KUNST UND KUNSTGEWERBE VOR HUNDERT JAHREN
bis tief in unsere Tage hinein gedauert. Das solche Einrichtungen, hervorragend durch ihren
schneeige Weiß griechischen Marmors verjagt Geschmack und ihre technisch mustergültige
die fröhlichen bunten Farben, weiße Marmor- Ausführung.
platten, weiße Wände, weiße Decken, weiße Das Möbel des deutschen Bürgerhauses steht
Gardinen gelten allein für edel und haben die in diesen Jahren ebenso stark unter dem Ein-
Farbenscheu noch den nächsten Geschlechtern flusse Englands wie die Kleidung. Der englische
vererbt. Eine besondere Vorliebe erwacht für Möbeltischler legt in seinen Erzeugnissen den
die zeltartig drapierten Räume, wie sie in größten Wert auf Bequemlichkeit und Brauch-
manchen Schlössern, z. B. Potsdam, Würzburg barkeit, überflüssiger Zierrat wird verschmäht. So
usw. noch erhalten sind. Der Geschmack an zeichnen sich die Möbel, die unter dem Namen
diesen leichten Draperien hat bei der offenen von Hepplewhite und Sheraton gehen, durch
Heizung und Beleuchtung jener Tage zu vielen organischen Aufbau, sinnvolle und gefällige
Bränden Veranlassung gegeben und u. a. auch Gliederung aus. Die Verbindungen, welche die
jenen herbeigeführt, der das Fest des Fürsten englische Königsfamilie mit deutschen Fürsten-
von Schwarzenberg in Paris zu einem so furcht- häusern einging, bürgerten neben englischer Sitte,
baren Ende kommen ließ. Sprache und Kleidung auch das englische Möbel
Der Erste, der sich antik einrichtete, war sehr rasch in Deutschland ein. Die Ausstattung
wohl der Maler David, der sich von George der Königin Charlotte Mathilde von Württem-
Jakob ein ganzes Mobiliar anfertigen ließ, das berg, wie sie noch in Schloß Ludwigsburg
er und sein Freund Charles Moreau entworfen erhalten ist, bildet ein vorzügliches Beispiel
hatten. Es war von Mahagoni, diskret mit englischer Möbelkunst. In Anlehnung an Vor-
Bronze belegt und rot gepolstert. Soweit die bilder dieser Art haben dann deutsche Hand-
Abbildungen desselben auf Bildern Davids ein werksmeister mitunter ganz ähnliche Möbel ge-
Urteil zulassen, war es von geradezu spartani- schaffen, in der Ausstattung von Schloß Rosen-
scher Einfachheit und Formenstrenge. Als der stein bei Stuttgart offenbart sich der Einfluß
Schrecken vorüber war, folgten auch andere der Ludwigsburger englischen Möbel z. B. in
dem Beispiels Davids. Die schöne Recamier auffallender Weise. In der eckigen Grazie
ließ ihr Hotel von Berthaud einrichten und dieser dünnbeinigen Stühle, den mageren Pro-
möblieren, streng klassisch, weißen Marmor für filierungen der Schränke, der flachen Polsterung
Kamine und Tischplatten, Mahagoni für alle offenbart sich ein Zug der Mäßigung und zu-
Möbel; Kotzebue, Reichardt und andere Reisende friedener Bescheidung, der den erhaltenen In-
sprechen mit Entzücken davon. Baron Vivant terieurs dieser Zeit, z. B. Schloß Paretz bei
Denon richtete sich in ägyptischem Stil ein, Potsdam, einen so rührend sympathischen Zug
der Goldschmied Odiot schlief in einem verleiht.
