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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Müller-Clemm, Wolfgang: Mannheim, Gründung und Bestimmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0034

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Mannheim, Gründung und Bestimmung
Von Wolfgang M üller-Cle mm-Mannheim

Nach 1601.
Das Heidelberger Schloß opfert dem neuen Friedrichsbau seine Befesti-
gungsstärke. Während der Monarch, der Edelleute Freund, der Doctores
Feind, wie er sich selber nennt, säuft oder betet, sitzen die Herren von Anhalt,
Erbach, Solms und Plessen am politischen Tisch, mit den gelehrten Juristen
der Pfalz Wohlstand zu beraten. Das Wichtigste ist der Residenz uner-
schütterlicher Schutz. Die modischen, weittragenden Feuerbüchsen fordern einen
strategischen Plan und einen taktischen Entschluß. Es gilt das Neckartal
mittels eines Bollwerks zu blockieren. Der Zusammenfluß von Rhein und
Neckar erscheint als geeigneter Punkt, die Vorebene wirksam zu beherrschen.
Amsichtig gesteuert wächst der Räte Beschluß zu hohem Befehl. Friedrich IV.,
Kurfürst und Pfalzgras bei Rhein, erkürt das Dorf Mannheim, im Herzstück
zwischen den fischreichen Flüssen, zu seiner Festung und Stadt.
Herbst 1605.
Mit Plänen voll Zahlen und Linien rücken sie an, Obermarschall und
Landmesser, Hosbeamte aus Heidelberg, Band wird gelegt, und Mahstäbe
stecken sie ein, zwischen Aecker und Rebselder hindurch, über Höfe und Zäune
hinweg, unbekümmert um Sache und Besitz. Zu Anbeginn sieht das Ver-
messen einfach aus, aber als die Dörfischen spüren, um was für Dinge es
geht, müssen die Herrischen fühlen, daß zwischen zweien Willen Schimpf und
Prügel wächst. Wo der Bauer trotzt, fällt klobig das Wort, wehe aber, wenn
erst die Wut in Pfälzer Schädel steigt, gleich dem Rebsaft, den die September-
sonne gekocht. Was kümmerts den Landmesser. Ein Dreckswort spuckt der
höfische Schnösel hin, Fluch gibt ihm Antwort und eine Pranke holt aus,
bevor noch der Degen blitzt. Solcherlei Kirmes gibts auf dem Dorf. Den
Herrn laßt in Heidelberg, in Mannheim den Bauern! Revolution? Etwas
Aehnliches schon, mit Blut kaum gesprenkelt, doch mit Püffen durchsetzt. Die
Vernunft setzt sich durch, und das Recht kommt zum Sieg. Statt des sonst
üblichen Standrechts befehlen die Heidelberger ein fliegendes Parlament.
Räte und Schultheiß halten Disput. Besitz, den der Kurfürst sich nimmt, wird
dem Bauern ersetzt, heißt der Versprach. Im Iungbusch, in Käsertal, in
Secken- und Feudenheim liegen genügend fruchtbare Felder zur Kompen-
sation. Anparteiische werden beordert und auch gehört, ihnen gelingt es,
Schacher und Handel zu schlichten.
Leerer werden die Felder, dichter besät sich das Pergament, bis im No-
vember der rechtliche Vertrag, von Schultheiß und Kanzler mit Insiegel ver-
sehen, die erhitzten Gemüter beruhigt. Schon stecken Bauer und Knecht fried-
lich das Bollwerk ab, den greifenden Stern um den Platz künftiger Stadt.
Der Winter legt Weiße Stille über die einsame Fläche und die Flüsse

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