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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1874

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Henszlmann, Imre: Zur Kunst der Gothen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26256#0146

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128 —

Zur Kunst der Gothen.

Von Dr. Henszelmann.
Mit 17 Holzschnitten.

Es soll hier von einem auf hochmittelalterlichen
plastischen Werken vorkommenden Symbole die Rede
sein, welches dazu dienen kann, schon durch sein Vor-
kommen allein die Nationalität dieser Werke zu be-
stimmen. Eine Vergleichung des Styles dieser Werke
mit andern ähnlichen, wird dann letztere entweder der-
selben Nationalität oder anderen Völkern des Hoch-
mittelalters zu vindiciren erlauben und so einiges Licht
in eine ziemlich dunkle Kunst-Epoche bringen.


Der Vater der Geschichte, Herodot, erzählt (IV.
8—10) das Abenteuer, welches Herakles in der Gegend
des Pontus bestanden. Nachdem der Heros Geryon’s
Rinder geraubt und ihm diese, während er schlief, wie-
der abhanden gekommen, fragte er bei Echidna, der
halb menschlich halb schlangenhaft Gestalteten an, und
erfuhr von ihr, dass sie selbst die Rinder fortgetrieben,
jedoch nicht wiederzuerstatten gesonnen sei, bis ihr
Herakles nicht eine Nachkommenschaft gesichert habe.
Der stets Liebesbereite ging auf die Bedingung ein und
erzeugte mit Echidna drei Söhne, von welchen Jener
zum Herrscher bestimmt wurde, der es vermochte, des
Vaters Bogen zu spannen und dessen Gürtel, an
welchem eine goldene Schale befestigt war,*
in gehöriger Weise umzugürten. Dies gelang blos dem
jüngsten der Brüder, die andern beiden wurden daher
vertrieben, während Skythes zur Herrschaft gelangte,
von ihm sollen nun die Skythen abstammen, die zum
Andenken jener Heraklesschale auch zu Herodots
Zeiten noch Schalen an ihren Gürteln tru-

1 CwsTfjpa lyovxa en’ dxpt)? rfjc aup.ßoX^; ffliaXtjv xpoasr(v.

geni; so, sagt Herodot, „erzählen die am Pontus
wohnenden Griechen.“ a
D i e s e S c li a 1 e, lv e 1 c h o d e r Becher ist nun
das oben erwähnte Symbol.
Im spanischen Annex der Wiener Weltausstellung
haben wir fünfzehn Gypsabgiisse von Statuen gehabt,
welche alle einen Kelch oder Becher in der Gegend, wo
der Gürtel getragen wird, mit einer oder beiden Händen
an die Brust drücken; ein neben diesen Abgüssen be-
findliches Buch gab Auskunft Uber den Fundort der
Statuen und fügte einige Erklärung der Bedeutung der-
selben bei, der Titel lautet: „Memoria sobre las nota-
biles escavaciones hechas en el Cerro de los santos pub-
licada por los PP. Escolapios de Yecla. Madrid 1871.“
Der sogenannte „Hügel der Heiligen“, der seinen
ziemlich alten Namen eben von hier bereits früher Vor-
gefundenen, vielleicht ähnlichen Statuen erhielt, soll
der Platz Alteas, der von den Alten erwähnten Haupt-
stadt Bätikas sein. Jedenfalls ist er berühmt geworden
durch die seit 1871 wissenschaftlich betriebenen Aus-
grabungen, welche eine grosse Menge von Steinstatuen
und Statuenfragmenten lieferten. Er soll ein Heiligthum
„adoratorio“ gewesen sein, welches von den Karthagern
zerstört wurde; die Menschenfiguren würden sodann
meist Priester vorstellen und das Gefäss auf ihrer Brust
wäre als Opfergefäss zu betrachten.
Diess die Meinung der asklepischen Väter, welcher
gegenüber mehrere Gegenbemerkungen zu machen sind:
Der Styl der Statuen verräth Nachahmung antiker Werke,
jedoch weniger die Nachahmung echt archaischer als
vielmehr archaisirender, somit wäre ihnen eine spätere
Entstehungszeit anzuweisen, als die vor den punischen
Kriegen; die meisten der Statuen, besonders die mit
dem Gefässe versehenen sind weiblichen Geschlechts ;
endlich haben ähnliche schalentragende Figuren anderer
Fundorte eine andere Bedeutung, sie stellen nicht
Priester vor, sondern sind Grabstatuen. Ob bei den
Ausgrabungen von Yekla das Vorfinden von Gebeinen
die Statuen nicht ebenfalls zu Todtendenkmälern mache,
ist nicht klar gesagt, doch sprechen hiefür zwei Um-
stände: dass man bei den Grabungen in der Thal
Menschenknochen vorgefunden, dann aber, dass die
Statuen selbst ein gewisses Streben nach Darstellung
verschiedener Individualitäten bekunden.
Ehe wir weiter gehen, geben wir hier die Abbil-
dung von fünf der merkwürdigsten dieser Statuen: der
Kopf Nr. 6 wurde blos seines auffallenden Kopfputzes

1 Iti xat s? toSe cpiaXa; sx t<I>v £u>aTT)pu>v tpops'stv 2xu&ifl.
3 Die Skythen erzählen die Veranlassung des Schalentragens etwas
verschieden. Targitai, der Sohn Jupiters und der Flussgöttin des Borythenes,
hatte drei Söhne; während der Regierung der Letzteren wären vom Himmel
gefallen vier Goldgegenstände (uoifjiAaToc): ein Pflug, ein Joch, eine Doppel-
hacke (bipennis, aä.'ftxpio'*) und eine Schale (cptdVt)). Diese wegzutragen war
blos der jüngste Sohn, Coiaxain, im Stande, die beiden älteren, Leipoxain und
Aproxain verbrannten sich die Finger, indem sie die Gegenstände anfassten.
Die Schale spielt demnach auch in der Sage der Skythen selbst eine grosse
Rolle und das Tragen einer Schale am Gürtel soll noch zu Herodot’s Zeiten in
Skythien ziemlich allgemein gewesen sein.
 
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