Zimmer, das den Tempel der Diana Die Gefäßbildnerei, sowohl für
im Walde darstellte. Im Augen- Gebrauchsgeschirr in Porzellan und
blick, als Napoleon erster Konsul Steingut, wie für Prunkgefäße in
wird, beginnt eine Epoche des - j^y^Äa edlen Metallen geht in all ihren
Glanzes für den Möbelstil. In ^|§^r-.i r Äf I Schöpfungen auf antike Vorbilder
seinem Auftrag wurde Malmaison t^m^^^S/M zurück. Das läßt Schalen, Kannen,
für Josephine eingerichtet, Girodet 5P^^ Tassen sich zwar in sehr reinen
dekorierte Compiegne, für die Mob- %: Vs^7j^df^ Linien entwickeln, gibt ihnen aber
lierung Fontainebleaus gab er im auch etwas sehr frostiges, was be-
Ganzen zwölf Millionen aus. Die e1senmedaille von isis sonders bei dem Porzellan mit
Architekten Percier und Fontaine als Erfinder, weißer Glasur unangenehm hervortritt. Ein-
Frangois Honore (Jakob) Desmalter als aus- mal ist in dieser Zeit der Goldschmiede-
führende Hand haben damals jene prunkenden kunst eine Monumentalarbeit zugefallen, als
Möbel hergestellt, mit denen von Paris die die Stadt Paris der Kaiserin Marie Louise
ganze Welt versorgt wurde. Desmalter fertigte zur Hochzeit einen silbernen Toilettentisch mit
den Schmuckschrank der Kaiserin Marie Louise Zubehör und zur Geburt des Königs von Rom
für 55 000 Francs; er lieferte Kanapes von eine silberne Wiege schenkte. Diese Prunk-
108—12 000 Francs, Bergeren von 54—6000 möbel wurden nach Zeichnungen von Prudhon
Franks, Fauteuils von 36 — 4000 Francs das ausgeführt, den auch hier seine glückliche Gabe
Stück. Mahagonitische von Rascalon kosteten der Anmut nicht verließ. Sie sind leider nicht
2000 Francs, Marcion lieferte Bettstellen in der erhalten; als 1832 die Cholera in Parma wütete,
Form von Kähnen von 2500 — 6000 Francs, ließ die Kaiserin diese Zeugen einstigen Glanzes
In Deutschland besitzen u. a. die Schlösser in einschmelzen, um den Erlös der notleidenden
Würzburg, Kassel und Wilhelmshöhe heute noch Bevölkerung zuzuwenden.
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bis tief in unsere Tage hinein gedauert. Das solche Einrichtungen, hervorragend durch ihren
schneeige Weiß griechischen Marmors verjagt Geschmack und ihre technisch mustergültige
die fröhlichen bunten Farben, weiße Marmor- Ausführung.
platten, weiße Wände, weiße Decken, weiße Das Möbel des deutschen Bürgerhauses steht
Gardinen gelten allein für edel und haben die in diesen Jahren ebenso stark unter dem Ein-
Farbenscheu noch den nächsten Geschlechtern flusse Englands wie die Kleidung. Der englische
vererbt. Eine besondere Vorliebe erwacht für Möbeltischler legt in seinen Erzeugnissen den
die zeltartig drapierten Räume, wie sie in größten Wert auf Bequemlichkeit und Brauch-
manchen Schlössern, z. B. Potsdam, Würzburg barkeit, überflüssiger Zierrat wird verschmäht. So
usw. noch erhalten sind. Der Geschmack an zeichnen sich die Möbel, die unter dem Namen
diesen leichten Draperien hat bei der offenen von Hepplewhite und Sheraton gehen, durch
Heizung und Beleuchtung jener Tage zu vielen organischen Aufbau, sinnvolle und gefällige
Bränden Veranlassung gegeben und u. a. auch Gliederung aus. Die Verbindungen, welche die
jenen herbeigeführt, der das Fest des Fürsten englische Königsfamilie mit deutschen Fürsten-
von Schwarzenberg in Paris zu einem so furcht- häusern einging, bürgerten neben englischer Sitte,
baren Ende kommen ließ. Sprache und Kleidung auch das englische Möbel
Der Erste, der sich antik einrichtete, war sehr rasch in Deutschland ein. Die Ausstattung
