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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1874

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Ilg, Albert: Die Bedeutung der St.-Eligius-Legende für die Kunstgeschichte
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Ilg, Albert: Untersuchungen über Werke der Renaissance- und Barokkekunst in Grätz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26256#0213

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um eine Lücke der geschichtlichen Tradition ausznfüllen;
sie hat der Aufgabe sich entledigt, nicht ohne auch
ein paar bunte Blumen der Dichtung darein zu flechten,
aber sie zeigt uns zugleich, dass es ein tiefes Gefühl
von der Bedeutung der Sache sein musste, was ihr die
Mission ertheilte.
Was einer Epoche selbst noch dunkel und gross,
inhaltschwer zugleich, entgegentritt, was uns mit einem
Ahnen erfüllt, ohne noch mit dem Yerständniss ergriffen
werden zu können, das fand in allen Zeiten in der Dich-
tung seinen unbestimmten, aber bedeutungsreichen Aus-
druck. Vor allem derUebergang vom Alten zum Neuen,
das Hereindämmern eines neuen Zustandes in alther-
gebrachte Verhältnisse. Die ganze hohe Bedeutung,
die grosse künftige Berufung der Goldschmiedekunst für
den Dienst der Kirche, die jetzt erst in volle Wirksamkeit
treten sollte , die in der Zeit vor Eligius kaum angetroffen
wird, scheint an seine ehrwürdige Person geknüpft, denn
sein frommer Wandel, seine Kunstgeschicklichkeit eig-
neten ihn ganz besonders zum mythischen Träger dieser
Bichtung. Durch ihn sehen wir die Goldschmiedekunst
theils mit Beibehaltung der antiken Formen einem neuen
Zwecke zugeführt, theils dem Einfluss des Ostens ent-
rissen und nationalisirt, seinem Volke, dem Abendlande
überhaupt, in eigenartig charakteristischer Weise gewon-
nen. Gewiss hat sich Solches zu gleicher Frist an verschie-
denen Orten und in mannigfacher Weise vollzogen ; fragt
nach diesen letzten Factoren die kritische Geschichts-
forschung, so thut es umsoweniger die poetische Sehn-
sucht des Volkes nach einem Heros, dem sie den Kranz
des Verdienstes aufs Haupt drücken kann. Von Dae-
dalus angefangen war sie bis auf die Gebrüder van Eyck

oder Gutenberg in der Geschichte der Erfindungen und der
Gewerbe auch stets so glücklich, ihre Helden zu ent-
decken. Ein solcher Nimbus ist es auch, der mir als
künstlerischer Heiligenschein das Haupt St. Eloi’s zu um-
strahlen scheint; er bezeichnet eine neue Epoche, den
Umschwung und Fortschritt einer ganzen Richtung der
Kunst. Und diess dürfte vom allgemein kunsthistorischen
Standpunkt in seiner Geschichte merkwürdiger sein,
als selbst die Würdigung seiner eigenhändigen Arbeiten,
von denen wir uns ohnehin keine rechte Vorstellung
machen können. Das was er schuf, erschien im Wesen
und Geist der Neuerung, das Wie erschien als vorzüg-
lich, als bedeutend vor dem Werk seiner Mitstrebenden.
Weil er denn der Trefflichste in dieser Richtung war,
erkor ihn die Poesie der Legende und der Volksage zum
Führer derselben, zu ihrem Schöpfer und Gründer, denn
echte Poesie will es mit keinen abstracten Entwicklungs-
processen, sie will es mit fassbaren, plastisch deutlichen
Heldengestalten zu tliun haben; diese Bedeutung, die
dem heiligen Eligius die Legende seit Alters beige-
legt hatte, gab demselben auch später die erste Stelle
unter den zahlreichen heiligen Goldschmieden, so dass
selbst fremde, d. h. nicht französische Innungen, ihn
hauptsächlich als Patron anerkannten, so deutsche, z. B.
die an ihrem Bernward von Hildesheim, schottische, die
an Dunstan vaterländische Helden besessen haben würden.
Er aber galt als der Erste des Handwerks, der demsel-
ben heilige Aufgaben im Dienste des Herrn gestellt, von
ihm als einem Ausgangspunkte datirt die gesammte
Hauptrichtung der abendländischen Goldschmiedekunst,
die erst durch die Renaissance den Todesstoss empfan-
gen sollte.

Untersuchungen über Werke der Renaissance- und Barokkekunst in Gträtz.
Von Albert Ilg.

Die vielbesprochenen Reliquienkästen im
Dome halte ich für mantegnesk-venetianische, nicht
florentinische Arbeit des 15. Jahrhunderts. Ganz auf-
fallend ist ihre Aehnlichkeit mit dem Style des Künst-
lers, der für die Hypnerotomachie Poliphils und andere
Conturholzschnitte damaliger Druckwerke gearbeitet
hat. Hieher gehört die eigenthümliche Art gedrängte
Gruppen zu componiren, das charakteristische reiche
Ornament der Früh-Renaissance und die schlichte con-
turmässige Behandlung der Figuren. Von der Vorliebe
venetianischer Künstler für das .Sujet der Triumphe
habe ich in meiner Dissertation: „Uber den kunsthisto-
rischen Werth der Hypner. Pol. (Wien, W. Braumüller
1872, pag. 104 ff.)“ Nachweise gegeben. Bisher hat
noch niemand die Bedeutung der sonderbaren Embleme
an den Seitentafeln der Schreine beachtet und zu er-
gründen gesucht. Sie haben bereits den Charakter der
in Italien und an anderen Orten später so sehr aus-
gebildeten Gattung der Imprese und ikonischen Räthsel,
WahlsprUche, über die Ruscelli, Dolce und Andere ganze
Bücher geschrieben haben. Es sind ihrer vier, gleichfalls
aus Elfenbein enrelief aufgesetzt, welche in Steinbüchel’s
XIX.

Publication auch photographirt zu sehen sind. Das erste
ist eine Blume, das zweite ein geringeltes drachen-
artiges Ungeheuer mit sieben Köpfen, das dritte ein vier-
ftissiges Thier, darüber die Sonne, und das vierte ein
Paar Adlerflügel mit Krallen, welche einen Ring halten
(Vrgl. Schreiner, Grätz, pag. 167 ff., Mittheil. d. Centr.
Comm. IV. pag. 27, und Lind. „Die österr. kunsthistor.
Abtheil, auf der Weltausstellung 1873“ pag 3). Ueber
jene beiden erstgenannten lässt sich wohl nichts beson-
deres bemerken, wichtiger scheinen die übrigen.
Das Thier nennt Schreiner ein Reh (pag. 168),
eine Hirschkuh dagegen Lind. Ich halte es für einen
Onager und kann diese Darstellung auf mittelalterliche
Ideen zurückführen. Es ist gewiss der Esel, der
zur Sonne emporschreit, eine den Bestiarien ent-
stammende Vorstellung. Ich begegne derselben z. B.
in einer Miniatur der bekannten Concordantia Charitatis
des Klosters Lilienfeld, im Exemplar der fürstlich Liech-
tenstein’schen Bibliothek aus dem 14. Jahrhundert. Hier
ist auch zu lesen und zwar als Erläuterung zu Jesus
Christus exspirans: Isydorus dicit, quod onager XV des
marcij duo decies in die et tocies in nocte rugit propter
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