BAUKÜNSTLER UND VOLKSTUM
und traten mehr ins offene Leben. Das war
der Anfang des zunftmäßigen Bauhandwerks,
das sich in dem mächtig sich regenden Volks-
leben entwickelte, um seinen Bedürfnissen die
schon recht mannigfache Art von Behausungen
zu schaffen. Diese natürliche Beziehung vom
Meister zum Volkstum fand in der folgenden Re-
naissancezeit die schönste Blüte. Die Schauer des
dreißigjährigen Krieges scheinen auch dieses
Verhältnis vernichtet zu haben. An den Höfen
beginnt die Französelei. Die Fürsten berufen
ausländische Meister, deutsche Söhne holen im
Süden ihre Schulung, es erscheint jene auch
heute noch fortwirkende Durchsetzung deutscher
Empfindung mit fremder Kunst und Kultur.
Auch das Handwerk mußte in diesen Pfad
einbiegen, und wir konnten erst dann wieder
von einer reinen Architektur sprechen, als
sich um 1800 (über den fremden Einfluß hin-
weg) in den übernommenen Formen deutsches
Leben erfühlen ließ. Das war aber zugleich
Höhe und Ende. An dem Horizont der Bau-
meisterei geht die Sonne der Wissenschaft auf,
der Baumeister wird Architekt und emanzipiert
sich von der Seele des Handwerks. Die Folgen
waren in den nächsten, infolge der politischen
Anstrengungen lauen Bauzeiten nicht gerade
schlimm. Als aber nach 1870 71 der neue
Reichtum und ein gewaltiger Aufschwung ins
Land kam, brach die Sündflut entsetzlich herein.
Was wirkliche Baumeister waren (auch solche
im gewandelten Sinne, von der Wissenschaft
ausgehende), das war ein winziges Häuflein,
das dem Anspruch gegenüber machtlos dastand.
Daß geschäftige Köpfe in die Lücke traten,
vergrößerte das Unheil noch mehr.
Hier liegt der Anfang der neueren Bau-
Geschichte für unsere Betrachtung. Wir sahen
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ZJM bajsch3n AOUto VOM 3q t<AI AQAO des NAUSES DER BEKÜMER HAISOELSGESELLSCHAFT
auf oem £j?ut-iDyrüa< eeh^enSTRasse 32-
F*?ANZÖSiSO-e 5 TT?. iß-Ui. ü. G-iAPLOTTENSTR.aau <3&fl
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ERWEITERUNGSBAU DER BERLINER HANDELSGESELLSCHAFT. GRUNDRISS. HEINRICH SCHWEITZER
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und traten mehr ins offene Leben. Das war
der Anfang des zunftmäßigen Bauhandwerks,
das sich in dem mächtig sich regenden Volks-
leben entwickelte, um seinen Bedürfnissen die
schon recht mannigfache Art von Behausungen
zu schaffen. Diese natürliche Beziehung vom
Meister zum Volkstum fand in der folgenden Re-
naissancezeit die schönste Blüte. Die Schauer des
dreißigjährigen Krieges scheinen auch dieses
Verhältnis vernichtet zu haben. An den Höfen
beginnt die Französelei. Die Fürsten berufen
ausländische Meister, deutsche Söhne holen im
Süden ihre Schulung, es erscheint jene auch
heute noch fortwirkende Durchsetzung deutscher
Empfindung mit fremder Kunst und Kultur.
Auch das Handwerk mußte in diesen Pfad
einbiegen, und wir konnten erst dann wieder
von einer reinen Architektur sprechen, als
sich um 1800 (über den fremden Einfluß hin-
weg) in den übernommenen Formen deutsches
Leben erfühlen ließ. Das war aber zugleich
Höhe und Ende. An dem Horizont der Bau-
meisterei geht die Sonne der Wissenschaft auf,
der Baumeister wird Architekt und emanzipiert
sich von der Seele des Handwerks. Die Folgen
waren in den nächsten, infolge der politischen
Anstrengungen lauen Bauzeiten nicht gerade
schlimm. Als aber nach 1870 71 der neue
Reichtum und ein gewaltiger Aufschwung ins
Land kam, brach die Sündflut entsetzlich herein.
Was wirkliche Baumeister waren (auch solche
im gewandelten Sinne, von der Wissenschaft
ausgehende), das war ein winziges Häuflein,
das dem Anspruch gegenüber machtlos dastand.
Daß geschäftige Köpfe in die Lücke traten,
vergrößerte das Unheil noch mehr.
Hier liegt der Anfang der neueren Bau-
Geschichte für unsere Betrachtung. Wir sahen
riüCHTRAC NSb;. ZBLt-MJNC» ZUM ERWEiTEJ?um£*£SAU
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ERWEITERUNGSBAU DER BERLINER HANDELSGESELLSCHAFT. GRUNDRISS. HEINRICH SCHWEITZER
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