war, so ist heute nur noch allerjämmerlichstes
Verkommen jedes in diesen Erdteil hineinge-
brachten Kulturgutes zu bemerken! Es ist eine
Tragödie, die fragend ihre Aufklärung fordert.
Wir können das mit zwei Hinweisen be-
antworten.
Einmal muß in älterer Zeit die afrikanische
Bevölkerung selbst noch selbständiger, die Kultur
kräftiger, noch weniger sklavisch im Geiste,
noch weniger roh als heute gewesen sein. Diese
Annahme entspricht der allgemeinen Überzeu-
gung, daß die Kultur allmählich vom Süden
112
zu können das Glück hatten, zeigen eine Vol-
lendung, eine Verfeinerung, wie sie auf afrika-
nischem Boden nur noch das alte Ägypten bot.
Also, je weiter wir zurückdringen in die
Schichtungen der älteren Kulturform, desto
vollendetere Werke finden wir vor. Es ergibt
sich daraus ohne jeden Zweifel das eine: in
alter Zeit herrschte auch an der Westküste
Afrikas eine alte Kultur, die in ihrer Art weit
über alles erhaben ist, was wir heute auf afri-
kanischem Boden lebendig finden. Wie schroff
steht dieser Erkenntnis die Tatsache gegenüber,
das alles, was wir dem Erdteil als Kulturgut
zubringen, degenerierend wirkt, verflacht und
verkommt! In der ältesten Zeit eine wirklich
große Kunst und eine einheitliche Kultur! Wenn
die Jahrhunderte nach Christus noch ein so
starkes Leben zeigen, das wenigstens auf kunst-
gewerblichem Gebiete einer neuen Befruchtung
und neuer Ausgestaltung eines Stiles fähig
war, so ist heute nur noch allerjämmerlichstes
Verkommen jedes in diesen Erdteil hineinge-
brachten Kulturgutes zu bemerken! Es ist eine
Tragödie, die fragend ihre Aufklärung fordert.
Wir können das mit zwei Hinweisen be-
antworten.
Einmal muß in älterer Zeit die afrikanische
Bevölkerung selbst noch selbständiger, die Kultur
kräftiger, noch weniger sklavisch im Geiste,
noch weniger roh als heute gewesen sein. Diese
Annahme entspricht der allgemeinen Überzeu-
gung, daß die Kultur allmählich vom Süden
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