Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

DOI article:
Jakob Burckhardts Briefe an einen Architekten
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0216

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
JAKOB BURCKHARD TS BRIEFE

Dekoration unmittelbar rafaelischer Schule außer-
halb Roms vorkommt ; vor einundzwanzig Jahren
sah ich noch neun Räume.

Rom ist enorm verändert, der Corso abends
und nachts ein Stück Paris; die Invasion der
Italiener und aller ihrer Dialekte fällt bei Schritt
und Tritt auf; ich hör Milanese und Napolita-
nisch usw. Manches ist teurer, doch nicht so
sehr wie ich fürchtete. Manches ist entschieden
bequemer als früher, und Essen und Trinken so
gut als je. Der rote Wein vom letzten Jahr ist
selbst in Kneipen wie Tre Ladroni und Archetto
feurio- und herrlich wie ein Burgunder, und wenn
ich des Alleintrinkens in höherem Grade fähig
wäre, so würde ich ein Trunkenbold. Die Kaffee-
wirte geben zu 15 Cents einen Kaffee, der unsere
jämmerlichen Basler Cafetiers mit ihrem Geschmier
zu 50—40 Cents jämmerlich zu schänden macht.
Und NB., der Kaffee wächst ja auch in Italien
nicht und zahlt hier ohne Zweifel einen höheren
Zoll als in der Schweiz. In den kleineren Cafes
achte ich jetzt immer darauf, was sich in der
Mitte über dem Büfett befindet ; bisweilen ist es
noch die Madonna mit dem Lämpchen davor;
irgendwo war es noch die Madonna, aber statt
des Lämpchens war eine Zahl auserwählter alter
Schnäpse in Flaschen davor aufgestellt; in den
aufgeklärten Cafes sieht man statt der Madonna
die Büste Vittorio Emanueles, meist tief ver-
staubt, so daß sich ihm der Staub auf die Stim,
die Augenhöhlen, den gewaltigen Schnauz und
das Oberteil des Knebelbartes gesetzt hat, was
e;anz abenteuerlich aussieht. Übrigens bin ich
in Italien und bis zu meiner Rückkehr völlig
ministeriell und crovemativ o-esinnt.

O O

Was Rom für mich momentan besonders kenn-
zeichnet, das ist die große Menge von Deutschen;
heute in den Kaiserpalästen waren sie die be-
trächtliche Mehrzahl. Dieser Tage im Vatikan
ging ich einer Partie Deutschen nach, welche
einen alten ausrangierten Österreicher zum Cice-
rone hatten; Sie hätten hören sollen, was der
ihnen erzählte! — Ganz rührend war's heute im
großen Saal des Museo capitolino, wo die Zen-
tauren stehen; es war Öffnungstag und auch
armes Volk von Rom lief herum; eine gute alte
Frau mit einem Kinde fragte mich ranz er-
schrocken, wo solche Kreaturen vorkämen? und
ich mußte sie beruhigen, daß dies nur immagi-
nazioni de'scultori seien, perche, fügte ich weise
hinzu, sarebbe di troppo rintelligcnza dell'uomo
insieme colla forza del cavallo. Aber ist es
nicht eine herrliche Sache, für ein Volk zu
meißeln, das auch das Kühnste für wirklich hält1?
das vielleicht noch die allegorischen weiblichen
Figuren für Sante persone hält ? während ja im
Norden jedes Kind a priori weiß, daß die Kunst
nur Spaß sei.

Mantua, 8. Aug. 1878, abends nach 5.'

... Es ist jetzt das drittemal in meinem
Leben, daß ich im Hochsommer in Mantua bin;
jedesmal glücklicherweise bei bedecktem Himmel;
da nur wenige wichtige Fresken hier sind und
diese wenigen (Mantegna und die weniger wich-
tigen neben vieler Läusesalbe von Giulio Romano)

EMPFINDSAME. BRONZE KARL WILFERT-PRAG

171
 
Annotationen