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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Editor]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1874

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Gradt, Johann: Die St. Leonhards-Kirche in Tamsweg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26256#0081

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Die St. Leonhards-Kirche in Tamsweg.
Von Joh. Gradt.
(Mit 22 Holzschnitten und 2 Tafein.)

Auf dem von den Körnern angelegten Strassenzuge,
der von Zollfeld (Virunum) Uber Friesach (Beliandro),
Murau (Immurio) führte und in Wels (Ovilabis) seinen
Endpunkt hatte, liegt im Lungaue die von dem genann-
ten Volke an der Mur angelegte Station Tamasica, das
heutige Tamsweg, welches im Mittelalter einen geschlos-
senen, dermalen aber offenen ansehnlichen Marktflecken
bildet. Der Reisende, welcher am schnellsten von Wien

Fis. 1.
aus dahin gelangen will, thut am besten, wenn er die
an der Kronprinz Rudolfsbahn gelegene Station Scheif-
ling in Obersteiermark verlässt, und die über Murau,
Stadl, Predlitz und Ramingstein fortwährend dem Mur-
flusse folgende Strasse einschlägt, auf welcher es ihm
mit Benützung eines Wagens möglich wird, von Scheif-
ling aus in acht Stunden Tamsweg zu erreichen und für
die lange holperige Fahrt durch den Anblick landschaft-
licher Schönheiten reichlich entschädigt zu werden.
Aus dem Dunkel des Mittelalters tritt der Lungau
frühzeitig heraus; die von Tamsweg eine Poststation ent-
fernt gelegene Stadt Mauterndorf wird in Chroniken als
fester Platz erwähnt; im VIII. Jahrhundert soll schon
die St. Laurenzkirche in Althofen bei Tamsweg bestan-
den haben; 1002 gibt König Heinrich II mit dem
Beinamen der Heilige auf die Fürbitte seiner Mutter
Gisela das predium in Lungowe dem Salzburger Erz-
bischöfe Hartwig; 1246 bringt Erzbischof Eberhard II.
von den Herren von Pettau, alten erzstiftischen Ministe-
rialen, alle Güter im Lungau an sich, darunter auch die
Kirche zu Tamsweg; 1252 überlässt Herzog Bernhard von
Kärnten dem Domcapitel proprietatem possessionum
circa Teinswich, quas Babo de Sachsenberg (dessen
Ministerial) tenuit. Dem Gesagten zufolge bestand in
Tamsweg bereits in der romanischen Periode eine
Kirche, zur alten Mutterpfarre Maria Pfarr gehörig;
allein der gegenwärtige Bau enthält keine Überreste
mehr aus jener Zeit, sondern ist als ein von Grund aus
neu angelegtes Werk der Spätrenaissance zu betrachten.
Die dem heil. Leonhard geweihte Filialkirche, auf einem
Vorsprunge des Schwarzenberges, in einer beiläufigen
Höhe von 500 Fuss über der Thalsohle ausserhalb des
Marktfleckens malerisch gelegen, ist bei Weitem älter.
Man begann im Jahre 1421 unter der Regierung des
Erzbischofes Eberhard III. f 1427, welcher den gelehrten
Doctor der Theologie Erzbischof Eberhard IV. aus dem
XIX.



Geschlechte der Starhemberge zum Nachfolger hatte,
mit deren Bau. Bis zum Jahre 1433 war derselbe so-
weit vollendet, dass der Bischof Johann von Chiemsee
dieselbe zur genannten Zeit einweihen konnte.
Die Veranlassung zur Erbauung wird einer wunder-
baren Erscheinung zugeschrieben, welche sich zufolge
der in der Kirche in St. Leonhard aufbewahrten Legende
mit dem Bildnisse des Patrones der Gefangenen und
der Nutzthiere an Ort und Stelle zugetragen haben soll.
Die in den gothischen Schriftzeichen des XV. Jahrhun-
dertes niedergeschriebene Legende beginnt damit: „Anno
domini millesimo Qua — dringentesimo vicesimo primo —
daz her Cunrad der Garr — dye czeit vicari gewesen ist
cze — Tamsweg, daz daz pild des — heyligen herrn sand
lienhartn — verlorn ward ab dem alter auf — der par-
chirichen cze Tamsweg — in dem Marchkt. do fand man
— daz pild in dem pawn auf dem püüchel cze Tambsweg
etc.“ Im weiterem Verlaufe wird ausführlich erzählt,
dass man das Bild in die Pfarrkirche an die ursprüng-
liche Standstelle zurücktrug, dass es aber von daselbst
neuerdings abhanden gekommen ist, und an dem ehe-
genannten Stamme am Büchel wieder aufgefunden wurde.
Darauf wurde das Bild in Gegenwart des Erzpriesters
von St. Michael, des Vicärs Niclas von St. Margareten, des
Pfarrers Cunrad von Tamsweg und der anwesenden
Merl Strasser, Leonhard Feyerbeck, Schulmeister und


Fig. 2.

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