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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Sachs, Hans: Bucheinband und Buntpapiere, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0333

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BUCHEINBAND UND BUNTPAPIERE

ragt, natürlich nicht im Sinne der alten „Pracht-
bände", die das Buch rein um seiner äußeren
Form willen geliebt sehen wollen und damit
von der Hauptsache, dem Inhalte des Buches,
ablenken. Hier kommen Familienchroniken,
Gästebücher, Photographiealbums u. dergl. in Be-
tracht; das Material für sie bleibt das von alters her
gebräuchliche Leder oder Pergament in mehr oder
weniger reich ornamentierter Behandlung. Doch
es gibt auch bescheidenere Bücher, Werke, deren
raschere oder langsamere Vergänglichkeit den
Wunsch rege werden lassen, für ein paar Jahre
oder Jahrzehnte hinaus ein mit uns verwachsenes,
in seinem Äußeren künstlerisch befriedigendes
Gebrauchsbuch zu besitzen, dessen Einbandkosten
nicht ins Ungemessene gehen. Hier greifen wir
zum Halblederband, zum Leinen- oder Halb-

PERSEUS-STUDIE TIEPOLO

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leinenband oder gar zum Pappband. Und es
ist dabei nicht mehr von so erheblicher Bedeu-
tung wie bisher, ob unser Handbuchbinder uns
die Arbeit leistet oder schon der Verleger mit
seiner Massenproduktion: ihr Material wie ihre
technische Leistung stehen einander nicht mehr
diametral gegenüber, denn die von beiden heute
vertretenen künstlerischen Grundsätze bilden die
Grundlage, auf der wir in einer dem einzelnen
Besteller oder Verleger entsprechenden indivi-
duellen Ausdrucksweise unserer Bibliothek ihr
charakteristisches Gepräge verleihen.

Daher haben es sicherlich alle, die wirklich
bestrebt sind, ihren lieb gewordenen Büchern ein
dem Inhalt angemessenes und würdiges Außere
zu geben, und denen doch die Mittel fehlen,
ein jedes Buch in einen Glanzlederband mit
Handvergoldung einzubinden, mit
großer Freude begrüßt, daß eine
schon in früheren Jahrhunderten ge-
pflegte Handwerkskunst von der In-
dustrie des IC). Jahrhunderts wieder
aufgenommen und v< >n Künstlern und
Kunsthandwerkern von neuem belebt
worden ist, die Fabrikation der Bunt-
papiere. Bei verständigem Gebrauch,
harmonischer Zusammenstellung und
diskreter Auswahl ihrer Erzeugnisse
setzt sie auch den minder bemittelten
Bücherfreund instand, seine geistigen
Kostbarkeiten in gediegener und
feierlicher, beim Handeinband sogar
völlig individueller Weise aufzuheben.

Nicht alle unserem Auge bunt, das
heißt farbig erscheinenden Papiere
können wir als „Buntpapiere" be-
zeichnen. Vielmehr verstehen wir
darunter nur solche, die nach der
Fabrikation des Papieres mindestens
auf einer Oberfläche verziert sind,
und zwar durch Auftragen von Far-
ben, Bronzen oder Lacken, gleichviel
ob durch Handbearbeitung oder
Maschinendruck. Ist hingegen bereits
während der Papierfabrikation ein
Farbstoff hinzugesetzt, so haben wir
nur „gefärbte Papiere" oder „farbige
Rohpapiere" vor uns, die uns hier
nicht interessieren.

Als das Geburtsjahr der Bunt-
papierindustrie pflegt man das Jahr
1808 zu nennen, in dem der Bankier
Alois Dessauer in Aschaffenburg die
Papierfärbeeinrichtung eines kleinen
Buchbinders, namens Knothe, über-
nehmen mußte. Noch heute ist diese
Fabrik eine der größten ihrer Art,
zählte sie doch schon im Jahre 1865
 
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