DIE GRENZEN ZWISCHEN MALEREI UND MUSIK
Ton denken, wenn er nie einen
solchen oder eine Vereinigung
von Tönen gehört oder infolge
von atavistischen Einflüssen
empfunden hätte. Aber das
alles, was auf ihn eingewirkt,
soll zur Läuterung der eigenen
Gedanken, doch nicht als deren
Quelle dienen. So bleibt er
immer wieder auf sich selbst
angewiesen, und grade diese
subjektive Wiedergabe seiner
Empfindung ist es doch, was
den Hörer einzig und allein
bewegt.
Die Musik hat es ausschließ-
lich mit Empfindungen zu tun,
die die Töne wiederspiegeln.
Man kann keinen Frühlingstag
in Musik setzen oder einen
Sonnenuntergang musikalisch
darstellen, sondern nur den
Empfindungen, welche sich an
einem Frühlingstag oder wäh-
rend des Sonnenuntergangs in
mir regen, nachgehen und in
Töne umsetzen. Es ist ein
Irrtum, wenn man glaubt, die
Musik vermöge mehr, nein,
grade in dieser Beschränkung
liegt ihre Macht, und diese
wird geschwächt, wenn versucht
wird, mehr von ihr zu ver-
langen. Donnergetöse und
Wasserrauschen lassen sich
nicht „komponieren"; eben
immer wieder nur die Vor-
PORTRAT DES UNGARISCHEN ABGEORDNETEN NICOLAUS VON ZBORAY , , , . A, ,
G. BEZEREDl-BUDAPEST Stellung, welche im Ohre des
Tondichters von diesen Ge-
Seb. Bach, auf alle die, welche ihn nicht als räuschen lebt, vermag er in Tönen auszudrücken,
Vorbild hatten und darum in den suchenden wenn er im Bereiche seiner Ausdrucksmittel
Stadien der musikalischen Ausdrucksfähigkeit bleiben will.
standen. Man wird durch dieses Zurückgreifen Oft genug lag die Tatsache offen, daß selbst
ebenso einen neuen Stil bilden wollen, wie die der musikalische Hörer eines Musikwerkes gar
Epigi >nen der vorraffaelitischen Zeit es getan. nichts von dem empfand, was den Komponisten
Damit nun würde zugleich ein gewaltiger Verfall bei Conzeption seines Werkes beseelt hatte. Das
eintreten, da überhaupt jedes „Stilbildenwollen", war besonders im Hinblick auf die sogenannte
das nicht mit dem subjektiven Sichausgeben des Programmusik zu konstatieren, die mit äußerlichen
Produzierenden identisch ist, zum Niedergang Mitteln rechnet. Sie eben bleibt — im Gegen-
führen wird. Der schaffende Musiker soll in sich satz zu der absoluten Musik — nicht in ihren
selbst ganz allein den Ausgangspunkt seiner Ge- Grenzen und führt so in die Irre; ja, sie richtet
danken suchen, sich der eigenen Form bedienen, sich eigentlich selbst, indem sie als empfehlende
so nur gelangt er zu seinem Stil. Freilich vermag Begleitschreiben Werte beifügt, kraft deren man
auch der phantasiereichste Komponist sich nicht erst zu ahnen anfangen soll, was der Komponist
völlig frei zu machen von der unendlichen Fülle hat sagen wollen, als wenn die Musik nicht für
von Eindrücken, die er Zeit seines Lebens durch sich allein sprechen müßte! Wo sie das aber
Anhören fremder Musik empfangen, wie man nicht kann, vermögen auch die schönsten und
denn behaupten darf, er könne überhaupt keinen geistreichsten Erläuterungen nichts hinzuzufügen,
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Ton denken, wenn er nie einen
solchen oder eine Vereinigung
von Tönen gehört oder infolge
von atavistischen Einflüssen
empfunden hätte. Aber das
alles, was auf ihn eingewirkt,
soll zur Läuterung der eigenen
Gedanken, doch nicht als deren
Quelle dienen. So bleibt er
immer wieder auf sich selbst
angewiesen, und grade diese
subjektive Wiedergabe seiner
Empfindung ist es doch, was
den Hörer einzig und allein
bewegt.
Die Musik hat es ausschließ-
lich mit Empfindungen zu tun,
die die Töne wiederspiegeln.
Man kann keinen Frühlingstag
in Musik setzen oder einen
Sonnenuntergang musikalisch
darstellen, sondern nur den
Empfindungen, welche sich an
einem Frühlingstag oder wäh-
rend des Sonnenuntergangs in
mir regen, nachgehen und in
Töne umsetzen. Es ist ein
Irrtum, wenn man glaubt, die
Musik vermöge mehr, nein,
grade in dieser Beschränkung
liegt ihre Macht, und diese
wird geschwächt, wenn versucht
wird, mehr von ihr zu ver-
langen. Donnergetöse und
Wasserrauschen lassen sich
nicht „komponieren"; eben
immer wieder nur die Vor-
PORTRAT DES UNGARISCHEN ABGEORDNETEN NICOLAUS VON ZBORAY , , , . A, ,
G. BEZEREDl-BUDAPEST Stellung, welche im Ohre des
Tondichters von diesen Ge-
Seb. Bach, auf alle die, welche ihn nicht als räuschen lebt, vermag er in Tönen auszudrücken,
Vorbild hatten und darum in den suchenden wenn er im Bereiche seiner Ausdrucksmittel
Stadien der musikalischen Ausdrucksfähigkeit bleiben will.
standen. Man wird durch dieses Zurückgreifen Oft genug lag die Tatsache offen, daß selbst
ebenso einen neuen Stil bilden wollen, wie die der musikalische Hörer eines Musikwerkes gar
Epigi >nen der vorraffaelitischen Zeit es getan. nichts von dem empfand, was den Komponisten
Damit nun würde zugleich ein gewaltiger Verfall bei Conzeption seines Werkes beseelt hatte. Das
eintreten, da überhaupt jedes „Stilbildenwollen", war besonders im Hinblick auf die sogenannte
das nicht mit dem subjektiven Sichausgeben des Programmusik zu konstatieren, die mit äußerlichen
Produzierenden identisch ist, zum Niedergang Mitteln rechnet. Sie eben bleibt — im Gegen-
führen wird. Der schaffende Musiker soll in sich satz zu der absoluten Musik — nicht in ihren
selbst ganz allein den Ausgangspunkt seiner Ge- Grenzen und führt so in die Irre; ja, sie richtet
danken suchen, sich der eigenen Form bedienen, sich eigentlich selbst, indem sie als empfehlende
so nur gelangt er zu seinem Stil. Freilich vermag Begleitschreiben Werte beifügt, kraft deren man
auch der phantasiereichste Komponist sich nicht erst zu ahnen anfangen soll, was der Komponist
völlig frei zu machen von der unendlichen Fülle hat sagen wollen, als wenn die Musik nicht für
von Eindrücken, die er Zeit seines Lebens durch sich allein sprechen müßte! Wo sie das aber
Anhören fremder Musik empfangen, wie man nicht kann, vermögen auch die schönsten und
denn behaupten darf, er könne überhaupt keinen geistreichsten Erläuterungen nichts hinzuzufügen,
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