ALBERT HERTEL
korativen Aufbau in der Landschaft, gewinnt
den Blick für die Ferne und einen malerisch
gestalteten Hintergrund, bewahrt auch einem
bewegteren Naturzustand gegenüber eine Ruhe,
die das Bild gewissermaßen noch klassisch
wirken läßt. Sein Kolorit ist dabei von großer
Kraft und fängt die Fülle des Lichtes ein; der
Schmelz seiner Farbentöne zaubert die Stimmung
hervor, die er empfangen, und alle seine Lieb-
lingsmotive: die Acqua acetosa, die Albaner
Berge, Capri, die Riviera-Buchten, der Garda-
see haben diese Lyrik der Farbe.
Später wird die Art seines Schaffens noch
mannigfach befruchtet. Er kommt 1875 an
die Berliner Akademie, an der er ein Land-
schaftsatelier leitet, und von da ab behauptet
er auch hier seine Tätigkeit als Künstler und
Lehrer. Eine ungehemmte Schaffenslust erfüllt
ihn, der Umkreis seiner Motive erweitert sich:
Auch aus der Umgebung der Hauptstadt, von
den Küsten Rügens, aus den Häfen Alt-Hollands,
aus den österreichischen Bergen bringt er male-
rische Früchte heim. Und es ist interessant zu
beobachten, wie der Vielwandernde auch aus Pa-
riser Aufenthalten wertvolle Gewinne zieht. Aus
seiner nahen Bekanntschaft mit Courbet gingen
für den einstigen Achenbach-Schüler wertvolle Re-
sultate hervor. Seine späteren Seebilder, auch
die Gasteiner Studien, seine Aquarelle und
Pastelle, deren Hinterlassenschaft groß
und bedeutend ist, zeigen, wie die
Kraft seiner Farbe immer stärker
und tiefer, die Art seiner Naturdarstellung immer
konzentrierter wird. Er wird immer sachlicher,
greift die charakteristischen Einzelheiten heraus
und verliert die Lust an der schönen aber
immer doch etwas posierten Staffage von ehe-
mals. Kurz: Er wird realistischer. Während
in seinem Bilderzyklus für den Berliner Dom,
in der „Versuchung Christi", in „Noli me
tangere" usw. oder in den monumentalen De-
korationen für Berliner Festsäle eine hohe
Fantasie und die Begeisterung an der Kom-
position offenbar sind, spricht aus der großen
Zahl seiner Naturausschnitte von der Ostsee und
von den Alpen das Behagen an der Beschrän-
kung auf das nächste Naturobjekt. Die Nuancen
der Farbe werden dabei scharf herausgearbeitet,
die Lokalfarbe stark betont. Wie er auch das
Licht im Interieur modern-meisterlich beherrschte,
zeigt seine eindrucksvolle Studie zu einer Ber-
liner Galavorstellung.
Hertel, dessen Menschentum an Tiefe und in-
nerer Heiterkeit wundersam mit der ganzen Art sei-
nes Künstlertums harmonierte, hinterläßt einen
großen Schatz, der noch viel Freude bereiten wird.
In seinem Nachlaß ruhen die Dokumente für
eine in sich festgeschlossene künstlerische
Erscheinung, die in dem Theorienstreit
dieser Tage und auch in Zukunft nicht
vergessen sein soll. Denn sie hatte
etwas, was immer jung bleibt.
BOOT AM STRAND VON SCHEVENINGEN. ÖLGEMÄLDE ALBERT HERTEL
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korativen Aufbau in der Landschaft, gewinnt
den Blick für die Ferne und einen malerisch
gestalteten Hintergrund, bewahrt auch einem
bewegteren Naturzustand gegenüber eine Ruhe,
die das Bild gewissermaßen noch klassisch
wirken läßt. Sein Kolorit ist dabei von großer
Kraft und fängt die Fülle des Lichtes ein; der
Schmelz seiner Farbentöne zaubert die Stimmung
hervor, die er empfangen, und alle seine Lieb-
lingsmotive: die Acqua acetosa, die Albaner
Berge, Capri, die Riviera-Buchten, der Garda-
see haben diese Lyrik der Farbe.
Später wird die Art seines Schaffens noch
mannigfach befruchtet. Er kommt 1875 an
die Berliner Akademie, an der er ein Land-
schaftsatelier leitet, und von da ab behauptet
er auch hier seine Tätigkeit als Künstler und
Lehrer. Eine ungehemmte Schaffenslust erfüllt
ihn, der Umkreis seiner Motive erweitert sich:
Auch aus der Umgebung der Hauptstadt, von
den Küsten Rügens, aus den Häfen Alt-Hollands,
aus den österreichischen Bergen bringt er male-
rische Früchte heim. Und es ist interessant zu
beobachten, wie der Vielwandernde auch aus Pa-
riser Aufenthalten wertvolle Gewinne zieht. Aus
seiner nahen Bekanntschaft mit Courbet gingen
für den einstigen Achenbach-Schüler wertvolle Re-
sultate hervor. Seine späteren Seebilder, auch
die Gasteiner Studien, seine Aquarelle und
Pastelle, deren Hinterlassenschaft groß
und bedeutend ist, zeigen, wie die
Kraft seiner Farbe immer stärker
und tiefer, die Art seiner Naturdarstellung immer
konzentrierter wird. Er wird immer sachlicher,
greift die charakteristischen Einzelheiten heraus
und verliert die Lust an der schönen aber
immer doch etwas posierten Staffage von ehe-
mals. Kurz: Er wird realistischer. Während
in seinem Bilderzyklus für den Berliner Dom,
in der „Versuchung Christi", in „Noli me
tangere" usw. oder in den monumentalen De-
korationen für Berliner Festsäle eine hohe
Fantasie und die Begeisterung an der Kom-
position offenbar sind, spricht aus der großen
Zahl seiner Naturausschnitte von der Ostsee und
von den Alpen das Behagen an der Beschrän-
kung auf das nächste Naturobjekt. Die Nuancen
der Farbe werden dabei scharf herausgearbeitet,
die Lokalfarbe stark betont. Wie er auch das
Licht im Interieur modern-meisterlich beherrschte,
zeigt seine eindrucksvolle Studie zu einer Ber-
liner Galavorstellung.
Hertel, dessen Menschentum an Tiefe und in-
nerer Heiterkeit wundersam mit der ganzen Art sei-
nes Künstlertums harmonierte, hinterläßt einen
großen Schatz, der noch viel Freude bereiten wird.
In seinem Nachlaß ruhen die Dokumente für
eine in sich festgeschlossene künstlerische
Erscheinung, die in dem Theorienstreit
dieser Tage und auch in Zukunft nicht
vergessen sein soll. Denn sie hatte
etwas, was immer jung bleibt.
BOOT AM STRAND VON SCHEVENINGEN. ÖLGEMÄLDE ALBERT HERTEL
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