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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Morin, Georges: Künstlerische Vermächtnisse der Befreiungskriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0537

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K

ÜNSTLERISCHE VERMÄCHT- lenkungen, wie sie die Jetztzeit uns so vielfach

NISSE DER BEFREIUNGSKRIEG aufzwingt.

GE VON GEORGES MORIN *> Die verlassenen> aber sorgsam gehüteten Räume

der Schlösser wie z. B. Paretz und Hohenzieritz
Erinnerungen an die eiserne Zeit sind es, oder die Zimmer im Schloß Monbijou (Hohen-
welche uns in diesem Jahre bewegen. Wir feiern zollernmuseum), dem Andenken an die Königin
das Andenken an das Wiedererwachen, an die Luise und Friedrich Wilhelm III. gewidmet, er-
gewaltige Kraftanstrengung der Massen, die das wecken uns seltsame Empfindungen. Selbst diese für
Vaterland vor hundert Jahren wie von langer damalige Verhältnisse reich und luxuriös ausgestat-
Lähmung genesen ließ. Die einzelnen Phasen teten Gemächer sind für unsere heutigen so sehr
der furchtbaren Zeit treten uns in diesem Ge- gesteigerten Bedürfnisse von ästhetisch einfacher
denkjahre 1913 mit größerer Deutlichkeit vor Strenge. Naturgemäß waren es die Fürsten und
Augen, bilden doch die Überlieferungen der Er- Begüterten, welche das noch sehr im Anfangs-
eignisse, der Taten des Opfermutes, der gewaltigen Stadium stehende Kunstleben fördern konnten.
Kämpfe und des Sieges über den stolzen Unter- Auch die Unruhe der politischen Verhältnisse
drücker wohl in jedem Hause reichen Stoff des hemmte die Künstler in freier Entwicklung. Die
Denkens und der Unterhaltung. Die vergangene Anlehnung an die Antike, die für Alle das Ideal
Zeit spricht zu uns in Briefen, Tagebüchern und war, zeitigte mit Ausnahme der leider so häufigen
ähnlichen Aufzeichnungen. Gedruckte Berichte Nachäffungen bei einzelnen Künstlern und auf
und andere Dokumente werden in Archiven und bestimmten Kunstgebieten das Resultat einer
Sammlungen sorglich behütet und an Erinnerungs- herben vielleicht nüchternen Eigenart, die aber
tagen besonders gewertet. unserem heutigen Geschmack vielfach sympathisch

Zu den eindrucksvollsten Zeugen
des Tuns und Trachtens und der
Kämpfe versunkener Generationen
gehören die Werke der Kunst, der
Dichtung, der Musik und der bilden-
den Künste. Wie die Freiheitslieder
jetzt widerhallen im Gedenken an
den Opfermut und den Kampfesgeist,
zu dem diese Strophen unsere Ahnen
begeisterten, so führt die Betrachtung
der Kunstwerke jener Zeit uns zurück
in die Tage herber und fast spartani-
scher Denkungsart. Die letzten hun-
dert Jahre der Menschengeschichte
mit der Flutwelle moderner Errungen-
schaften auf allen Gebieten haben
die Lebensbedingungen und Anschau-
ungen so tiefgehend verändert, daß
es der heutigen Generation etwas
schwer fällt, sich ein Leben ohne all
den Nutzen fortgeschrittener Kultur
zu vergegenwärtigen.

Wir durchwandeln die Museen und
Sammlungen, welche den Kunstwerken
damaliger Zeit gewidmet sind, nicht
ohne ein Gefühl der Rührung, selbst
des Mitleids, ob des Mangels so
vieler uns jetzt unentbehrlich erschei-
nender Dinge. Es kann aber auch
sein, daß uns Sehnsucht befällt nach
einem Dasein, bar so aufreibender
Zerstreuung und sensationeller Ab-

*) Auch hier lassen wir. wie im ersten Artikel
dieses Heftes, einen bewährten Fachmann reden,
den Bildhauer Georges Morin, den unsere Leser

bereits aus seinen Werkstattartikeln kennen. BÜSTE DER KÖNIGIN LUISE GOTTFRIED SCHADOW

Die Schriftleitung. (Berlin, Hohenzollernmuseum)

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