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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Brurein, Wilhelm: Berliner Architekturplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0678

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BERLINER ARCHITEKTURPLASTIK

durch lange Jahre im ganzen Kunstschaffen ver- rauf, daß erstens der gute deutsche Sandstein
nachlässigter Faktor — ist Voraussetzung und ganz mit Unrecht in Grund und Boden verdammt
erste Bedingung für eine Steigerung der Archi- wurde und zum andern, daß für den Norden
tektuiplastik aus der kommunen Sphäre der Fabrik- der gebrannte Ton ein gegebenes Ma-
ware in das Gebiet der Kunst. Nur Künstler, terial ist. Auch der farbigen Keramik, der
die von einem solchen ehrlichen Individualismus Bronze und dem Holz wenden unsere Künstler
erfüllt sind, werden an der großen Aufgabe mit- wieder eine lebhaftere Aufmerksamkeit zu.
wirken können, unsere architektonische Skulptur Namentlich die farbige Keramik in Verbindung
wieder auf eine ähnliche Höhe zu bringen, wie mit dem bodenständigen norddeutschen Back-
sie ihr im Mittelalter beschieden war... stein verheißt viele gute Aussichten für die

Eine bezeichnende Eigentümlichkeit der tek- Zukunft,
tonischen Plastik ist die einseitige Bevorzugung Als eine besonders erfreuliche Folge der zur
bestimmter Materialien. Aus der Talmidekoration Kunst wieder erwachten angewandten Bildhauerei
der Gründerzeit und der darauffolgenden Jahre darf man gewiß die Neubelebung unserer Fried-
gelangt man allmählich zur Freude am echten hofskunst begrüßen, und in ihr wiederum die-
Material und zu einer Formengebung, die jenige, die sich mit dem einfachen Monument
„materialgemäß" ist. Wie unsere Zeit aber immer befaßt. Hier soll durch eine gegenseitige Durch-
aus einem Extrem ins andere fällt, so auch hier. dringung von Architektur und bildhauerischer Aus-
Das bildhauerische Werk von heute brüllt manch- drucksform und durch eine weise Ökonomie der
mal förmlich mit lauter äußerlichen Mitteln in Mittel, auch aus dem schlichtesten Grabmal ein
die Welt: „Seht, ich künstlerischer Wert ge-
bin aus Stein!" schaffen werden, der

Der Bauplastiker die gräuliche Fabrik-
bedient sich zumeist m^^^l wäre des zuständigen
des Muschelkalksteins. Br jM Bk ^B Lieferantentums er-
Dies kräftige, in sei- fl B^ setzt und sich auch
nem Gefüge grob- W I I den Mitteln des ein-
poröse und körnige ''■ *, v fachen Bürgers an-
Material wurde (in v ^HL^ iÄ. v passen kann,
einer verständlichen fl /;_. • An unseren Bau-
Reaktion auf die frü- I I, meistern wird es sein
her beliebte einseitige mS^BEB^K müssen, einen mög-

Verwendung der liehst engen Zusam-
glatten Materialien wie menhang mit unseren
Granit und Sandstein) Plastikern zu erstre-
gewählt, weil es von ben, ohne in die
starker und massiver Ferne zu schweifen,
Wirkung war. Natur- I *t&jF^^F' mi(^ c^en eigenen
gemäß hätte es nicht m künstlerischen Aus-
für alles und jedes druck bodenständiger
in Betracht kommen 3*- m^m Empfindung auch bei
dürfen. Aber heute '^Lfi'-^ ü# f unseren Plastikern zu
ist die Verwendung fl^Hl v ffflP erkennen und zu för-
des Muschelkalksteins ^^Hf » :* jHH dem. Immer wieder
nachgerade eine ganz I^^Hs' »> £9h muß betont werden,
wahllose geworden, ^fean fi fl daß das Schönste
und seine einseitige 9 immer nur aus einem
Bevorzugung kann B Zusammenarbei-
durchaus nicht immer fl ten der Künste
Gefallen erwecken. fl ersprießen wird.
Auch sie hat von V"-r ~ fl Bei gemeinsamer Ar-
München aus ihren fl beit lassen sich die
Weg ins nordische . sg^ fl törichten doktrinären
Land genommen. fe;v.;-fl Auswüchse am besten

Ein Umschwung ist beseitigen, und es

aber glücklicherweise ~ wird sich immer mehr

auch hier eingetreten. steinfiqur vom grabmal bleichroder eine individuelle de-

Man besinnt sich da- hans latt korative Bildhauer-

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