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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Sachs, Hans: Bucheinband und Buntpapiere, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0352

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BUCHEINBAND UND BUNTPAPIERE

hört. Man kann mit dem Pinsel oder einem völlig dem anderen. Die große Mitarbeit des
Reisstrohbesen neue Tropfen darauf und da- Zufalls, die bei dieser Technik im Vordergrunde
zwischen spritzen und die buntesten Farbenbilder steht, verleitet gern zu einer niedrigen Einschätzung
hervorrufen. Nun sollen aber diese regellosen des hierbei entwickelten Kunstempfindens - - mit
chaotischen Figuren, der sogenannte Naturmarmor, Unrecht. Denn wenn auch die letzten und
noch gemustert, nach menschlichem Willen in feinsten Details mehr oder weniger von der dem
ihrer Zusammensetzung beeinflußt werden. Dies Zufall preisgegebenen Wanderung der Farbteilchen
erreicht man durch einfache mechanische Eingriffe. und ihrer, physikalischen Gesetzen gehorchenden
So kann man mit einem hölzernen Stift, einem Oberflächenspannung abhängt, so gehört doch
Pinselstiel, mit Kämmen von verschiedener Weite, ein künstlerisch empfindendes Auge und ein großer
durch Drehungen und andere Bewegungen, die Farbengeschmack dazu, Linien und Flecken har-
man mit dem Becken ausführt, andere Muster monisch mit einander zu vereinigen. Die Technik
ziehen und neue Motive zeichnen, wodurch der scheint aus der Türkei zu stammen, denn die
sogenannte gezogene Marmor entsteht. Nun legt eingangs schon erwähnten türkiseben Einbände
der Handwerker auf die Farbschicht einen Bogen und Vorsätze des 17. Jahrhunderts, von denen
weißen Papiers, der die Farbe ansaugt, hebt ihn die Königliche Bibliothek prachtvolle Beispiele be-
schnell wieder ab, läßt die überschüssige Flüssig- sitzt, zeigen diese Kunst in hoher Blüte,
keit abtropfen und hängt ihn zum Trocknen auf. Aber auch in Deutschland scheint man diese
Jeder Bogen wird einzeln von der Hand des Marmorierkunst schon zeitig gekannt zu haben.
Arbeiters getunkt. Und die Farbschicht ist jedes- Lebte da um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein
mal zerstört, muß von dem Schleimgrund abge- Mann, namens Johannes Kunckel, der es vom kur-
strichen und für den nächsten Bogen ganz neu fürstlichen Kammerdiener bis zum schwedischen
hergestellt werden. Hier haben wir charakteri- Reichssrafen brachte und sicherlich ein Mann von
stische Einzel- und Handarbeit, kein Bogen gleicht großer Begabung war. Seinem Hauptwerk, der „Ars

vitraria experimentalis", das von der Glasmacher-
kunst handelt und bei Ziegers in Nürnberg im
Jahre 1689 in zweiter Auflage erschien, hat er

ji^SSS^^ SB ernen „zweiten Haupt-Theil" angefügt, „so in

drev unterschiedenen Büchern und mehr als 200

•*W' i^H ■ Experimenten besteht, darinnen vom Glasmahlen,

.'jJ3 Vergulden und Brennen, Türckisch Pappier" etc.

WS3«| W Er gibt hier unter vielen unnützen Versuchen

^$H|1 ganz genau die Beschreibung einer vollständigen

"^?! Rl^. Marmoriertechnik. Auch die Franzosen des 18.

Jahrhunderts haben die Marmorierkunst mit

t^M m Meisterschaft geübt. Der schon erwähnte Bankier

» ^ Alois Dessauer begründete in Aschaffenburg durch

■ * %, n fabrikmäßige Herstellung dieser Handpapiere eine

Jm W^m^mm^M ■ Industrie, die heute Tausende von Arbeitern be-

gm | £• ■ schäftigt und dem deutschen Werkfleiß auch auf

■ dem Weltmarkte alle Ehre macht. Man be-

1^ j^m '"iä^SÄ reicherte die alten Muster und ging, ermutigt

I | *a durch die Fortschritte der modernen Farbenchemie,

B|J| zu neuen Farbenkompositionen über. Einzelne

?>£ jJj wt^r Künstler und Kunsthandwerker haben später, in

den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts,

■|§ ' | durch neue Motive und Farbenkompositionen

J I H diese Handwerkskunst von neuem belebt und

Mi dem Bücherfreunde und Buchbinder neue An-

jMSk regung gegeben. In Deutschland hat Ott«' Eck-

niann die ersten anziehenden Experimente mit

^fe- M neuartigen Tunkpapieren gemacht. Wundervolle

t;"'-Ä . . 'äemSSm^ Farbenkompositionen, changierende Muster, regel-

los \-erlaufende und doch wieder wirkungsvoll in

^^^H den^ Rahmen eines kleinen Blattes gespannte

'leiiiifcii^^WBHIHBBHw&Ä^^ und koloristische Wirkungen, die sich

JAPANERIN. STEINGUT HANS WEWECKA beschreiben lassen. (Fortsetzung im nächsten Heft.)

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