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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Lichtenberg, Reinhold von: Die Weltanschauung Richard Wagners in der deutschen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0694

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DEKORATIVES RELIEF (FRAGMENT). HERMANN FEUERHAHN (in Firma Roch und Feuerhahn)

senkt und von der Waberlohe umlodert wurde.
Wir haben also darin die Erdgöttin selbst, die
Mutter Erde, zu verstehen, die zur Winterszeit
auf Geheiß des Himmelsgottes wie im Schlafe
ruht. Das ist aber wieder ein Zug des Mythos,
der einesteils die Naturauffassung der Germanen
zeigt, andernteils an ein Motiv gemahnt, das
aus der älteren astralen Fassung, da der Mythos
vom Monde abgelesen wurde, stammt, das Motiv
der verlassenen Braut.

In anderer Weise wieder, und an Stassens
Blatt der den Göttern zueilenden Freia ge-
mahnend, ist die Natur in dem Bilde „Brun-
hildes Erwachen" symbolisch gedeutet. Wir
sehen dieselbe Landschaft wie vorhin im frühen
Morgenlichte daliegen; aus den Tälern steigen
die Nebelschwaden auf, und der Streifen, der
sich dort erhebt, wo wir vorher die schlafende
Brunhilde sahen, zeigt nun deren Gestalt. Sie
ist aus dem Schlafe erwacht und schwebt in dem
Nebel zu segensreicher Wirksamkeit aufwärts.

In gleicher Weise behandeln auch die anderen
Gemälde Hendrichs die tiefpoetische, im Mythos
zum Ausdruck gelangende germanische Natur-
auffassung, sie sind angeregt durch die Werke
Wagners, die wieder mit den Mitteln der Dich-

tung und Tonkunst denselben uralten, herrlichen
Gedanken dem andächtig das Werk erlebenden
Zuhörer zum Verständnis bringen.

Das Musikdrama Richard Wagners ist die
Fortsetzung und Vollendung der uralt-arischen,
religiös-mythischen Mysterien-Spiele, in denen
Religion und Mythos verschmelzen. Durch
dieses Musikdrama bleibt die andächtig-sinnige
und die Umwelt poetisch durchdringende Natur-
auffassung unserer germanischen Vorfahren von
Urzeiten an bis heute lebendig. Die gleiche
germanische Naturauffassung spricht aber auch
aus den Gemälden deutscher Künstler von
Böcklin bis zu Stassen und Hendrich, die
Werke dieser beiden letzten Künstler sind un-
mittelbar durch das Werk Wagners befruchtet.

Auf diese Weise ist die Kunst die Bewahrerin
des höchsten Kulturgutes, der altgermanischen
Weltanschauung, und bezeugt die tiefe Wahr-
heit der Worte von Hans Sachs in Richard
Wagners Meistersingern:

„Was deutsch und echt wüßt keiner mehr,

Lebt's nicht in deutscher Meister Ehr.

Drum sag' ich euch:

Ehrt eure deutschen Meister,

Dann bannt ihr gute Geister."

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