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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Wintzer, Richard: Die Grenzen zwischen Malerei und Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0168

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DIE GRENZEN ZWISCHEN MALEREI UND MUSIK

Wo Form ist, ist auch Farbe, ohne Farbe also des Körpers. Was wir da sehen, ist nicht der
ist kein Körper wiederzugeben. Die Malerei — Schmerz selbst, sondern die Folge des Schmerzes,
eine konkrete Kunst, wie die Bildhauerei und und ein Mensch, der diese Folge nicht an sich
Architektur, im Gegensatz zur abstrakten Musik — oder andern erfahren, wüßte ebensowenig etwas
hat also die Form darzustellen und muß dem mit ihr anzufangen, wie etwa mit den Reflex-
Beschauer überlassen, kraft seiner durch Erfahrung Wirkungen des Lachens oder anderer seelischer
an sich oder seinen Mitmenschen Gewonnenen Erres-uns-en.

Begriffen aus der Form herauszulesen, was der So ist es also die Phantasie des Betrachtenden,
Maler von seinem Innenleben hineingelegt. Denn die in das Bild das hineinträgt, was wir gewöhnlich
an und für sich kann der Maler den Schmerz schon als a priori vorhanden darin vermuten,
eines Menschen beispielsweise nicht zur Darstellung Und hier liegt der Hauptunterschied der Aus-
bringen, sondern nur die Reflexwirkung innerer drucksmittel zwischen Malerei und Musik: die
Schmerzempfindung auf die äußere Oberfläche Malerei verlangt vom Beschauer einen absolut

reflektierenden Verstand, vermittels dessen
■■^■■■■■■■■■■■■■■IggBg^Bgggg^g^M^^^^^^^^^n er rekonstruierend aus der äußeren Form

als fertige Sprache direkt auf das
^^^^^^^^^^^^H^^H^^^^^^^^^^^^^^^^^H des Hörers ohne

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^I^^^^^^^^^^^B zu

^^^^^ Befindet aber der Maler sich in dem Irr-

tum, dieser notwendigen Reflexion vonseiten

Rggfl des Genießenden entraten zu können, so

entstehen jene unklaren „unmusikalischen1'

HH^v * ^^^9 Farbenträumereien, mit denen, weil „in

^^mß^^ ^B der Natur" keine Farbe ohne Form denkbar

^t^iU;t^HL-ä / ■ ^st' wecier der ehien noch der anderen

KjteC"] T^H^ i ■ Kunst gedient ist. Sowie der Maler be-

w. \ ~ ~- Tkfe.^l m absichtigt, direkt zum Gemüt zu sprechen,

B^r - ' 'v ^*y*i"i ■ müssen seine Ausdrucksmittel versasren, und

W\ j' v er gelangt in das Reich der Musik, deren

Lf^f' - "^"^^K, Wesen eben diese Abstraktheit ist. vermöge

jHf' " B deren sie das Herz zielsicher trifft.

Jm ~ *^^M* ■ welchen Spielereien solche Ver-

mT* J schweißung zweier Künste führt, zeigt die

y^^m aus England stammende Erfindung eines

■E '^^^ m^k sonderbaren Instrumentes, „Farbenmusik1'

^Hr^HNM genannt. Es ist dies eine Art Orgel, deren

M Töne mit farbigen Gläsern in Verbindung

t^IM- m stehen, die in allen möglichen Nuancen

V und Kombinationen sich kaleidoskopartig

Bk^-^r ^B verschieben, so jeder Komposition ein be-

HErfi stimmtes Gepräge gebend. Es soll dadurch

Hk—^9 auch „tauben Ohren" gepredigt werden:

■■■■■■■■■■■■■■■Bra: ^■■■■■«^'^■■■■■■■■■■flB vermuten: — Zweck wird

flB hb - ^B

WjL , ■ erreicht!

Wk K V Es ist wahrhaft im Interesse einer jeden

^B ^r^^B der beiden Schwesternkünste, daß man

^^■*T-3p; dort, wo die eine oder die andere sich

1^^*^ ^^^^^^ nicht mehr ihrer Grenzen bewußt ist, sie

in ihr Gebiet zurückverweise, damit sie

I ^^fcv ■ sich auf sich selbst besinne, oder, wenn

^^^^^^■d sie in ihrer Sprache nichts mehr zu sagen

B hat, schweige.

■ Wie groß und unerschöpflich ist doch

■fe^^j^^^^^ jedes der Gebiete, schier unermeßlich! Die

■HB&dfiHi Malerei verlangt den Blick nach außen,

wiewohl durch die innere Seele verklärt,

heimkehr von der kirchweih. holzplastik at , •

albin pitscheider-Wolkenstein die Musik aber nach innen, wo sie ge-

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