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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Giesecke, Albert: Handzeichnungen venezianischer Meister des 18. Jahrhunderts im Berliner Kupferstichkabinett
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0327

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HANDZEICHNUNGEN VENEZIANISCHER MEISTER

sehr verschieden die Handschrift
hier und dort ist, lehrt der Augen-
schein. Noch größer fast sind die
Unterschiede in einem vor einiger
Zeit erworbenen Skizzenbuch Tie-
polos. Hier sind so viele Hand-
schriften zu erkennen, daß man
neben dem Meister noch eine
Reihe Schüler am Werke glaubte.
Dahinein hat Tiepolo notiert, was
ihm an Figuren einfiel, zumeist
die rechte Seite benutzend, später
hat er es wieder einmal unter die
Hand bekommen und hie und
da auch die Rückseite bezeichnet,
erst mit dem Bleistift andeutend,
dann mit der Feder nachgehend
und schließlich mit dem Pinsel
schattierend und modellierend.
Ähnliche Figuren wie die beiden
daraus abgebildeten, eine Bac-
chantin und ein Zauberer, kommen
auch in seinen „Scherzi di fanta-
sia", einer Folge von Ätzungen,
vor. Ein zweites schon länger im
Besitze des Kabinetts befindliches
Skizzenbuch, das lange Zeit für
original gehalten wurde, ist von
einem Schiller oder Nachahmer
angelegt, dem eine Reihe Studien
Tiepolos zu Fresken oder diese
selbst aus seiner Frühzeit vor-
lagen. In diesen etwas grob aber

SKIZZE. BACCHANTIN QIOV. BATT. TIEPOLO t, . • t • i

flott hingeworfenen Figuren ist
immerhin noch viel von dem

Die führende Persönlichkeit der Gruppe, Schwung des Meisters und seiner Art, Menschen

Giovanni Battista Tie pol o, ist in der Berliner zu geben, erhalten. Von seinem bedeutendsten

Sammlung mit einer ganzen Reihe von Hand- Schüler, seinem Sohne Giov. Domenico

Zeichnungen vertreten, trotz der Schwierigkeit, Tiepolo (1726—1795) besitzt das Kabinett ein

echte Zeichnungen von ihm zu erhalten. Eines (signiertes) Blatt, Gottvater von Engeln begleitet

dieser Blätter zeigt eine Gruppe von Genien darstellend, das über seine zittrige nicht sehr

und Putten auf Wolken gelagert, wohl ein sichere Hand gut Auskunft gibt. Es zeigt anderer-

Gedanke für eines seiner großen dekorativen seits die ganze malerisch-dekorative Kultur der

Fresken, deren er eine ganze Anzahl, vor allem Tiepolo - Schule. Domenico hat sich in dieser

in Kirchen und Palästen, malte. Neben der Zeichnung eng an eine Gruppe auf einem Ge-

pleinairistischen Lichtführung und Modellierung mälde seines Vaters in der Kirche delle Grazie

ist daran besonders die Fülle der Überschnei- in Este angelehnt, auf dem Gottvater dar-

dungen und die räumliche wie lineare Anord- gestellt ist, wie er auf Bitten der heiligen Tecla

nung dieser flott und sicher gezeichneten Figuren die Stadt Este von der Pest befreit,
interessant. Ein anderes Blatt aus späterer Zeit Von Antonio da Canale, dem anderen

— das erste dürfte wohl in die Jahre 1725 bis Haupte der Gruppe, dem Schilderer der La-

1735 fallen, dieses 15 — 20 Jahre später ent- gunenstadt, besitzt das Kabinett eine ganze Reihe

standen sein — stellt den Entwurf zu einem schöner Zeichnungen, hauptsächlich Veduten.

Altarblatt dar, der sich, wenigstens in der Figur Während Tiepolo in Kirchen und Palästen für

der Madonna, an ein solches von Veronese in Adel, Priesterschaft und Volk seine großen pracht-

der Akademie in Venedig anlehnt (Tiepolo hat vollen „Maschinen", wie man damals sagte,

gern hie und da und vor allem in seiner herunterstrich, sehen wir Canale hauptsächlich

Jugend — bei Veronese Anleihen gemacht). Wie für die fremden Besucher der Stadt seine be-

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