wohl der Maler David, der sich von George der Königin Charlotte Mathilde von Württem-
Jakob ein ganzes Mobiliar anfertigen ließ, das berg, wie sie noch in Schloß Ludwigsburg
er und sein Freund Charles Moreau entworfen erhalten ist, bildet ein vorzügliches Beispiel
hatten. Es war von Mahagoni, diskret mit englischer Möbelkunst. In Anlehnung an Vor-
Bronze belegt und rot gepolstert. Soweit die bilder dieser Art haben dann deutsche Hand-
Abbildungen desselben auf Bildern Davids ein werksmeister mitunter ganz ähnliche Möbel ge-
Urteil zulassen, war es von geradezu spartani- schaffen, in der Ausstattung von Schloß Rosen-
scher Einfachheit und Formenstrenge. Als der stein bei Stuttgart offenbart sich der Einfluß
Schrecken vorüber war, folgten auch andere der Ludwigsburger englischen Möbel z. B. in
dem Beispiels Davids. Die schöne Recamier auffallender Weise. In der eckigen Grazie
ließ ihr Hotel von Berthaud einrichten und dieser dünnbeinigen Stühle, den mageren Pro-
möblieren, streng klassisch, weißen Marmor für filierungen der Schränke, der flachen Polsterung
Kamine und Tischplatten, Mahagoni für alle offenbart sich ein Zug der Mäßigung und zu-
Möbel; Kotzebue, Reichardt und andere Reisende friedener Bescheidung, der den erhaltenen In-
sprechen mit Entzücken davon. Baron Vivant terieurs dieser Zeit, z. B. Schloß Paretz bei
Denon richtete sich in ägyptischem Stil ein, Potsdam, einen so rührend sympathischen Zug
der Goldschmied Odiot schlief in einem verleiht.
Zimmer, das den Tempel der Diana Die Gefäßbildnerei, sowohl für
im Walde darstellte. Im Augen- Gebrauchsgeschirr in Porzellan und
blick, als Napoleon erster Konsul Steingut, wie für Prunkgefäße in
wird, beginnt eine Epoche des - j^y^Äa edlen Metallen geht in all ihren
Glanzes für den Möbelstil. In ^|§^r-.i r Äf I Schöpfungen auf antike Vorbilder
seinem Auftrag wurde Malmaison t^m^^^S/M zurück. Das läßt Schalen, Kannen,
für Josephine eingerichtet, Girodet 5P^^ Tassen sich zwar in sehr reinen
dekorierte Compiegne, für die Mob- %: Vs^7j^df^ Linien entwickeln, gibt ihnen aber
lierung Fontainebleaus gab er im auch etwas sehr frostiges, was be-
Ganzen zwölf Millionen aus. Die e1senmedaille von isis sonders bei dem Porzellan mit
Architekten Percier und Fontaine als Erfinder, weißer Glasur unangenehm hervortritt. Ein-
Frangois Honore (Jakob) Desmalter als aus- mal ist in dieser Zeit der Goldschmiede-
führende Hand haben damals jene prunkenden kunst eine Monumentalarbeit zugefallen, als
Möbel hergestellt, mit denen von Paris die die Stadt Paris der Kaiserin Marie Louise
ganze Welt versorgt wurde. Desmalter fertigte zur Hochzeit einen silbernen Toilettentisch mit
den Schmuckschrank der Kaiserin Marie Louise Zubehör und zur Geburt des Königs von Rom
für 55 000 Francs; er lieferte Kanapes von eine silberne Wiege schenkte. Diese Prunk-
108—12 000 Francs, Bergeren von 54—6000 möbel wurden nach Zeichnungen von Prudhon
Franks, Fauteuils von 36 — 4000 Francs das ausgeführt, den auch hier seine glückliche Gabe
Stück. Mahagonitische von Rascalon kosteten der Anmut nicht verließ. Sie sind leider nicht
2000 Francs, Marcion lieferte Bettstellen in der erhalten; als 1832 die Cholera in Parma wütete,
Form von Kähnen von 2500 — 6000 Francs, ließ die Kaiserin diese Zeugen einstigen Glanzes
In Deutschland besitzen u. a. die Schlösser in einschmelzen, um den Erlös der notleidenden
Würzburg, Kassel und Wilhelmshöhe heute noch Bevölkerung zuzuwenden.
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