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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1874

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Grueber, Bernhard: Die Kunst des Mittelalters in Böhmen, [4],die Zeit des Übergangs-Styles und der Früh-Gothik
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https://doi.org/10.11588/diglit.26256#0005

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Die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
Von Bernhard Grueber.
Fortsetzung.
Die Zeit des Übergangs-Styles und der Früh-Gothik.
(Mit 33 Holzschnitten.)

Profanbauten.
Bei dem fast unübersehbaren Keichtliume kirchlicher
Denkmale, welche dem XIII. Jahrhundert entstammen,
zeigt sich der Profanbau äusserst schwach vertreten
und haben sich verhältnissmässig^ wenige Gebäude
aus dieser Zeit erhalten. Städtische Bauwerke, Rath-
häuser, Stadtthlirme, Patrizier- und Bürgerwohnungen
fehlen gänzlich, wenn auch einzelne Fragmente, nament-
lich Wölbungen, Tlmrbogen und Knäufe, noch alter-
thümliches Gepräge enthalten. Das anscheinend älteste
Wohngebäude Böhmens ist das sogenannte Literaten-
haus in Prachatic, welches jedoch deutliche Anzeichen
trägt, dass es während der Regierung des Kaisers
Karl IV. erbaut wurde. In der Nähe des Altstädter
Ringes zu Prag kommen, theils in den dortigen Lauben-
gängen, theils im Innern der Häuser versteckt , viele
früh-gothische Theile vor; in den Landstädten scheinen
dergleichen Reste nicht vorhanden zu sein.
Auch von den städtischen Befestigungsbauten
haben sich nur dürftige Überbleibsel erhalten, obwohl
in den Topographien und Abbildungen des vorigen
Jahrhunderts noch viele Thürme, Thore und crenelirte
Werke zu sehen sind. In dieser Beziehung hat die
neueste Zeit mit ihrer Industrie und Nivellirungssucht
unbarmherziger gehaust, als alle Kriege und Brand-
unglücke früherer Jahrhunderte. Bedeutende Reste alter
Stadtmauern besitzt Kourim, wo auch noch ein grosser
Wallthurm besteht; einige schöne Stadtmauerthürme,
finden sich in Sobeslau, Caslau und Deutschbrod, einen
aus Otakar II. Zeit herrührenden Thorthurm sah man
noch vor wenigen Jahren in Pisek und eine Ausfall-
pforte in Kolin. Von besonderm Glück wurde die Stadt
Hohenmauth begünstigt, indem sich dort zwei höchst
interessante Stadtthore nebst drei Thürmen aus der Zeit
ihrer Gründung (um 1260) erhalten haben.
Den spärlichen und vereinzelten Resten städtischer
Bauten gegenüber fällt die grosse Anzahl von Burgen
auf, welche über alle Theile des Landes ausgebreitet
XIX.

sind, am häufigsten aber im Böhmerwalde und Mittel-
gebirge getroffen werden. Manche dieser Burgen sind
noch bewohnt, wie Krumau, Neuhaus, Wittingau, Blatna,
Gross-Skai, Friedland, Konopist u. a. Die Mehrzahl
aber liegt in Ruinen und von vielen sind kaum Spuren
übergeblieben.
Wenn es gilt, Bauart und Einrichtungen der Bur-
gen zu ermitteln, hat man von den noch bewohnten
ganz abzusehen, weil bei diesen die ursprüngliche An-
lage durch Reparaturen verwischt worden ist. Hohes
Alter sprechen sehr wenige Schlösser an und bei diesen
ist es nur der Kern, die eigentliche Hochburg mit dem
Bergfried, welche als ursprünglich angesehen werden
darf; die Vorburgen und Aussenwerke sind ausnahm-
los spätere Zuthaten und gehören meist dem XV. Jahr-
hundert an. Künstlerisch durchgebildete Architekturen,
gegliederte Portale, Fenster und Bogenstellungen kom-
men zwar öfters vor, doch sind es gewöhnlich nur die
Schloss-Capellen, welche reicheren Schmuck zeigen,
während die Säle, Gemächer und Ausserlichkeiten auf
das Nothwendigste beschränkt blieben. In einigen Ca-
pellen sieht man auch Überreste von Sculpturen und
Wandgemälden; die Glasmalereien aber, welche man
hie und da zeigt, schreiben sich aus spätem Zeiten,
keine einzige gehört dem XIII. Jahrhundert an.
In Bezug auf allgemeine Disposition wurde in
Böhmen und Mähren dasselbe System befolgt, wie in
Deutschland und dem westlichen Europa; steile, isolirt
stehende Berge oder vorspringende Felsenkämme wur-
den vorzugsweise für Burgenanlagen ausgewählt; Be-
festigungen durch Wassergraben oder umgebende Teiche
gehören zu den Ausnahmen.
Dass die Anlage steinerner, nach deutscher Weise
errichteter Burgen erst durch den Mongolensturm her-
vorgerufen und durch die Prachtliebe des Königs Wen-
zel I. gefördert wurde, haben wir in der Einleitung
dargethan, auch wurde dort das Beibehalten uralter
Traditionen erwähnt. Die ältesten in geschichtlicher
Zeit erbauten Schlösser waren ohne Zweifel die landes-

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