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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Lux, Joseph August: Kunst und Moral
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0468

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KUNST UND MORAL

liehen Kunstpflege. Die Konvention ist zu
Moralbegriffen erhärtet, und wie hoch oder wie
niedrig man von dieser konventionellen Moral
denken mag, man wird zugeben müssen, daß
sie ein nicht unwichtiges Gerüst des Gesell-
schaftsverbandes ist. Auf diesem Boden aber
ist die Lex Heinze gewachsen, wie immer sie
Namen und Gestalt haben mag. Es kann
vorkommen und kommt allzuhäufig vor,
daß diese landläufige Moral den Geboten
der Menschheit widerspricht. Jeder

karawane. silhouette carlos tips

sehende ist und ebensogut die Moral der Ver- Tag bringt uns solche Beispiele in Hülle und
Stellung, der Sentimentalität, der Verlogenheit, Fülle zu. Hier ist der Punkt, wo der Künstler
der falschen Tatsachen, des Schundes und des in den Gegensatz zu der landläufigen Moral,
Polizeibüttels ist. Es ist die landläufige Moral, zur Prüderie, zur starren Konvention kommt,
an der der Künstler kein Interesse hat. Er ist Denn er dient nicht dem Staat und nicht dem
vom Standpunkt dieser landläufigen Moral ziem- Bürger, nicht der Gesellschaft und nicht dem
lieh amoralisch. Denn das Wesen dieser land- Publikum, er dient der Menschheit. Nur die
läufigen Moral ist die Konvention, die über Menschheit ist reif für die Kunst und für
alle inneren Gegensätze hinweg ein gewisses jene wahre und freie Sittlichkeit, die im rein
labiles Gleichgewicht der bimrer- Menschlichen und rein Künstleri-

liehen Ordnung erzwingt. Konvention sehen beschlossen liegt,

aber ist zugleich auch der Hemm- ^fl ^L. Wer ist die Menschheit? Ist es

schuh des künstlerischen Genius, der der Staat? Ist es die Gesellschaft?

sich ewig im Widerstreit mit ihr be- Das Publikum ? Der Staat ist es

findet. Dasselbe Element, das der Wn nicht, das wissen wir zur genüge.

Kunst höchst schädlich ist, erweist ^^^B PI Die Erfahrung lehrt, daß Gesellschaft

sich hingegen für die Gesellschaft M und Publikum allzuoft die „Faust auf

nützlich und bildet geradezu eine ■ dem Auge" der Menschheit ist, also

Staatsnotwendigkeit. Für Staat und m kann Gesellschaft und Publikum nicht

Gesellschaft ist Konvention ein Hilfs- ■ zugleich die Menschheit selbst sein,

mittel oder ein Zwangsmittel, weil v Die Menschheit ist eine platoni-

darin der Wille der Massen akku- sehe Idee, ebenso wie die Kunst,

muliert ist. die in der Kunst eine ^^^^ wanre dogmenfreie Religion, die

offizielle Angelegenheit erblicken, die ^ Äöfc wahre Sittlichkeit eine platonische

wieder nur in den Grenzen der J&^^^^ Idee ist und nirgend lebt als in dem

Konvention gehalten sein muß. Weltbewußtsein geistig hochstehender

Daher die vielen Nieten der staat- Silhouette01 Carlos'tips Einzelner. Immer ist es nur der Ein-

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